Frage an Sabine Zimmermann von Antje L. bezüglich Gesundheit
Können Sie mir erklären, warum das Verbot der Konversionstherapie und Regelungen zur Geschlechtsidentität in einem Gesetz behandelt werden soll? Selbstverständlich müssen homosexuelle Menschen vor absurden Therapien geschützt werden, die zum Ziel haben, ihre sexuelle Orientierung zu ändern. Es ist dagegen höchst problematisch, wenn TherapeutInnen untersagt werden soll, mit ihren PatientInnen analytisch und gender-kritisch zu arbeiten. Die TherapeutInnen und PädagogInnen müssen beispielsweise lesbische Mädchen dabei unterstützen dürfen, für sich herauszufinden, ob der schwerwiegende Eingriff einer medizinischen Geschlechtsanpassung mit lebenslanger Medikamenteneinnahme der richtige Weg ist oder ob nicht vielleicht Geschlechtsstereotypen mit den Normierungen, wie ein „richtiges“ Mädchen zu sein, die tiefere Motivation für den Wunsch nach einer Geschlechtsanpassung bilden. In den letztgenannten Fällen würde eine offene therapeutische und pädagogische Begleitung den betroffenen Mädchen die Chance bieten, anstelle einer Transition ein Leben mit weiblichem Körper abseits der derzeit in vielen sozialen und medialen Umfeldern wieder so massiv vermittelten Geschlechterklischees zu leben.
Vielen Dank, dass Sie Ihre Fragen und Bedenken mit mir teilen. Ich antworte Ihnen als Abgeordnete der Fraktion DIE LINKE.
Dem Gesetzentwurf gingen langjährige Forderungen zu einem Verbot dieser Pseudotherapien sowie konkret im letzten Jahr eine von der Magnus-Hirschfeld-Stiftung koordinierte Sachverständigen-Kommission voraus, die im Rahmen einer umfangreichen Anhörung von Sachverständigen aus verschiedenen Disziplinen und Betroffenenperspektiven eine umfassende Expertise erarbeitet hat. Meine Fraktion DIE LINKE hätte sich teilweise eine weitergehende Berücksichtigung der Kommissionsergebnisse gewünscht. Der Gesetzentwurf schützt in einem gewissen Umfang vor Praktiken, die von der irrigen und schädlichen Annahme getragen sind, dass Homo- oder Transsexualität Krankheiten bzw. heilungsbedürftig sind. Eine gesetzliche Verankerung dieser Feststellung ist ein Fortschritt. Gleichzeitig verbietet der Entwurf Konversionsmaßnahmen nicht in Gänze, sondern legt fest, dass Menschen ab Erreichen der Volljährigkeit (wir hätten uns hier mindestens eine Schutzgrenze bis 27 Jahren gewünscht) in eine Konversionsbehandlung trotz des Wissens um Folgeschäden und Wirkungslosigkeit rechtlich wirksam einwilligen können.
Die fachliche Begleitung war umfassend gewährleistet, auch z.B. über die Stellungnahmen von Ärzte- und Therapeutenkammern und eine weitere Sachverständigen-Anhörung im Gesundheitsausschuss des Bundestags. Der Gesetzentwurf steht dementsprechend auch nicht im Konflikt mit der Berufsfreiheit oder den Behandlungsleitlinien und -standards in Bezug auf trans* Personen. Die Behandlungsleitlinien werden von den medizinischen und therapeutischen Fachgesellschaften unabhängig und eigenverantwortlich erarbeitet und regelmäßig aktualisiert. (Die nächste Überarbeitung der Leitlinie für die Behandlung von Jugendlichen ist für den September 2020 avisiert.)
Das Gesetz umfasst Fälle, in denen Behandlungen mit dem Zweck durchgeführt werden, pseudotherapeutisch auf eine selbstempfundene und damit ernstzunehmende sexuelle Orientierung oder geschlechtliche Identität Einfluss zu nehmen, die vereinfacht gesagt von außen als Abweichung von Normen oder Zuschreibungen gilt und somit ggf. in Frage gestellt wird. An dieser Stelle setzen Konversionstherapien an, indem sie etwaige Zweifel, Stigmata oder Normerwartungen bekräftigen und auf eine „Normentsprechung“ hinwirken, die falsch und schädlich ist. Der Schutz auch der sogenannten "selbstempfundenen Geschlechtsidentität" ist ein Schutz der persönlichen Integrität und des Grundrechts auf selbstbestimmte freie Entfaltung.
Die Anteile derjenigen, die mit einer etwaigen medizinischen Transitionsbehandlung im Nachgang zum Teil oder gänzlich unzufrieden sind, beschränkt sich auf Einzelfälle, die nicht verabsolutiert werden dürfen. Aufgrunddessen nochmals höhere Hürden für alle zu implementieren, die langjährig und oft unter hohem auch finanziellen Aufwand für ihre geschlechtliche Selbstbestimmung kämpfen, wäre unverhältnismäßig. Auch diese Bedenken sind in den Vorarbeiten zum Gesetzentwurf der Bundesregierung abgewogen worden. Im Gesamtergebnis gehen die Regelungen des neuen Gesetzes nur in Maßen über die ohnehin bestehende Rechtslage hinaus, die rechtlichen Voraussetzungen für eine Transition bleiben. Fragen wie die von ihnen angesprochenen sind mit einer ungewöhnlich breiten Partizipation und Detailschärfe im Vorfeld und auch im Rahmen des parlamentarischen Prozesses von allen Seiten beleuchtet worden.