Werden Sie sich für eine Reform der Abgabenordnung im Sinne des Vorschlages der Gesellschaft für Freiheitsrechte (GFF) einsetzen? https://freiheitsrechte.org/demokratiestaerkungsgesetz/
In einer Demokratie ist es wichtig, dass sich BürgerInnen und Zivilgesellschaft aktiv an der Gestaltung von Politik und Gesellschaft beteiligen. Das heutige Gemeinnützigkeitsrecht fesselt und benachteiligt die BürgerInnen in ihrem Engagement.
Seit den Attac-Entscheidungen bangen engagierte Vereine um ihre Existenz, wenn sie sich politisch äußern oder, wie z.B. change.org, Petitionen von BürgerInnen an Unternehmen richten.
So fehlen im Katalog gemeinnütziger Zwecke entscheidende Aktivitäten wie Förderung von Grund- und Menschenrechten, sozialer Gerechtigkeit, Bekämpfung von Rassismus, Antisemitismus u.a. Auch eine unabhängige Presse dient dem Gemeinnutz.
Außerdem genießen z.B. Unternehmen das Steuerprivileg, ihre Lobbyarbeit steuerlich als Betriebsausgaben absetzen zu können, während die gesetzliche Regelung BürgerInnen und Vereinen enge Grenzen setzt.
(siehe Süddt. Zeitung vom 2.8.2021:
https://www.sueddeutsche.de/wirtschaft/gemeinnuetzigkeit-steuern-gesetz-1.5369634 ).
Sehr geehrte Frau Peltonen-Gassmann,
vielen Dank für Ihre Anfrage vom 5. August. Gerne nehme ich zu dem Thema
Stellung.
Wir haben als Koalition im Jahressteuergesetz 2020 u.a. viele
Verbesserungen für das Ehrenamt und zur Gemeinnützigkeit erreicht.
Hauptanliegen war die Entbürokratisierung des Ehrenamtes. Dazu gehörten
neben der Anhebung von Pauschalen und Erweiterung der gemeinnützigen
Zwecke auch der Abbau von Nachweisen der Mittelverwendung kleiner
Körperschaften.
Auf eine gesetzliche Neuregelung der politischen Betätigung im
Gemeinnützigkeitsrecht wurde verzichtet. Eine gemeinnützige Körperschaft
kann sich politisch betätigen, wenn der gemeinnützige Zweck damit
verfolgt wird und Politik nicht der Hauptzweck ist. In unseren
parlamentarischen Verhandlungen wurde deutlich, dass das politische
Engagement gemeinnütziger Organisationen schon nach bestehendem Recht
keine Gefahr für die Gemeinnützigkeit ist. Auch ohne eine Ergänzung der
Abgabenordnung ist die Rechtslage zum politischen Engagement
gemeinnütziger Organisationen rechtlich klar und eindeutig.
Daher besteht aus fachlicher Sicht kein Bedarf für eine gesetzliche
Änderung. Auch das Urteil des Bundesfinanzhofes zu „BUND" vom August
2017 bestätigt die bisherige Verwaltungspraxis, die es
steuerbegünstigten Körperschaften erlaubt, sich bezogen auf den von
Ihnen geförderten Satzungszweck politisch zu äußern, solange dies
parteipolitisch neutral ist.
Möchten sich gemeinnützige Vereine außerhalb ihres Satzungszwecks
engagieren, müssen sie zur Aufrechterhaltung der Gemeinnützigkeit diese
weiteren Zwecke in ihre Satzung aufnehmen. Das ist unproblematisch
möglich.
Die dem gemeinnützigen Verein bisher zugeflossenen Mittel können auch
zur Verwirklichung des neuen Zwecks eingesetzt werden. Auch müssen die
bisherigen und die neu aufgenommenen Zwecke nicht gleichmäßig stark
verwirklicht werden. Das steht jedem Verein frei.
Ich hoffe, ich konnte Ihnen mit diesen Ausführungen weiterhelfen.
Beste Grüße
Rüdiger Kruse