Frage an Ruprecht Polenz von Tanja G. bezüglich Außenpolitik und internationale Beziehungen
Sehr geehrter Herr Polenz,
zum Afghanistankrieg:
Nicht nur ein britischer General sondern auch der UN-Sonderbeauftragte für Afghanistan hat die Möglichkeit eines Sieges über die Taliban ausgeschlossen (Spiegel
online 5.10.08 und Deutsche Welle 7.10.08).
Laut sueddeutsche.de vom 8.10.08 - Überschrift: Mit den Taliban am Tisch - hat sich auch bei der afghanischen Regierung die Erkenntnis durchgesetzt, daß der Krieg nicht zu gewinnen ist.
Halten Sie - wie die Leiterin der Friedrich-Ebert-Stiftung in Kabul und wie der frühere Isaf-Kommandant Gliemeroth Gespräche mit den Taliban nicht nur für legitim sondern auch für notwendig?
Erstmals hat sich die afghanische Regierung mit den Taliban in Mekka zu Verhandlungen getroffen.
Laut Gliemeroth muß man zwischen der national orientierten Taliban-Bewegung und dem Al-Kaida-Netzwerk unterscheiden.
Die Chefin der Kabuler Stiftung erklärte: Als Zeichen der Schwäche ist die Einwilligung der Taliban zum Gespräch nicht zu werten. Die Taliban sind - im Gegensatz zum Westen und zu der afghanischen Regierung - nicht von militärischen Erfolgen abhängig. Es reicht ihnen bereits, wenn sie Stabilität verhindern.
Wie bewerten Sie diese Feststellungen?
Mit freundlichen Grüßen
Tanja Großmann
Sehr geehrte Frau Großmann,
vielen Dank für Ihre Frage zu den Gesprächen mit Taliban-Vertretern in Saudi-Arabien.
Zu einer dauerhaften Stabilisierung Afghanistans gehört nach jahrzehntelangem Bürgerkrieg auch ein Aussöhnungsprozess zwischen den verschiedenen Stämmen und Ethnien.
Dieser Prozess muss in der Hand der vom afghanischen Volk gewählten afghanischen Regierung liegen und von ihr ausgehen. Er sollte alle einschließen, die die durch eine Volksabstimmung verabschiedete afghanische Verfassung anerkennen und bereit sind, auf Gewalt zur Durchsetzung ihrer Ziele zu verzichten.
Der Führer der Taliban, Mullah Omar, nennt drei Ziele seines Kampfes:
1. Abzug aller ausländischen Truppen aus Afghanistan
2. Abschaffung der Verfassung sowie Absetzung des gewählten Parlaments und des gewählten Präsidenten
3. Rückkehr zur Kalifatsherrschaft der Taliban, wie sie in den 90er Jahren praktiziert wurde
Solange Taliban diesen Zielen anhängen, kommen sie meines Erachtens als Verhandlungsparteien nicht in Betracht. Die anstehenden Präsidentschaftswahlen im nächsten und Parlamentswahlen im übernächsten Jahr eröffnen neue Chancen, an der Aussöhnung zu arbeiten.
Mit freundlichen Grüßen
Ruprecht Polenz