Frage an Ruprecht Polenz von Diego F. bezüglich Gesellschaftspolitik, soziale Gruppen
1 Sehen Sie in der zunehmenden Ausbreitung des Islam in unserer Gesellschaft eine Gefahr oder eher eine wünschenswerte kulturelle Bereicherung?
2 Halten sie den Islam für kompatibel mit dem Grundgesetz?
3 Befürworten Sie einen EU-Beitritt der Türkei?
4 Ist Ihnen bekannt, daß der islam eine politische Religion ist, deren Lehren alle Bereiche des menschlichen Lebens betreffen und nicht, wie im Falle anderer Religionen, in erster Linie den Glauben?
5 Befürworten Sie eine Überprüfung von Art. 4 GG (Religionsfreiheit) hinsichtlich seiner Anwendbarkeit auf die Politreligion Islam?
6 Ist Ihnen bekannt, daß an über 200 Stellen im Koran zu Gewalt gegen Andersgläubige und Abtrünnige aufgerufen wird und daß diese Gewalt auch heute noch vielfach praktiziert wird?
7 Würden Sie die Forderung des deutsch-türkischen Forums (Vorsitzender: Bülent Arslan, CDU) zustimmen, hierzulande muslimische Polizeieinheiten mit hoheitlichen Befugnissen zu schaffen?
8 Wie denken Sie darüber, dass Moscheen in Deutschland oft nach islamischen Eroberen benannt werden? Würden Sie die Forderung nach einer Umbenennung unterstützen?
9 Befürworten Sie die uneingeschränkte Durchsetzung der deutschen Schulordnung (Kopftuchverbot für Lehrerinnen, Teilnahme der Schüler an allen Pflichtfächern und an allen Klassenfahrten)?
10 Wie wollen Sie verhindern, dass Imame hierzulande die absolute Vorrangstellung des Mannes gegenüber den Frauen predigen?
11 Welchen Begriff von Integration haben Sie:
a) Zuwanderer haben sich den Sitten, Gebräuchen und kulturellen Werten der gastgebenden Gesellschaft anzupassen;
b) Gesellschaften, die Zuwanderer aufnehmen, haben Bedingungen dafür zu schaffen, daß diese ihre kulturelle Identität weiter ausleben können.
12 Unterstützen Sie Menschenrechtsorganisationen, die Verstöße gegen die Religionsfreiheit in der Türkei und anderen islamisch geprägten Ländern beklagen und öffentlich machen?
Sehr geehrter Herr Faßnacht,
vielen Dank für Ihre Fragen vom 10. Februar zum Thema Integration, auf die ich im Folgenden gerne einzeln eingehe.
Zu 1)
Muslime sind ein fester Teil unserer Gesellschaft (Wolfgang Schäuble). Sie gehören zu uns und dürfen nicht durch eine Unkultur des Verdachts ausgegrenzt werden.
Zu 2)
Das Grundgesetz ist die normative Grundlage des Zusammenlebens in unserer Gesellschaft. Es gewährleistet Meinungs-, Gedanken- und Religionsfreiheit. Man darf auch an etwas glauben, was nicht im Grundgesetz steht oder ihm widerspricht. Es gibt Stellen im Koran oder auch im Alten Testament, die der Wertordnung des Grundgesetzes widersprechen. Solange sich dies nicht auf das Zusammenleben mit anderen auswirkt, ist es für unsere Verfassung kein Problem.
Zu 3)
Wenn die Kopenhagener Beitrittskriterien (Demokratie, Rechtsstaat, Menschenrechte, Minderheitenschutz, wirtschaftliche Leistungsfähigkeit) vollständig und verlässlich auch in der Praxis erfüllt sind und wenn die Aufnahme- und Handlungsfähigkeit der EU es zulässt, dann ja. Beide Voraussetzungen sind derzeit noch nicht gegeben.
Zu 4)
Meines Wissens enthalten alle Religionen Anforderungen an die konkrete Lebensführung der Menschen. Auch die 10 Gebote gelten für menschliches Leben im Diesseits.
Zu 5)
Nein. – Was soll der diffamierende Zusatz „Polit“-Religion Islam?
Zu 6)
Ich weiß, dass es im Koran sog. „Schwertstellen“ gibt. Die Frage ist, was das für das Zusammenleben mit Muslimen konkret bedeutet. Wir sollten nicht den Fehler machen und wie die islamistischen Fundamentalisten diese „Schwertstellen“ für den „eigentlichen Islam“ halten. Es gibt 1,3 Milliarden Muslime auf der Welt, davon über 12 Millionen in Europa und 3,5 Millionen in Deutschland. 99,9 Prozent von ihnen verhalten sich friedlich.
Zu 7)
Selbstverständlich können deutsche Muslime auch Polizeibeamte werden.
Zu 8)
Es ist Sache jeder Religionsgemeinschaft selbst, wie sie ihre Gebetshäuser benennt. Wenn ich in einem konkreten Fall Bedenken hätte, würde ich nach den Gründen fragen.
Zu 9)
Ja, aber mit pädagogischem Fingerspitzengefühl und guter Elternarbeit.
Zu 10)
Ich kenne einzelne Berichte über solche Predigten. Gleichberechtigung zwischen Frauen und Männern ist ein wichtiges Gebot unseres Grundgesetzes. Für seine vollständige Verwirklichung in unserer Gesellschaft muss noch in vielen Bereichen einiges geschehen (z.B. gleicher Lohn für gleiche Arbeit.)
Wir sollten den eingeschlagenen Weg fortsetzen und an unseren Universitäten Islam – Lehrstühle einrichten zur Ausbildung islamischer Religionslehrer und auch von Imamen.
Zu 11)
Integration ist weder eine Hol- noch eine Bringschuld. Wir müssen Integration gemeinsam schaffen. Länder mit langer Einwanderungstradition wie die USA oder Kanada bringen Integration auf die Formel: Sprache – Arbeit – Heirat. Für letzteres ist die Politik nicht zuständig. Aber das Einheiraten beschreibt wahrscheinlich am besten, wann Integration weitgehend abgeschlossen ist.
Zu 12)
Ja. Aber ich vergesse auch nicht die Christenverfolgung in Nordkorea oder China.
Mit freundlichen Grüßen
Ruprecht Polenz