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Sahra Wagenknecht
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Frage von Andreas S. •

Frage an Sahra Wagenknecht von Andreas S. bezüglich Familie

Sehr geehrte Frau Wagenknecht,

Ich habe eine Frage zum Thema Familienpolitik:

Nach meinem Empfinden kommt die Familienpolitik zur Zeit etwas in Schieflage, da zwar die öffentliche Betreuung der Kinder vom Kleinkindalter an (Horte, später Ganztagesschule...) massiv gefördert und ausgebaut wird, um Familien zu entlasten, bei denen sowohl der Vater als auch die Mutter erwerbstätig sind. Andererseits geraten aber die Familien immer mehr ins Hintertreffen, in denen die Mutter sich ganz bewusst für ein Leben als Hausfrau und Mutter bzw. "Familienmanagerin" entscheidet. Es sollten nach meiner Überzeugung nicht nur die berufstätigen Frauen im Fokus stehen. Auch die "Nur-Mütter", die sich durchaus selbstbewusst für diesen anderen Weg entschieden haben, leisten einen wesentlichen Beitrag für unser Gemeinwesen und ihre Lebensleistung sollte entsprechend respektiert und anerkannt werden - ideell und finanziell. Dasselbe gilt selbstredend entsprechend auch für sogenannte "Hausmänner".

Daher meine Frage:
Wie stehen Sie zur Forderung nach einem sogenannten Betreuungsgeld, das ab dem Jahr 2013 (warum eigentlich erst dann!?) an Eltern gezahlt werden soll, die sich dafür entscheiden, dass ein Elternteil auf die finanziellen Vorzüge der Erwerbstätigkeit verzichtet, um sich der Erziehung der Kinder zu widmen, die ja laut Grundgesetz Recht und Pflicht zuförderst der Eltern sein soll (und nicht des Staates)?

Mit freundlichen Grüssen,
Andreas Schönberger.

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Sehr geehrter Herr Schönberger,

vielen Dank für Ihre Frage, die ein sehr wichtiges Problem berührt. Leider ist es in dieser Gesellschaft so, dass Menschen, die sich um andere kümmern indem sie Erziehungs- oder Pflegeaufgaben übernehmen, dafür bestraft statt belohnt werden. Wer sich längere Zeit um Kinder oder Alte/Kranke kümmert, wird gar doppelt bestraft: Durch ein niedriges Einkommen und durch Altersarmut, da man über die Erziehung oder Pflege anderer Menschen kaum Rentenansprüche erwirbt.

Ich möchte dies gern ändern, wobei ich denke, dass das geplante „Betreuungsgeld“ keine Lösung darstellt – zumal es viel zu gering ist, als dass es eine gute Alternative zur Erwerbstätigkeit sein könnte. Ich finde es auch falsch, den Wunsch einiger Eltern, ihr Leben als „Hausfrau“ (oder „Hausmann“) zu fristen, als Argument gegen die Notwendigkeit des Ausbaus von Kindertagesstätten, Ganztagsschulen usw. ins Feld zu führen. Schließlich ist das Angebot an KiTas und Ganztagsschulen noch immer viel geringer als die Nachfrage, das Ziel einer kostenfreien Kinderbetreuung vom ersten Lebensjahr an noch längst nicht verwirklicht. Außerdem besteht gerade in Krisenzeiten die Gefahr, dass Frauen (unter Verweis auf ihre wichtige Rolle in der Familie) aus dem Berufsleben gedrängt werden - was den Regierenden insofern zupass kommt, als diese Frauen bei einem Verzicht auf Erwerbstätigkeit auch aus der Arbeitslosenstatistik verschwinden.

Statt ein mickriges „Betreuungsgeld“ einzuführen, muss ein Rechtsanspruch auf Ganztagsbetreuung verankert und praktisch durchgesetzt werden, damit es in Deutschland endlich einfacher wird, Familie und Beruf miteinander zu vereinbaren. Das bedeutet aber nicht, dass man jene Menschen im Regen stehen lässt, die sich dafür entscheiden, ihre Erwerbstätigkeit zugunsten von Erziehungs- oder Pflegetätigkeiten einzuschränken oder ganz aufzugeben. Hier brauchen wir eine wirksame Grundsicherung, die vor Armut schützt und Familien tatsächlich in die Lage versetzt, ihren Kindern bessere Entwicklungsmöglichkeiten zu gewähren.

Schließlich denke ich, dass wir eine grundsätzlich andere Bewertung „sozialer“ Tätigkeiten brauchen. Die Ausbeutung von ErzieherInnen sowie Alten- und KrankenpflegerInnen muss endlich beendet werden, indem die Arbeitsbedingungen in diesen Bereichen verbessert und die Löhne erhöht werden. Ich jedenfalls finde es skandalös, dass die Tätigkeit von Investmentbankern, Steuer- und Anlageberatern um ein Vielfaches besser bezahlt wird als die schwere und wichtige Tätigkeit, die in Kindergärten, Krankenhäusern oder Pflegeheimen geleistet wird.

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