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Ruprecht Polenz
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Frage von Günter I. •

Frage an Ruprecht Polenz von Günter I. bezüglich Außenpolitik und internationale Beziehungen

Sehr geehrter Herr Polenz,

auch wenn Ihre bisherigen Antworten zum Georgienkonflikt sehr ausweichend und z.T. nichtssagend waren, hoffe ich dennoch auf eine ehrliche Antwort. Sowohl die Kanzlerin, Sie, der Außenminister und die Mehrheit der anderen Regierungsmitglieder und MdB der BRD bezichtigen Rußland der eklatanten Verletzung der territorialen Integrität Georgiens.
Das sei ein klarer Verstoß gegen das Völkerrecht.
Aber genau diese BRD, die Mehrheit der anderen EU - Staaten und natürlich allen voran die USA haben vor wenigen Monaten mit der Anerkennung der Unabhängigkeit des Kosovo die völkerrechtlich garantierte territoriale Integrität Serbiens verletzt und damit eindeutig gegen das Völkerrecht verstoßen. Im übrigen gegen den erbitterten Wiederstand Rußlands.
Erklären Sie mir bitte, wieviele Völkerrechte kennt denn die Außenpolitik der sogenannten westlichen Demokratien? Gibt es etwa eines, das dem Westen genehm ist und dann noch eines, nach dem sich alle anderen zu richten haben? Ist Völkerrecht etwa nicht mehr unteilbar?
Oder ist es nicht vielmehr so, dass Altkanzler Schröder mit seiner Einschätzung des Herren Saakaschwili gar nicht mal so daneben lag? Ist es nicht so, dass dieser Hasadeur durch private amerikanische Militärberater in ein Kriegsabenteuer gelockt wurde, aus dem der Westen nicht so recht weiß, wie er da wieder herauskommen soll? Wenn ich die Kanzlerin heute so höre, dann stellt sich mir doch die Frage, ob diese Regierung, ob der Westen denn wirklich einen neuen kalten Krieg riskieren will, nur um nicht das Gesicht zu verlieren?
Aber ich sage Ihnen und gleich mir sicher abertausende Bürger in diesem Land, wir sind nicht so blöd, wir werden solche Tricksereien nicht zulassen.

Hochachtungsvoll
Günter Ihm

Oschatz, den 26.08.2008

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Antwort von
CDU

Sehr geehrter Herr Ihm,

vielen Dank für Ihre Frage zur völkerrechtlichen Dimension des Georgienkonfliktes.

Der völkerrechtliche Unterschied, der zur Anerkennung des Kosovo geführt hat, stellt sich wie folgt dar:

Im Kosovo hat die serbische Zentralregierung durch massives Vorgehen gegen die Minderheit der Albaner, u.a. langjährige Apartheidpolitik und den versuchten Völkermord, deren Rechte verletzt. Über zehn Jahre lang hat sich die Internationale Gemeinschaft unter Aufsicht der Vereinten Nationen bemüht, den Konflikt zwischen Serben und Albanern zu lösen. Erst nachdem all diese Versuche fehlschlugen, erfolgte die völkerrechtliche Anerkennung des Kosovo.

Leider hat Russland, das den UN-Auftrag an Ahtisaari mit erteilt hatte, sich geweigert, die Anerkennung des Kosovo über eine Resolution des UN-Sicherheitsrates zu regeln, in der man die Einzigartigkeit des Falls noch besser hätte unterstreichen können.

Im Bundestag haben CDU/CSU, SPD, FDP und Grüne der völkerrechtlichen Anerkennung des Kosovo zugestimmt. Es war die nach der Vorgeschichte am wenigsten schlechte Lösung.

Bisher ist die Unabhängigkeit des Kosovo von über vierzig Staaten anerkannt worden.

In Südossetien und Abchasien fehlt es seit dem Waffenstillstand von 1992 an vergleichbaren Bemühungen der Vereinten Nationen zur Lösung des Konflikts. Russland hatte daran kein Interesse, weil dieser ´frozen conflict´ jederzeit die Möglichkeit bot, Georgien unter Druck zu setzen.

Trotz russischer Bemühungen sind andere Staaten dem russischen Schritt der Anerkennung bisher nicht gefolgt. Lediglich Nicaragua und Weißrussland haben eine Anerkennung Abchasiens und Südossetiens in Aussicht gestellt.

Auch der deutsche Botschafter Ischinger, EU-Vertreter in der "Kosovo-Troika" genannten letzten Vermittlungsmission, an der auch Russland und die USA beteiligt waren, hat betont, dass beide Fälle nicht miteinander vergleichbar seien.

Wenn Russland einen Völkermord auf dem Kaukasus behauptet, sollte dies durch eine internationale Untersuchungskommission geprüft werden. Bisher ist Russland Beweise für seine Behauptungen schuldig geblieben. Im Übrigen leben auch nach wie vor viele Osseten überall in Georgien, also auch außerhalb Südossetiens, ohne dass es irgendwelche ethnischen Probleme mit den Georgiern gibt. Das spricht meines Erachtens gegen die These vom beabsichtigten Völkermord der Georgier an den Osseten.

Mit freundlichen Grüßen

Ruprecht Polenz