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Sahra Wagenknecht
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Frage von Torsten B. •

Frage an Sahra Wagenknecht von Torsten B. bezüglich Soziale Sicherung

Sehr geehrte Frau Wagenknecht,

Es trägt den Anschein, daß die Parteien CDU,CSU,FDP, SPD und den Grünen hinsichtlich der WWF-Krise rein garnichts dazu-gelernt haben. Die Banker zocken weiterhin ohne Verluste, und die Maßnahmen der Regierung, als Waagenfunktion sind beschähmend.
Folgende Fragen beschäftigen mich: Hätte die Bundesregierung mit dem Beginn der Krise, im 3-Quartal 2008, nicht komplett zurücktreten müssen, auf Grund ihres Amtseides? Sind seit 10-Jahren nicht politisch die Weichen gestellt wurden (Einf. der Hedgefonds in 2002 als Bsp.) zur späteren Krise, und zwar in europ. Zusammenarbeit? War die Abschaffung der Glass-Steagelgesetze in den USA, noch unter Bill-Clinton, ein wesentlicher Auslöser? In wie weit wird sich die LINKE dafür einsetzen, daß der noch unter Rot/Grün, 1998 beginnende Privatisierungswahn ein Ende findet. Die Bahn muß voll und ganz im Staatseigentum bleiben! Es liegt auf der Hand, daß mit der Privatisierung der DTAG ab 1998 Millionen und Aber-Millionen DM regelrecht verbrannt wurden, der neue Markt existiert nicht mehr, die T-Aktie ist bedeutungslos. Jedoch im Personalbereich wurden allein in 2006 über 50.000 MA, per Abfindung, aus dem Unternehmen gedrängt. Besonders in den neuen Ländern kommt es zu einem regelrechten Jobtourismus, der oftmals familiär nicht zu vereinbaren ist. In den alten Ländern hingegen wird mehr Augenmaß an den Tag gelegt, auf Grund des hohen Beamtenstatus der Beschäftigten. Dies ergibt, daß sich viele Beschäftigte im Osten, als wiederholten Verlierer der Einheit fühlen, nach enormer Aufbauarbeit. Was muß erst passieren damit eine gerechte Arbeitsmarkt/Renten und Sozialpolitik absoluten Vorrang hat, als die hemmungslose "Bedienung" des Kapitales im System, der BRD?

Danke M.f.G. Torsten Buchaly

PS: Bei der FRANCE-Telekom haben im zurückligenden Jahr fast 20 Beschäftigte Suizid begangen, über 12 weitere den Versuch, warum wohl?!

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Antwort von
BSW

Sehr geehrter Herr Buchaly,

dass die SPD für ihre Sozialkahlschlags-Politik abgewählt wurde, war die richtige Antwort der Wähler, ihren Unmut über die SPD auszudrücken. Bleibt zu hoffen, dass der Unmut bei der nächsten Gelegenheit auch die anderen Parteien trifft, die einen neoliberalen Kurs verfolgen.

Die generelle Ablehnung von Hedgefonds zum öffentlichen Vertrieb wurde in Deutschland 2004 unter der Ägide der rot-grünen Bundesregierung erheblich gelockert. Auch die von Ihnen angesprochene 1999 unter der Clinton-Administration vollzogene Aufhebung des zweiten Glass-Steagall-Gesetzes, welches das hemmungslose Treiben der Banken noch regulieren sollte, hat sich in Hinblick auf die Wirtschaftskrise negativ ausgewirkt.

Eine der Hauptursachen für den großen Finanzcrash ist jedoch die jahrzehntelang andauernde unverantwortliche Umverteilung von unten nach oben, die im Ergebnis dazu führte, dass das Kapital immer mehr nach renditeträchtigen Anlagen Ausschau hielt. In Deutschland wurde diese neoliberale Entwicklung durch sinkende Reallöhne, Sparmaßnahmen und Sozialkürzungen bei den kleinen Leuten, durch die Einführung kapitalgedeckter Versorgungssysteme wie beispielsweise der Riester-Rente und mittels Privatisierungen öffentlichen Eigentums massiv vorangetrieben. Die verheerenden Folgen waren Überliquidität einerseits und Rückgang des Konsums andererseits. Und auch die einseitige Ausrichtung der bundesdeutschen Wirtschaft auf Export, die Schwächung der Binnennachfrage durch gezieltes rüdes Lohndumping und die stetig geringer werdenden öffentlichen Investitionen trugen zur Entstehung des Finanzcrashs bei.

Es gibt also ein ganzes Konglomerat an Ursachen für die Krisensituation an den Finanzmärkten. Die Gründe für die Krise habe ich ausführlich in meinem Buch "Wahnsinn mit Methode" beschrieben.

Im Zusammenhang mit dem Renditestreben stehen auch die erheblichen Verschlechterungen der Arbeitsbedingungen und der permanente Druck auf die Beschäftigten. Experten sagen, dass diese mit ursächlich für die von Ihnen erwähnte Suizidserie bei France Télécom seien. Dass sich die Konzernvorstände wenig um die Auswirkungen ihrer Unternehmenspolitik auf das Leben der Beschäftigten kümmern, ist einfach unerträglich. Dagegen muss man sich energisch wehren. Wir brauchen deshalb - auch hierzulande - deutlich mehr Arbeitnehmerschutz, eine erhebliche Ausweitung der Mitbestimmungsrechte für die Beschäftigten und endlich das Recht auf politische Streiks, damit die Bevölkerung sich viel wirksamer gegen Ausbeutungsmethoden wehren kann. Darüber hinaus müssen die Zulassung von Hedgefonds rückgängig gemacht und spekulative und riskante Finanzinstrumente verboten werden. Falsche wirtschaftliche Anreize für Banker und Manager müssen abgeschafft werden. Wir brauchen eine grundlegende Umgestaltung des Finanzsektors mit klaren Regeln insbesondere für die Banken und eine Umorientierung der Wirtschaft auf das Gemeinwohl. Dafür ist nicht zuletzt ein starkes öffentliches Eigentum erforderlich. Die Bevölkerung muss zudem endlich wieder am Produktivitätszuwachs in gerechter Weise beteiligt werden - das bedeutet vor allem eine deutliche Anhebung der ALG-II-Regelsätze und ein kräftiger Lohnzuwachs. Die LINKE fordert daher die Einführung eines flächendeckenden gesetzlichen Mindestlohnes von zehn Euro.

Dies alles sind erste - natürlich nicht die einzigen - Vorschläge für eine grundsätzliche soziale Veränderung der Wirtschafts- und Finanzpolitik. Für nähere und weitergehende Informationen kann ich Ihnen meine Website http://www.sahra-wagenknecht.de empfehlen.

Mit besten Grüßen,

Sahra Wagenknecht

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