Frage an Ruprecht Polenz von Benjamin G. bezüglich Kultur
Sehr geehrter Herr Polenz,
in den letzten Tagen und Wochen beschäftigte mich ein Thema in den Medien besonders. Es geht um die sogenannten "Killerspiele".
Besonders stören mich die Behauptungen, das solche Spiele die Amokläufer von morgen heran züchten würden.
Ich habe im Bezug darauf mehrere Fragen an sie:
1. Warum werden andere Faktoren so gekonnt ignoriert, wie psychische Probleme, eine generelle Erfreutheit an Waffen (Sebastian B., Tim K.), oder Aufälligkeiten und Ankündigungen zur Tat?
2. Gesetzt dem Fall, "Killerspiele" würden Spieler dazu bringen in der Realität Menschen zu töten, wie erklären sie sich, das nicht Spieler von zum Beispiel der Rennsimulation "Need for Speed" mit ihren Autos illegale Straßenrennen veranstalten? Wenn auf Pixelwesen schießen das Töten von echten Menschen fördert, so müsste ja logischerweise das Fahren von virtuellen illegalen Straßenrennen das Fahren von illegalen Straßenrennen in der Realität fördern.
3. Besonders beim aktuellsten Amoklauf von Winnenden konnte in den Nachrichten verfolgt werden, das Tim K das Spiel "Far Cry 2" gespielt habe. Dieses Spiel ist in Deutschland erst ab 18 freigegeben. Tim K. war zum Tatzeitpunkt allerdings erst 17 Jahre alt. Liegt es nicht in der Pflicht des Händlers bzw. der Eltern ihn von so einem Spiel fern zu halten?
Warum soll mündigen Bürgern verboten werden gewisse Spiele zu spielen, nur weil die zuständigen Stellen versagt haben Tim K von Inhalten die nicht für seine Altersklasse bestimmt sind fern zu halten?
4. Wieso gab es Amokläufe schon bevor es PC-Spiele gab? Laut Argumentation auch von ihrer Partei hätte es diese gar nicht geben dürfen, da die Täter keine Killerspiele spielen konnten.
Ich bitte sie diese Punkte bei ihrer Haltung zu Killerspielen zu bedenken und nicht alle für die Tat einzelner verantwortlich zu machen.
Der Großteil der Spieler sind normale Menschen wie sie und ich, die solche Spiele spielen, ohne in der Realität Menschen zu verletzen
Mit freundlichen Grüßen,
Benjamin Grüter
Sehr geehrter Herr Grüter,
haben Sie vielen Dank für Ihre Fragen vom 7. Juni 2009 zum vieldiskutierten Thema des Verbotes von sogenannten Killerspielen.
Ich denke, dass es einer Vielzahl unglücklicher Umstände bedarf, bis jemand soweit kommt, einen Amoklauf als in der Regel auch für ihn letzten Weg zu gehen. Wenn man sich nun daran macht, als Gesetzgeber die Voraussetzungen zu prüfen, die zu einer solchen Tat führten, um zukünftige entsprechende Taten so gut es irgend möglich ist zu vermeiden, muss man sich natürlich mit den bisher bekannten Täterprofilen auseinandersetzen.
Leider ist es ein übereinstimmendes Merkmal der Täter von Erfurt, Emsdetten und Winnenden, dass die späteren Amokläufer vorher Killerspiele konsumiert haben. Ich bin davon überzeugt, dass die häufige Beschäftigung mit Spielen, bei denen ein wesentlicher Bestandteil der Spielhandlung die virtuelle Ausübung von wirklichkeitsnah dargestellten Tötungshandlungen darstellt, bei einer entsprechenden Neigung die Hemmschwelle gegenüber real existierenden Menschen senken kann.
Ihrer Einschätzung, dass andere Faktoren wie z.B. Erfolglosigkeit in der Schule oder Vereinsamung bei den Analysen der Amokläufe ignoriert würden, kann ich nicht teilen. Im Gegenteil wird immer wieder darauf hingewiesen, wie wichtig es beispielsweise im schulischen Umfeld ist, dass niemand "aufgegeben" wird, sondern dass man genau hinsehen muss, gerade wenn sich jemand als Außenseiter von seiner Umwelt abschottet. Solches sollte im Übrigen nicht nur der Vorbeugung potentieller Amokläufe dienen, sondern ein selbstverständlicher Akt des Miteinanders sein.
Im Zusammenhang mit den "Killerspielen" denke ich, dass noch viel mehr getan werden muss, um eine allgemeine Medienkompetenz sowohl bei Kindern und Jugendlichen als auch bei Eltern und allen Erziehungsberechtigten zu erreichen. Das im Juli 2008 reformierte Jugendschutzgesetz, was sich unter anderem eine bessere und nachvollziehbarere Kennzeichnung der Spiele zum Ziel gesetzt hatte, geht hier bereits in die richtige Richtung.
Ein Zusammenhang zwischen "Need for Speed" und illegalen Autorennen, bei denen traurigerweise auch immer wieder meist junge Menschen zu Tode kommen, ist mir bislang nicht bekannt. Sollte er sich erweisen, müsste man auch hier überlegen, ob und wenn ja wie man darauf reagiert.
Mit freundlichen Grüßen
Ruprecht Polenz