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Frage von Wolfgang M. •

Frage an Ruprecht Polenz von Wolfgang M. bezüglich Gesundheit

Sehr geehrter Herr Polenz !

Nachdem ich vor einigen Tagen Herrn Laumann und Herrn Hoevermann zur aktuellen Gesundheitsreform im Rahmen der Kammerversammlung der ZÄKWL in Dortmund gehört habe, wäre ich sehr interessiert daran, wie Sie sich in der Frage der Gesundheitsreform / VAäG und WSG stellen. Ist ein solcher Bürokratismus von gesundem Menschenverstand nicht aufzuhalten? Wo fängt eigentlich die eigene Gewissensentscheidung des Abgeordneten an?

In Erwartung einer Antwort
Hochachtungsvoll Dr.Möller

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Antwort von
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Sehr geehrter Herr Dr. Möller,

vielen Dank für Ihr Schreiben vom 11. Dezember zum Thema Gesundheitsreform und Ihre Fragen bezüglich des Vertragsarztänderungsgesetzes (VAÄG) und des Wettbewerbsstärkungsgesetzes (WSG).

Im Folgenden erläutere ich Ihnen gerne, wie es zu dem Vertragsarztänderungsgesetz und dem Wettbewerbsstärkungsgesetz kam und wie ich persönlich dazu stehe.

Anlass für das Vertragsarztänderungsgesetz waren Beschlüsse des Deutschen Ärztetages und des Deutschen Zahnärztetages 2004. Im dem Gesetz geht es nun unter anderem darum, eine Flexibilisierung und Liberalisierung des Vertragsarztrechts durch Erweiterung der Möglichkeiten zur Anstellung von Ärzten durch Vertragsärzte vorzunehmen, soweit Zulassungsbeschränkungen nicht entgegenstehen. So konnte ein niedergelassener Arzt bisher nur einen ganztags oder zwei halbtags beschäftigte Ärzte gleicher Fachrichtung einstellen. Künftig können Vertragsärzte auch Ärzte mit anderen Fachartbezeichnungen sowie individueller Arbeitszeitgestaltung einstellen. Diese Flexibilisierung bietet meiner Ansicht nach für die Ärzteschaft deutliche Vorteile.

Ferner wird die vertragsärztliche Tätigkeit außerhalb des Vertragsarztsitzes an weiteren Orten erlaubt, wenn und soweit dies die Versorgung der Versicherten an den weiteren Orten verbessert und die ordnungsgemäße Versorgung der Versicherten am Ort des Vertragsarztsitzes nicht beeinträchtigt wird. Da dies sowohl den Ärzten wie auch den Patienten zu Gute kommt, unterstütze auch ich diese Regelung.

Schließlich ermöglicht das Gesetz Ärzten zukünftig auch eine so genannte Teilzulassung. Bisher ging der sich aus der Zulassung ergebende Versorgungsauftrag eines Vertragsarztes von einer vollzeitigen Tätigkeit aus. Seit in Kraft treten des Gesetzes gibt es die Möglichkeit, den sich aus der Zulassung ergebenden Versorgungsauftrag auf die Hälfte einer hauptberuflichen Tätigkeit zu beschränken, die so genannte Teilzulassung. Diese Flexibilisierung führt insbesondere zu einer besseren Vereinbarkeit von Familie und Beruf, weshalb ich diesen Punkt für einen Fortschritt halte.

Um regionale Versorgungsprobleme abzumildern, werden spezielle gesetzliche Lockerungen bei Versorgungsdefiziten auf der Ebene des einzelnen Vertragsarztes vorgesehen, unter anderem wird die derzeit bestehende Altersgrenze von 55 Jahren für die Erstzulassung von Vertragsärzten aufgehoben. Die Altersgrenze von 68 Jahren für das gesetzliche Ende der vertragsärztlichen Tätigkeit wird ebenfalls in unterversorgten Regionen aufgehoben. Zur Verbesserung der wirtschaftlichen Situation von Ärzten, Zahnärzten und Hebammen in den neuen Ländern wird der dort immer noch geltende Vergütungsabschlag für privat(zahn)ärztliche Leistungen sowie für Leistungen freiberuflicher Hebammen im Rahmen der Hebammenhilfe der GKV aufgehoben werden.

Die Bestrebungen von Bundesgesundheitsministerin Schmidt, die vertragsärztlichen Regelungen bezüglich der Organisation von medizinischen Versorgungszentren dahingehend abzuändern, dass das Tatbestandsmerkmal "fachübergreifend" gestrichen werden soll und das medizinische Versorgungszentrum als Institution Mitglied in der KV werden kann, wurden von der CDU/CSU-Bundestagsfraktion abgelehnt. Wir wollen nicht, dass freiberufliche Praxisstrukturen aus der Patientenversorgung verdrängt und die therapeutische Freiheit durch Unternehmens- und Konzernvorgaben gefährdet wird. Die Unionsfraktion hat sich in der Entwicklung des Gesetzes ganz deutlich für die Stärkung der Freiberuflichkeit der Ärzte eingesetzt.

Das Wettbewerbsstärkungsgesetz ist entstanden aus der Notwendigkeit, das deutsche Gesundheitssystem zu reformieren. Angesichts der demographischen Entwicklung und dem damit verbundenen wachsenden Anteil älterer Versicherter, des medizinisch-technischen Fortschrittes, der die Behandlung früher unheilbarer Erkrankungen ermöglicht, und durch den Rückgang sozialversicherungspflichtiger Beschäftigungsverhältnisse unter Rot-Grün sind die Finanzierungsgrundlagen unseres Gesundheitssystems erheblich unter Druck geraten. Ohne eine Reform wären die Beiträge in den kommenden Jahren auf bis zu 16 Prozent angestiegen. Um zu verhindern, dass der Zugang zu qualitativ hochwertiger medizinischer Versorgung künftig eine Frage des Einkommens wird, war eine grundlegende Reform des Gesundheitswesens überfällig.

Die Union hatte mit der solidarischen Gesundheitsprämie ein ordnungspolitisch überzeugendes und zukunftsverantwortliches Modell vorgelegt. Mit dem Koalitionspartner war dieses wegweisende Reformkonzept nicht umzusetzen. Dennoch ist es uns gelungen, eine Reform auf den Weg zu bringen, die viele unserer Überzeugungen berücksichtigt und die sehr viel besser ist, als die Proteste der Lobbyisten glauben machen. Für die CDU/CSU-Bundestagsfraktion stand von Anfang an fest: Neben substanziellen Einsparungen muss das Gesundheitssystem durch Transparenz und Wettbewerb insgesamt leistungsfähiger werden. Die Einigung auf die Eckpunkte und ihre Ausgestaltung kommt dem Ziel einer zukunftsweisenden Umgestaltung einen Schritt näher: Sie lässt sich insgesamt auf vier Stichworte bringen: Mehr Transparenz, mehr Wettbewerb, mehr Wahlfreiheit und weniger Bürokratie.

Für den Patienten bedeutet das WSG eine deutliche Verbesserung, da es erstens nicht zu neuen oder höheren Zuzahlungen kommt und es zweitens keine Leistungskürzungen gibt, sondern mehr Leistungen in der GKV erhältlich Sind. Als Beispiel seien hier die Palliativversorgung sowie Mutter/Vater-Kind-Kuren genannt. Außerdem entstehen für die Versicherten künftig mehr Wahlrechte bezüglich der Tarife, sowohl in der GKV als auch in der PKV.

Da die Krankenkassen neue Möglichkeiten erhalten, mit Arzneimittelherstellern und Apotheken Vereinbarungen bezüglich der Arzneimittelpreise zu treffen, entsteht hier neuer Wettbewerb, der vor allem den Patienten zu Gute kommt.

Für die Ärzte bedeutet das WSG eine Entlastung von Bürokratie und eine leistungsgerechtere Vergütung. So werden in der ärztlichen Versorgung beispielsweise erste Schritte zur Abschaffung der Bedarfszulassung eingeleitet. In der zahnärztlichen Versorgung wird diese sogar bereits ganz abgeschafft. Die bisher von Budgets und sinkenden Punktwerten geprägte Vergütung wird durch eine Euro-Gebührenordnung abgelöst. Diese sieht vor allem Pauschalvergütungen vor; für die Erbringung besonders qualifizierter Leistungen gibt es Honorarzuschläge. Die bisherige Budgetierung, die Grundlohnsumme, wird abgeschafft. Die finanziellen Mittel sind zudem künftig an der Morbidität der Versicherten orientiert, was im Einzelnen heißt, dass bei einem Anstieg des Behandlungsbedarfes der Versicherten die Krankenkasse mehr Honorar zur Verfügung stellen muss. Auch hierin sehe ich einen Vorteil für die Ärzteschaft.

Abschließend möchte ich sagen, dass die Einführung des Gesundheitsfonds nicht zu einem bürokratischen Mehraufwand führt. Die Beiträge werden weiterhin von den Krankenkassen eingezogen und dann an den Fond weitergeleitet. Hierzu werden die bestehenden Strukturen beim Bundesversicherungsamt genutzt. Damit entstehen weder neue Behörden, noch verlieren Kassenmitarbeiter ihre Stellen. Zudem haben Arbeitgeber ab 2011 die Möglichkeit ihren Verwaltungsaufwand zu reduzieren, indem sie sämtliche Sozialversicherungsbeiträge für ihre Angestellten an eine Stelle ihrer Wahl entrichten.

Die Unionsfraktion wie auch ich persönlich sind von der Notwendigkeit dieser Reform überzeugt, um unser Gesundheitssystem auf eine solide, zukunftsfähige Basis zu stellen, auch wenn ich mir manche Regelung – mit einem anderen Koalitionspartner – auch hätte anders vorstellen können.

Mit freundlichen Grüßen

Ruprecht Polenz, MdB