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Ruprecht Polenz
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Frage von Lars H. •

Frage an Ruprecht Polenz von Lars H. bezüglich Kultur

Sehr geehrter Herr Polenz,

ich muss Ihnen leider gestehen, dass ich mich zunehmend unsicherer fühle in unserem Land. Das liegt nun aber nicht, wie sie zunächst vielleicht vermuten würden, an der immer größer werdenden terroristischen Bedrohung, sonder viel mehr an denen, die vorgeben ihr entgegenzutreten.

Ich halte es für schier unglaublich was für Gesetze unter dem Vorwand der Terrorismus- und Kriminalitätsbekämpfung alles auf den Weg gebracht werden. Es ist von Online-Durchsuchungen, von Vorratsdatenspeicherung die Rede, Dinge die die Datenschutzbeauftragten als ganz klar verfassungswidrig kritisieren. Der Bundesrat spricht sich obendrein für die Streichung des Richtervorbehalts bei den geplanten Auskunftsanprüchen gegen Internetprovider über Nutzerdaten aus.
Das Buch "1984" von George Orwell stellt längst keine negative Utopie mehr dar, sondern erscheint schon fast als Schnee von gestern.

Mein Vertrauen in die Politiker dieses Landes ist über solche Themen mehr als erschüttert. Die letzte Hoffnung, die ich noch sehe, ist das BVerfG und somit möchte ich auch zu meiner eigentlichen Frage kommen, die ich bewusst zum Thema Kultur stelle.

Ich gehe davon aus, dass z. B. das Gesetzt zur Vorratsdatenspeicherung klar vom BVerfG als verfassungswidrig deklariert werden muss, ich selbst werde mich an einer entspr. Verfassungsklage beteiligen. Wie kann sich ein Politiker einer solchen Schelte der Verfassungswidrigkeit stellen ohne zurückzutreten? Was ist aus Schamgefühl und Anstand in der Politik geworden?

Würden Sie, angenommen Sie stimmen für ein entspr. Gesetz, nach der Bescheinigung der Verfassungsfeindlichkeit die Konsequenz eines Rücktritts von all Ihren Ämtern in Erwägung ziehen und wenn nein, wie rechtfertigen Sie dies?

Mit freundlichen Grüßen

Lars Hummert

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Antwort von
CDU

Sehr geehrter Herr Hummert,

Ihre Anfrage bei Abgeordnetenwatch.de zur Onlinedurchsuchung und zur geplanten Vorratsdatenspeicherung habe ich erhalten und ich danke Ihnen dafür.

Bei der Online-Durchsuchung handelt es sich um eine Ermittlungsmaßnahme, bei der der Rechner einer Zielperson ohne deren Wissen und ohne Anwesenheit der ermittelnden Beamten am Standort des Rechners mit technischen Mitteln auf verfahrensrelevante Daten durchsucht wird.

Der BGH hat am 5. Februar 2007 entschieden, dass eine solche Ermittlungsmaßnahme nicht auf eine Rechtsgrundlage in der StPO gestützt werden kann. Öffentliche Aufmerksamkeit hatten zuvor zwei Beschlüsse des Ermittlungsrichters des BGH erlangt. Mit Beschluss des Ermittlungsrichters vom 21. Februar 2006 wurde eine solche Maßnahme genehmigt, diese wurde jedoch nicht umgesetzt. Mit einem weiteren Beschluss des Ermittlungsrichters vom 25. November 2006 in einer anderen Sache wurde eine solche Maßnahme abgelehnt.

Mit der Durchführung einer verdeckten Online-Durchsuchung können die Strafverfolgungsbehörden Erkenntnisse erlangen, die sie mit der Durchführung einer offenen Maßnahme, wie etwa die Beschlagnahme des Rechners der Zielperson, nicht oder nicht in dem entsprechenden Umfang gewinnen könnten. Die Durchführung einer "offenen Durchsuchung" beim Beschuldigten setzt diesen notwendig von den gegen ihn geführten Ermittlungen in Kenntnis. Hierdurch kann eine weitere Erforschung des Sachverhalts und eine Aufdeckung der Täterstrukturen erschwert oder gar vereitelt werden. Während eine "offene" Durchsuchung regelmäßig eher am Ende eines Ermittlungsverfahrens steht, kann die "Online-Durchsuchung" in einem Stadium, in dem die Einleitung eines Ermittlungsverfahrens dem Beschuldigten noch nicht bekannt ist, dazu dienen, weitere Ermittlungsansätze auch im Hinblick auf Tatbeteiligte oder Tatplanungen zu gewinnen.

Dies ist gerade im Hinblick auf die wachsende Bedrohung durch den internationalen Terrorismus von großer Bedeutung. Die Unübersichtlichkeit des Internets und die Möglichkeit, darin unterzutauchen, wird sehr häufig von terroristischen Vereinigungen genutzt, um verdeckt miteinander zu kommunizieren oder Anschläge zu organisieren. Daher ist es notwendig, diese Kommunikationswege zu überwachen, um so Aufschluss über die Organisationsstruktur, geplante Aktionen und die Hintermänner zu bekommen, und letztlich Katastrophen zu verhindern.
Das Bundesministerium des Inneren, unterstützt von den Innenpolitikern CDU/CSU Bundestagsfraktion, tritt daher für die zeitnahe Schaffung einer Rechtsgrundlage in der Strafprozessordnung ein. Die Ermittlungsbehörden müssen in die Lage versetzt werden, mit der technischen Entwicklung Schritt zu halten und dieses neue technische Verfahren einsetzen zu können. Eine solche Maßnahme sollte dabei nur aufgrund richterlicher Anordnung und nur bei bestimmten Straftaten erfolgen. Weitere Einzelheiten werden derzeit zwischen den betroffen Ressorts geklärt. Bei der technischen Ausgestaltung solcher Maßnahmen ist darauf zu achten, dass unerwünschte Nebeneffekte und Risiken für Dritte ausgeschlossen werden können.

Im direkten Zusammenhang mit der Abwehr der terroristischen Bedrohung, aber auch zur Bekämpfung der wachsenden Online-Kriminalität steht die geplante Vorratsdatenspeicherung.
Im Februar dieses Jahres hat die Bundesregierung der Richtlinie Nr. 2006/24/EG des Europäischen Parlamentes und des Rates über die Vorratsspeicherung von Daten, die bei der Bereitstellung öffentlich zugänglicher elektronischer Kommunikationsdienste oder öffentlicher Kommunikationsnetze erzeugt oder verarbeitet werden, zugestimmt.

Sie hat dies mit Unterstützung des Deutschen Bundestages getan. In dem Entschließungsantrag der Fraktionen von CDU/CSU und SPD vom 7. Februar 2006, der vom Deutschen Bundestag angenommen wurde, wurde die Bundesregierung aufgefordert, der Richtlinie zuzustimmen. Der Deutsche Bundestag hat in dem Beschluss ausdrücklich darauf hingewiesen, dass ein Zugriff auf Telekommunikationsverkehrsdaten insbesondere bei Straftaten mit komplexen Täterstrukturen, wie sie für den internationalen Terrorismus und die organisierte Kriminalität kennzeichnend sind, und bei von mittels Telekommunikation begangenen Straftaten unverzichtbar ist.

Dem Deutschen Bundestag ist es bei der Umsetzung der Richtlinie gelungen, Regelungen mit Augenmaß (z. B. keine Speicherung von Gesprächsinhalten, Beschränkung der Speicherungsfrist auf 6 Monate, Datenabfrage nur bei Verdacht erheblicher oder mittels Telekommunikation begangener Straftaten) mit einzubauen, um den Schutz der Privatsphäre zu gewährleisten aber auch den Sicherheitsinteressen nachzukommen.

Weder aus dem Urteil des Europäischen Gerichtshofs vom 30. Mai 2006 in Sachen Übermittlung von Fluggastdaten, noch aus dem Beschluss des Bundesverfassungsgerichts vom 4. April 2006 in Sachen Rasterfahndung lässt sich zwingend ableiten, dass die Richtlinie von der Form oder vom Inhalt her rechtswidrig wäre.

Die Richtlinie ist daher bis zum 15. September 2007 in nationales Recht umzusetzen. Das Bundesministerium der Justiz bereitet derzeit einen Gesetzentwurf hierfür vor. Die CDU/CSU-Bundestagsfraktion wird bei dieser Umsetzung darauf achten, dass die oben genannten Vorgaben, mit denen sowohl dem Interesse an einer effektiven Strafverfolgung als auch dem Schutz der Grundrechte in ausgewogener Weise Rechnung getragen wird, eingehalten werden.

Ich hoffe, Ihre Anfrage zu Ihrer Zufriedenheit beantwortet zu haben.

Mit freundlichen Grüßen

Ruprecht Polenz