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Frage von Jan-Marten B. •

Frage an Ruprecht Polenz von Jan-Marten B. bezüglich Gesellschaftspolitik, soziale Gruppen

Guten Tag,

ich würde gerne wissen, ob sie eine verdachtsunabhängige Speicherung aller Verbindungsdaten wirklich für gerechtfertigt halten.

Ich muss sagen, dass ich inzwischen mehr Angst davor hab, dass mein Verhalten im Internet / Telefon / Handy (wo ja sogar Bewegungsprofile erstellt werden können) in Hände falsche Hände geraten, als davor, dass ich möglicherweise einem terroristischen Anschlag zum Opfer fallen könnte. Und mit falschen Händen meine ich nicht umbedingt nur "Hacker", sondern auch andere Länder, denen die Daten ja zugänglich gemacht werden sollen. Ich benutze seit dem 1.1.08 kein Handy mehr. Telefonieren tu ich äußerst ungern und auch im Internet passe ich auf, welche Seiten ich aufrufe. Ich fühle mich deutlich in meiner Freiheit eingeschränkt, seit dem ich mir nicht mehr sicher sein kann, dass nicht doch irgendjemand in dem nächsten halben Jahr liest, was ich so gemacht hab, wo ich mich aufgehalten hab und mit wem ich telefoniert hab. Haben Sie, als jemand, der diesem Gesetz zugestimmt hat, keine Angst vor Missbrauch der Daten oder wieso können Sie einfach so der Speicherung all ihrer Kommunikationsverbindungen zustimmen?

Sollte das Gesetz zum Herbst nicht deutlich eingeschränkt bzw. als Rechtswidrig erklärt werden, werde ich wohl auch meinen Telefonanschluss abmelden, mir eine anonyme Prepaid-Karte fürs Handy kaufen und das Internet nur noch über Anonymisierungsdienste (die immerhin ca. 5€ / mntl. kosten, wenn sie vernünftig sein sollen) gehen. Und ich denke es ist durchaus begründet, seine Daten durch solche Maßnahmen schützen zu wollen.

Um meine Meinung nocheinmal kurz zusammen zu fassen: Ich lebe lieber mit der Gefahr, möglicherweise zur falschen Zeit am falschen Ort zu sein und einem Anschlag zum Opfer zu fallen, als dass meine kompletten Telekommunikationswege, die ich eigentlich immer gerne eingesetzt habe, überwacht werden.

mit freundlichen Grüßen,
Jan-Marten Brüggemann

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Antwort von
CDU

Sehr geehrter Herr Brüggemann ,

für Ihr Schreiben vom 30. Juni danke ich Ihnen.

Es geht hier nicht in erster Linie um Fragen einer individuellen Risikoabwägung, sondern um Kernaufgaben des Staates gegenüber allen Bürgern und den Schutz ihrer Privatsphäre gegenüber dem Staat.

Die Rechtspolitik bewegt sich im Bereich der Telekommunikationsüberwachung in einem Spannungsfeld. Dem Grundrechtsschutz der Bürger steht die ebenfalls verfassungsrechtlich gebotene Pflicht des Staates zu einer effektiven Strafverfolgung gegenüber. Das Bundesverfassungsgericht hat immer wieder das öffentliche Interesse an einer möglichst vollständigen Wahrheitsermittlung im Strafverfahren betont und die wirksame Aufklärung gerade schwerer Straftaten als einen wesentlichen Auftrag des staatlichen Gemeinwesens hervorgehoben (BVerfGE 107, 299, 316 m. w. N.), weil ein solches Gemeinwesen anders gar nicht funktionieren kann. Grundrechtsschutz der Bürger und Strafverfolgungsinteresse des Staates müssen deshalb in einen vernünftigen Ausgleich gebracht werden. Ermittlungsinstrumente sollten deshalb aus rechtspolitischer Sicht -- zumindest aus derjenigen der CDU/CSU-Bundestagsfraktion - nicht weiter beschränkt werden, als dies verfassungsrechtlich geboten ist.

Die sogenannte Vorratsdatenspeicherung ist ein solches Ermittlungsinstrument, das für die wirksame Aufklärung gerade schwerer Straftaten unabdingbar ist. In der Diskussion hierüber wird vielfach übersehen, dass bereits nach der gegenwärtigen Rechtslage Telekommunikationsunternehmen *Verbindungsdaten* (Verkehrsdaten) zu *Abrechnungszwecken* speichern dürfen. *Gesprächsinhalte dürfen insoweit nicht gespeichert werden.* Über diese Daten haben die Telekommunikationsunternehmen nach den Vorschriften der Strafprozessordnung den Strafverfolgungsbehörden Auskunft zu erteilen, wenn es um die Verfolgung schwerer Straftaten oder von Straftaten, die mittels Telekommunikation begangen wurden, geht (§§ 100g u. h StPO). Die Anordnung der Erteilung einer Auskunft ist an strenge rechtsstaatliche Voraussetzungen (u. a. konkreter, durch bestimmte Tatsachen begründeter Verdacht, keine anderweitige Möglichkeit der Aufklärung, Richtervorbehalt) geknüpft. Dieses Instrument der Verbindungsdatenabfrage hat sich in der Vergangenheit als unverzichtbar bei der Bekämpfung und Aufdeckung schwerer Kriminalität erwiesen. Mit der stetigen Zunahme sogenannter "Flatratetarife", bei denen eine Speicherung von Verbindungsdaten zu Abrechnungszwecken durch die Telekommunikationsunternehmen nicht mehr erforderlich ist, drohte es mehr und mehr seine Wirksamkeit zu verlieren. Die Möglichkeit, alleine durch Nutzung solcher Flatratetarife, Strafverfolgungsmaßnahmen zu erschweren oder zu vereiteln, dürfte insbesondere der organisierten Kriminalität nicht verborgen geblieben sein. Bereits deshalb war es erforderlich, eine entsprechende Speicherungsverpflichtung der Telekommunikationsunternehmen, unabhängig davon, ob diese Daten zu Abrechnungszwecken benötigt werden, gesetzlich festzulegen. Die bisherigen Schutzvorkehrungen sind dabei uneingeschränkt beibehalten worden.

Mit dem Gesetz zur Neuregelung der Telekommunikationsüberwachung und anderer verdeckter Ermittlungsmaßnahmen sowie zur Umsetzung der Richtlinie Nr. 2006/24/EG (BT-Drs. 16/5846; 16/6979), das am 9. November im Deutschen Bundestag verabschiedet wurde, werden Vorgaben, mit denen sowohl dem Interesse an einer effektiven Strafverfolgung als auch dem Schutz der Grundrechte in ausgewogener Weise Rechnung getragen wird, eingehalten: Von den Telekommunikationsunternehmen dürfen nur die Verkehrsdaten gespeichert werden. Die Speicherungsfrist ist auf sechs Monate begrenzt. Die Anordnung der Erteilung einer Auskunft über diese Daten ist nach wie vor an strenge rechtsstaatliche Voraussetzungen (u. a. konkreter, durch bestimmte Tatsachen begründeter Verdacht einer Straftat von erheblicher Bedeutung oder einer Straftat, die mittels Telekommunikation begangen wurde; keine anderweitige Möglichkeit der Aufklärung (richterliche Genehmigung) geknüpft. Eine anderweitige Verwendung dieser Daten ist nur zu Zwecken der Abwehr erheblicher Gefahren für die öffentliche Sicherheit möglich, wenn dies gesetzlich unter Beachtung der Verwendungsbeschränkungen im Telekommunikationsgesetz festgelegt ist. Eine Verwendung beispielsweise zur Durchsetzung zivilrechtlicher Ansprüche ist nicht zulässig.

Die Telekommunikationsunternehmen haben die neu geschaffenen Speicherverpflichtungen faktisch bis spätestens zum 1. Januar 2009 zu erfüllen. Hierfür wird für die Anbieter von Telefondiensten die Bußgeldbewehrung der Speicherungsverpflichtung bis zu diesem Zeitpunkt ausgesetzt, während für die Internetzugangsdienste die Verpflichtung selbst erst zu diesem Zeitpunkt greift.

Mit freundlichen Grüßen

Ruprecht Polenz