Frage an Ruprecht Polenz von Dr. Guntram O. bezüglich Außenpolitik und internationale Beziehungen
Sehr geehrter Herr Dr. Polenz,
als außen- und sicherheitspolitisch versierter Abgeordneter würden Sie im Falle eines Wahlsiegs Ihrer Fraktion möglicherweise entscheidend an der Steuerung deutscher Außenpolitik mitarbeiten. In diesem Zusammenhang wäre ich um eine Stellungnahme zu folgendem Themenkomplex dankbar:
Dem Regierungsprogramm Ihrer Fraktion ist zu entnehmen, dass Sie die transatlantische Partnerschaft mit den USA neu beleben möchten. Das kann ich grundsätzlich nachvollziehen und unterstützen.
Je nach personeller Besetzung des Amtes des US-Präsidenten kann diese Zusammenarbeit für die europäischen NATO-Partner jedoch mit unerwünschten Folgeerscheinungen verbunden sein. Gerade der derzeitige Amtsinhaber hat bislang kaum Zweifel daran gelassen, dass ihm das Wohl des von ihm repräsentierten Volkes näher liegt als globale Kooperation und Rücksichtnahme. Das mag man unterstützen oder bedauern - man muss es vor allem zur Kenntnis nehmen.
Der eigene Vorteil der USA besteht sicherlich darin, dass sie eine Partnerschaft der NATO-Staaten gerne in Anspruch nehmen, wenn sie möglich ist. Man ist aber nicht darauf angewiesen und kann die eigenen Ziele notfalls auch alleine durchsetzen.
In der Folge (und im Umkehrschluss) führt das meines Erachtens dazu, dass eine deutsche aussen- und sicherheitspolitische Kooperation mit den USA ein Abhängigkeitsverhältnis ausschliessen und entsprechende Alternativen verfügbar machen sollte. Naheliegend wäre eine entsprechende Kooperation auf EU-Basis, die es uns ermöglicht, unseren Beitrag zu weltweiter Sicherheit und Frieden auch aufrechtzuerhalten, wenn unser mächtigster Partner sich dieser Verantwortung entziehen möchte.
Eine lange Ausführung salopp formuliert: Super, wenn wir globale Sicherheit und Wohlstand mit den USA gemeinsam schaffen - das ist das erstrebenswerte Ziel. Aber wenn die partout nicht wollen oder uns den Arm umdrehen möchten, dann sollten wir auch nicht an deren ausgestrecktem Arm verhungern müssen.
Jetzt die Frage(n) an Sie: Sehen Sie das auch so? Wenn nein, wo liegen die Unterschiede zwischen unseren Ansichten? Wenn ja, was werden Sie als Abgeordneter im Falle eines Wahlsiegs tun, um Deutschland im europäischen Kontext von den USA zu emanzipieren?
Herzlichen Dank im voraus für Ihre Antwort.
Mit freundlichen Grüssen
Dr. Guntram Ochs
Sehr geehrter Herr Dr. Ochs,
für Ihre Zuschrift zum deutsch-amerikanischen Verhältnis danke ich Ihnen.
Ich stimme Ihren Äußerungen insofern zu, dass die Beziehungen zwischen Deutschland und den USA kein blindes Nachfolgen der USA sein dürfen. Jedoch vertrete ich auch die Ansicht, dass eine erfolgreiche Wahrnehmung unserer nationalen Interessen nicht dauerhaft gegen die USA möglich sein wird.
Frieden, Freiheit und Wohlstand werden für unser Land nur dann gesichert bleiben, wenn wir die Weiterentwicklung der europäischen Einigung und die Partnerschaft mit den USA nicht als Gegensatz begreifen, sondern als sich ergänzende Säulen der deutschen Außenpolitik.
Mit einer CDU/CSU-geführten Bundesregierung möchte ich mich dafür einsetzen, dass die europäische Integration wieder an Fahrt gewinnt. Nach dem Scheitern des Verfassungsvertrages ist es Aufgabe deutscher Europapolitik, dass das Vertrauen in die Europäische Union wiederhergestellt wird. Dies gelingt nur, wenn alle Staaten der EU, auch die kleinen und mittleren, in diesen Prozess einbezogen werden und ihre Interessen Berücksichtigung finden.
Unser Ziel muss es sein, ein wirtschaftlich und politisches starkes Europa zu schaffen und dies nicht in Abgrenzung zu den USA, sondern zum Ausbau einer stabilen Partnerschaft.
Ich bin davon überzeugt, dass wir die globalen Probleme wie z.B. den internationalen Terrorismus und die Verbreitung von Massenvernichtungswaffen nicht allein auf europäischer Ebene lösen können, sondern nur in Zusammenarbeit mit den USA. Dies zeigt sich beispielhaft auch an der Atom-Frage im Iran.
Europa ist nur dann geschlossen und somit ein starker Partner für die USA, wenn es sich nicht in Gegnerschaft zu diesen definiert. Die osteuropäischen Mitgliedsländer der Europäischen Union wurden zuerst Mitglied der NATO und erst dann der EU, gerade weil sie nach einer engen Zusammenarbeit und Sicherheit mit und durch die USA streben. Ein Aufweichen der transatlantischen Beziehungen ist gegen die Interessen unserer östlichen Nachbarländer. Ein derartiger Kurs würde Europa spalten, und Spaltung bedeutet Schwächung.
Die von Ihnen angesprochene Kooperation auf EU-Basis zur Sicherung des internationalen Friedens existiert bereits. Sie ist Bestandteil einer strategischen Partnerschaft zwischen EU und NATO und dabei von wesentlicher Bedeutung für die Entwicklung der Europäischen Sicherheits- und Verteidigungspolitik.
Innerhalb verschiedener Initiativen sollen insbesondere die militärischen Fähigkeiten der EU ausgebaut und komplementär beiden Organisationen nutzbar gemacht werden. Beispielhaft seien hier die Aufstellung und der Ausbau der so genannten europäischen „Kampfgruppen“, d.h. Kampftruppen in einer Stärke von ca. 1500 Mann, die selbständig und schnell in einem begrenzten Zeitraum von ca. 60 bis 100 Tagen eine Operation durchführen können. Diese Streitkräfte können entweder für EU- oder NATO-geführte Operationen verfügbar gemacht werden. Ist die NATO als Ganzes nicht involviert oder interessiert, dann kann die EU entweder unter Rückgriff auf die NATO oder vollkommen autonom unter Nutzung der Ressourcen der Mitgliedstaaten Operationen zur Krisenbewältigung durchführen. Dass diese Varianten gut funktionieren, haben militärische Operationen in Mazedonien und im Kongo gezeigt.
Meinungsverschiedenheiten im transatlantischen Verhältnis wird es auch künftig geben. Gelöst werden können diese jedoch nur im Dialog und nicht durch Abgrenzung.
Mit freundlichen Grüßen
Ruprecht Polenz, MdB
19. August 2005