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Sahra Wagenknecht
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Frage von Marvin R. •

Frage an Sahra Wagenknecht von Marvin R. bezüglich Finanzen

Sehr geehrte Frau Sahra Wagenknecht,

ich bin Schüler, 18 Jahre alt und nehme das erste mal an einer Europawahl teil. Auf Grund meines noch sehr jungen Alters ist für mich eine in die Zukunft gerichtete Politik wichtig. Daher interessiert mich ein Thema mehr und mehr. Im Moment liegt die Staatsverschuldung bei etwas mehr als 1, 5 Billionen Euro(Stand 16. 5.2009). Dies ist für mich eine unvorstellbar große Zahl. Dies bedeutet, dass jeder Bundesbürger einen Schuldenberg von 19.000 Euro hat. Wir steuern mehr und mehr auf eine Inflation zu. Unsere jetzige Regierung lässt sich davon jedoch nicht zurückschrecken und verschuldet sich mehr und mehr. Wir leben im Moment ein Leben, welches wir uns gar nicht leisten können.
Moralisch gesehen ist dies nicht vertretbar. Wenn ich als "kleiner Bürger" mich verschulde so wird erwartet, dass ich meine Schulden zurückzahle.
So frag ich Sie Frau Wagenknecht, wie wollen Sie dem Bürger die Angst vor einer Inflation nehmen und der Staatsverschuldung ein Ende setzten? Wie können Sie es einer so jungen Generation ermöglichen nicht den Schuldenberg der vorherigen Generation abbauen zu müssen? Wie kann ich durch meine Wahl und Ihrem europaparlamentarischen Mandat meine Interessen auf europäischer Ebene durchgesetzt werden?
Wenn Ihnen meine Stimme und sicher auch die Stimmen vieler gleichaltrigen Wähler wichtig ist so hoffe ich doch, dass Sie einen konstruktiven Plan haben, der Staatsverschuldung ein Ende zu setzen.

Vielen Dank
Marvin Rominger

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Lieber Marvin Rominger,

vielen Dank für ihre interessante und wichtige Frage. Ich stimme Ihnen zu, dass die Staatsverschuldung - und hier insbesondere die Verschuldung der Kommunen - ein drängendes Problem ist. Schon jetzt ist absehbar, dass sich die Neuverschuldung durch die Art und Weise, wie bei der Bankenrettung Verluste sozialisiert werden, deutlich erhöhen wird. Allein der Bund wird nach Angaben von Bundesfinanzminister Peer Steinbrück in diesem Jahr voraussichtlich mehr als 80 Milliarden Euro neue Schulden aufnehmen müssen. Vielleicht werden es auch mehr - schließlich liegt der Umfang des Bankenrettungspaketes bei insgesamt 480 Milliarden Euro. Hinzu kommt, dass die öffentliche Hand in der Krise mit Steuerausfällen zu rechnen hat, was die Spielräume für öffentliche Investitionen und soziale Leistungen noch weiter einschränken wird. Nach einer aktuellen Schätzung des Bundesfinanzministeriums (BMF) haben Bund, Länder und Gemeinden allein in diesem Jahr mit Steuerausfällen von 45 Milliarden Euro zu rechnen. Und ob es im nächsten Jahr besser wird, kann zum gegenwärtigen Zeitpunkt noch niemand sagen.

Allerdings kann ich Sie insofern beruhigen, als der gigantisch erscheinenden Staatsverschuldung von ca. 1.5 Billionen Euro auf der anderen Seite noch viel größere private Vermögen gegenüberstehen. Nach einer Statistik des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW) verfügten die privaten Haushalte in Deutschland im Jahr 2007 über ein Nettovermögen von gut sechs Billionen Euro. Dies entspricht einem Nettovermögen von rund 88.000 Euro pro Erwachsenem. Zwar dürfte dieses Vermögen durch die Finanzkrise etwas geschrumpft sein. Allein der Bestand an Geldvermögen wurde für Ende 2008 aber immer noch auf 4,45 Billionen Euro beziffert.

Theoretisch lässt sich das Problem der Überschuldung also ganz einfach lösen, nämlich durch einen Vermögensschnitt, der auch die Schulden deutlich reduzieren würde. Politisch ist dies allerdings schwer durchsetzbar, da die Vermögensbesitzer eine ungemein starke Lobby haben. Leider setzt sich bislang nur DIE LINKE für eine deutlich höhere Besteuerung von großen Vermögen und Spitzeneinkommen ein. Zum Beispiel fordern wir eine Millionärssteuer, d.h. eine jährliche Vermögensabgabe von 5 Prozent auf alle Vermögen, die eine Million Euro übersteigen. Wir halten eine solche Millionärssteuer für die beste Schuldenbremse. Dagegen läuft die Forderung von CDU, FDP und Teilen der SPD nach einer Schuldenbremse letztlich darauf hinaus, dass Ausgaben gekürzt, dass soziale Leistungen und Investitionen zusammengestrichen werden.

Mit höheren Steuern auf Kapitaleinkommen und Vermögen würde man aber nicht nur der wachsenden Verschuldung entgegenwirken. Man kann damit auch verhindern, dass die Schere zwischen Arm und Reich immer weiter auseinanderklafft. Gerade das Vermögen ist nämlich in Deutschland extrem ungleich verteilt: Während zwei Drittel der Bevölkerung wenig oder gar kein Vermögen besitzen, verfügen die reichsten zehn Prozent der Haushalte über mehr als zwei Drittel des gesamten Vermögens. Und mehr als ein Viertel des Geldvermögens befindet sich in den Händen der reichsten 0,5 Prozent der Bevölkerung.

Eine derartige Ungleichheit ist nicht nur sozial ungerecht, sondern gefährdet auf lange Sicht auch die Demokratie. Aus all diesen Gründen setze ich mich für einen radikalen Wandel in der Steuerpolitik ein (vgl. hierzu auch die Flyer "Geld ist genug da" und "Konzerne besteuern", die auf meiner homepage zum download zur Verfügung stehen).

Mit freundlichen Grüßen,
Ihre Sahra Wagenknecht

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