Frage an Sabine Leutheusser-Schnarrenberger von Marcus J. M. bezüglich Finanzen
Sehr geehrte Frau Leutheusser-Scharrenberger,
Ihr Parteivorsitzender Herr Dr. Westerwelle hat sehr deutlich geäußert nach der Bundestagswahl eine Koalition mit der CDU/CSU eingehen zu wollen (wenn die Stimmen dafür reichen).
Die FDP tritt ganz energisch für die Gleichstellung der Eingetragenen Lebenspartnerschaft ("Homo-Ehe") ein. Diese Thematik ist mir aus persönlichen Gründen sehr wichtig und könnte für mich durchaus wahlentscheidend sein. Mir stellt sich immer wieder die Frage ob die FDP die Gleichstellung nicht zugunsten anderer Zugeständnisse des Koalitionspartners fallen lässt und sich in dieser Sache in der kommenden Legislaturperiode nichts tut. Wie glauben Sie können Sie eine Gleichstellung vor allem im Steuerrecht in einer solchen Koalition zu erreichen und wie sicher kann ich mir sein, dass sich die Gleichstellung im Steuerrecht auch im Koalitionsvertrag wiederfindet?
Vielleicht finden Sie noch vor der Wahl die Möglichkeit zu antworten.
Herzlichen Dank und viele Grüße
Marcus J. Macke
Sehr geehrter Herr Macke,
vielen herzlichen Dank für Ihr Schreiben.
Gerne erläutere ich Ihnen unsere Position:
Die FDP setzt sich für die Gleichstellung von Lebenspartnerschaften ein. Das geltende Recht legt gleichgeschlechtlichen Paaren insgesamt weitgehende Verpflichtungen auf, ohne ihnen andererseits entsprechende Rechte zu gewähren. So finden beispielsweise die Unterhaltsverpflichtungen der Lebenspartner untereinander einkommenssteuerrechtlich keinerlei Entsprechung. Im Fall von sozialer Bedürftigkeit sind die Lebenspartner zur gegenseitigen Fürsorge verpflichtet. Sie bilden damit eine Einstandsgemeinschaft und entlasten Staat und Gesellschaft. Die rechtlichen Benachteiligungen von Lebenspartnern insbesondere im Steuerrecht und im Beamtenrecht müssen daher beseitigt werden. In der 16. Wahlperiode hatte die FDP bereits in einem Gesetzentwurf im Deutschen Bundestag die Gleichstellung bei der Erbschaftsteuer auch hinsichtlich der Steuersätze beantragt. Mit der sog. Maruko-Entscheidung hat der Europäische Gerichtshof den Mitgliedstaaten Vorgaben zur Gleichstellung gemacht, die dringend der Beachtung im nationalen Recht bedürfen. Alle Lebensgemeinschaften, in denen die Partner füreinander Verantwortung übernehmen, sind wertvoll und müssen von Staat und der Gesellschaft unterstützt werden. Wer gleiche Pflichten hat, verdient auch gleiche Rechte.
Wir fordern auch ein gemeinsames Adoptionsrecht für Lebenspartner. Ausschlaggebend für eine Adoption muss allein das Wohl des Kindes sein. Die Stiefkindadoption ist eine nur halbherzige Lösung und wird dem Kindeswohl nicht gerecht. Ein Kind hat gute Entwicklungschancen in einer stabilen und gefestigten Beziehung, wie sie auch eingetragene Lebenspartnerschaften bieten. Insbesondere bei der Annahme des leiblichen Kindes des Partners oder bei der gemeinschaftlichen Adoption von bereits in der Partnerschaft lebender Pflegekinder wird eine Adoption im Regelfall dem Kindeswohl entsprechen. Eine Adoption, bei der zwei Partner ein Kind adoptieren und beide Partner Verantwortung übernehmen ist gerade im Interesse des Kindeswohls. Ein nur beschränktes Adoptionsrecht für eingetragene Lebenspartner in Form der Stiefkindadoption trägt zudem dazu bei, Vorurteile gegen homosexuelle Frauen und Männer in Bezug auf ihre Erziehungskompetenz zu verstärken. Bei Stiefkindadoptionen soll es bei einvernehmlichem Wunsch von Mutter, Vater und adoptionswilligem Stiefelternteil mit notarieller Beurkundung unwiderruflich ermöglicht werden, dass wie bei der Erwachsenen-Adoption das Verwandtschaftsverhältnis zu beiden leiblichen Elternteilen erhalten bleibt.
Die FDP fordert bundesgesetzlich klarzustellen, dass alle in Deutschland zulässigen reproduktionsmedizinischen Angebote allen Menschen unabhängig von ihrem Familienstand rechtlich offenstehen sollen, also insbesondere auch nicht verheirateten Frauen mit Kinderwunsch. Das geltende Recht verkennt, dass auch immer mehr lesbische Paare den legitimen Wunsch nach eigenen Kindern äußern. Nur eine bundesgesetzliche Regelung ist geeignet, verbindliche Standards und damit Rechtssicherheit für alle Beteiligten zu schaffen.
Die FDP tritt mit aller Entschiedenheit für den Abbau von Diskriminierungen ein. Wir wollen Benachteiligungen beseitigen und die Rechte von Minderheiten stärken. Wir wollen die gleichen Rechte und auch die gleichen Chancen für alle Bürger, und das unabhängig von ihrer ethnischen Herkunft, ihrem Geschlecht, ihrer Religion oder Weltanschauung, ihrer Behinderung, ihres Alters oder ihrer sexuellen Identität. Der Schutz vor Diskriminierung ist ein Menschenrecht und wesentliches Element einer offenen und demokratischen Gesellschaft. Gerade in der europäischen Wertegemeinschaft müssen Benachteiligungen beseitigt und die Rechte von Minderheiten gestärkt werden. Die FDP will mehr als Antidiskriminierungsgesetzgebung. Die FDP setzt auch beim Schutz vor Diskriminierung auf Eigenverantwortung statt auf staatliche Bevormundung und Bürokratie. Wir müssen eine Kultur des Miteinanders entwickeln, in der Diskriminierung und Vorurteile geächtet und Unterschiedlichkeit nicht nur akzeptiert, sondern als Bereicherung empfunden werden. Wir wollen eine neue Kultur der Vielfalt in der Gesellschaft. Vielfalt wert zu schätzen heißt allerdings nicht, alle Menschen einfach gleich zu behandeln. Gleichmacherei wird den unterschiedlichen Talenten und Bedürfnissen der Individuen in keiner Weise gerecht, sondern verhindert die gezielte bedarfsgenaue Förderung.
Freiheitsrechte und Menschenrechte sind unteilbar. Sie gelten für alle Menschen, unabhängig von ethnischer Zugehörigkeit, Nationalität, Geschlecht, Religion oder sexueller Orientierung. Das Bemühen um die Verwirklichung von sozialen, wirtschaftlichen und kulturellen Rechten darf nicht als Rechtfertigung für die Einschränkung der bürgerlichen und politischen Freiheitsrechte missbraucht werden. Die universale Geltung der Menschenrechte kann nicht mit dem Hinweis auf kulturelle Traditionen eingeschränkt werden. Das Verbot von Folter, politischer, rassischer und religiöser Verfolgung oder Verfolgung auf Grund der sexuellen Identität ist nicht verhandelbar. Dennoch werden die Menschenrechte von Schwulen und Lesben in vielen Ländern der Welt verletzt und missachtet. Um gegen diese Menschenrechtsverletzungen entschlossen vorzugehen, muss sich Deutschland stärker mit seinen Partnern auf internationaler Ebene abstimmen. Durch die Globalisierung rücken Menschenrechte auch in anderen Regionen der Welt stärker ins Bewusstsein. Dies erhöht die Chancen Menschenrechtsanliegen aktiv in anderen Ländern anzusprechen. Alle Staaten müssen ihren Menschenrechtsverpflichtungen nachkommen, UN-Überwachungsmechanismen zulassen und mit den Sonderberichterstattern zusammenarbeiten. Versuchen einzelner Staaten, die Aktivitäten von Nichtregierungsorganisationen einzuschränken, muss eine strikte Absage erteilt werden. Die Achtung der Menschenrechte ist das Fundament für die demokratische, wirtschaftliche und kulturelle Entwicklung jedes Landes. Körperliche und geistige Unversehrtheit, Gedanken- und Meinungsfreiheit und die Freiheit von Diskriminierung sind unveräußerliche Prinzipien liberaler Menschenrechtspolitik. In unserer Menschenrechtspolitik wenden wir uns gegen Verfolgung und Ausgrenzung auf Grund der Herkunft, ethnischer Zugehörigkeit, Religion oder sexuelle Orientierung. Deshalb setzt sich die FDP für Gleichberechtigung und Toleranz ein und richtet ihre politischen Maßnahmen im In- und im Ausland an menschenrechtlichen Leitlinien aus. Die FDP setzt sich auch für eine verstärkte Einbeziehung der globalen Zivilgesellschaft in die Arbeit der Vereinten Nationen ein. Selbstverständlich müssen auch schwul-lesbische Organisationen, die eine aktive Menschenrechtsarbeit betreiben, im offiziellen Akkreditierungsverfahren der UN berücksichtigt werden. Die Glaubwürdigkeit Deutschlands steht in direktem Zusammenhang mit dem konsequenten Eintreten für die Menschenrechte. Die Yogyakarta-Prinzipien leisten hier einen wertvollen Beitrag, da sie die Rechte von Minderheiten stärker im Bewusstsein der Völkergemeinschaft verankern. Sie sind eine wichtige Leitschnur für die Menschenrechtspolitik. Deutschland muss daher die Yogyakarta-Prinzipien in der auswärtigen Politik berücksichtigen und sich für ihre internationale Anerkennung einsetzen. Auch die Entwicklungszusammenarbeit mit anderen Ländern muss sich stärker an der Einhaltung von Menschenrechten von Schwulen, Lesben, Bisexuellen und Transgendern ausrichten.
Für die FDP gehört auch der Opferschutz in den Mittelpunkt der Rechtspolitik. Alle Opfer müssen gleich behandelt werden, egal welchem Geschlecht, welcher Rasse, welcher Religion oder welcher sexueller Orientierung sie angehören. Wir müssen hinsehen, wenn Menschen in unserem Land diskriminiert, erniedrigt und angegriffen werden. Wir dürfen vor rechtsextremer und homophober Gewalt nicht die Augen verschließen. Kein Täter soll sich darauf berufen können, er habe sich einer stillschweigenden Billigung seiner Taten durch die Bevölkerung sicher sein können. Alle Menschen, die Opfer von rechtsextremer und homophober Gewalt geworden sind, müssen die Solidarität der Gesellschaft erfahren. Sie müssen wissen, dass sie nicht allein gelassen werden.
An erster Stelle muss eine gezielte Präventionsstrategie stehen. Eine solche Strategie darf sich aber nicht in Appellen erschöpfen. Prävention bedeutet vor allem, die vielfältigen Ursachen von Kriminalität - wie Perspektivlosigkeit, Verlust allgemein akzeptierter Wertvorstellungen, Nachlassen der Erziehungsfähigkeit von Familien, Integrationsprobleme - entschlossen anzugehen. Programme zur Gewaltprävention an Schulen und in der Jugendarbeit werden von der FDP unterstützt. Hier muss über die unterschiedlichen Opfergruppen aufgeklärt werden, Bewusstsein für unterschiedliche Lebensentwürfe geschaffen und versucht werden, Vorurteile abzubauen. Diese Programme müssen auf eine stabile finanzielle Grundlage gestellt werden. Insbesondere in den Kommunen haben sich die sog. Konfliktpräventionsräte bewährt. Die Bekämpfung von links- und rechtsextremistischer Gewalt ist vor allem dort aussichtsreich, wo Einflussnahme noch möglich ist, nämlich bei besonders jungen Menschen. Die FDP fordert, dass Programme zur Bekämpfung von Gewaltbereitschaft, Fremdenfeindlichkeit und Extremismus, besonders bei Jugendlichen, verstärkt werden. Dazu schlagen wir eine Drei-Säulen-Initiative vor: Eine Intensivierung der Programme für den Ausstieg gewaltbereiter und gefährdeter Jugendlicher; Angebote für jugendliche Aussteiger aus der rechten Szene hinsichtlich schulischer und beruflicher Qualifizierung; Gewaltpräventionsprogramme an Schulen und in der Jugendarbeit.
Erziehung, die zu einem eigenverantwortlichen, selbstständigen und sozialverträglichen Leben befähigen soll, kann nur auf gegenseitiger Akzeptanz, Vertrauen und Partnerschaft gründen. Rücksichtnahme auf andere, Respekt vor der Andersartigkeit anderer, Mitgefühl für Schwache, Toleranz gegenüber Minderheiten: das sind Erziehungsziele die oftmals in Vergessenheit geraten sind.
Die FDP fordert konkrete Schritte für eine Verstärkung der politischen Bildung. Gefördert werden müssen vor allem Projekte der kommunalen Jugendarbeit, soziales Engagement und kulturelle Arbeit in nichtstaatlichen Organisationen. Die erfolgreichsten Kampagnen der Polizei zur Prävention antischwuler Gewalt müssen fortgesetzt werden.
Ich hoffe, dass Sie ich Ihnen mit dieser Antwort einen Überblick über unsere Gleichstellungspolitik geben konnte und verbleibe
mit freundlichen Grüßen
Sabine Leutheusser-Schnarrenberger