Frage an Rüdiger Kruse von Martin F. bezüglich Gesellschaftspolitik, soziale Gruppen
Guten Tag Herr Kruse,
Ole von Beust hat vor kurzem angemerkt, dass die Politik den Bezug zu den Menschen verloren hat. Liegt das Problem nicht im System. Wenn wir erlauben, dass Politik zum Beruf wird, endet es zwangsläufig in einer Parallelgesellschaft.
Sollen wir nicht endlich Amtszeitbegrenzungen einzuführen um endlich diese Parallelgesellschaften der Politik inkl. deren Netzwerke und Seilschaften all für alle Mal zu zerbrechen.
MfG
Jaden Hoch
Sehr geehrter Herr Hoch,
vielen Dank für Ihre Frage bei abgeordnetenwatch zu dem Verhältnis zwischen Bürgern und Politikern.
In dem von Ihnen genannten Interview mit der Zeitung „DIE WELT“ sagte Bürgermeister a. D. Ole von Beust: „Viele Politiker [...] haben den Bezug zu den Sorgen der Menschen verloren. Wir sind zu sehr unter uns". Das komplette Interview finden Sie hier: http://www.welt.de/politik/deutschland/article156344697/Haben-den-Bezug-zu-Sorgen-der-Menschen-verloren.html
Das Wort „Sorgen“ spielt eine wesentliche Rolle. Es bildet einen kleinen sprachlichen Unterschied, macht aber einen großen inhaltlichen Unterschied zu der von Ihnen gemachten Aussage, dass „die Politik“ den Bezug zu den Menschen verloren habe. Dass viele Menschen Sorgen haben und diese auch äußern, ist kein neues Phänomen. Noch vor 15 Jahren bildete die Arbeitslosigkeit eine der Hauptsorgen vieler Menschen in unserem Land. Im Juni 2016 haben wir mit 5,9% die niedrigste Arbeitslosenquote seit 25 Jahren. Die Bürger beschäftigen inzwischen eher Fragen der inneren Sicherheit oder der eigenen kulturellen Identität. Insofern stimme ich der Aussage, die Ole von Beust getroffen hat, nicht zu. Gerade das Thema der inneren Sicherheit ist ein Beispiel dafür, dass Abgeordnete und Regierungsmitglieder die Sorgen der Bürger sehr ernst nehmen. In den vergangenen 18 Monaten hat die CDU-geführte Bundesregierung ein ganzes Bündel von Maßnahmen ergriffen, um die innere Sicherheit zu verbessern und den Ängsten der Menschen zu begegnen. Für die Jahre 2016 bis 2018 schaffen wir z. B. bei der Bundespolizei 3.000 zusätzliche Stellen. Die Sicherheitsbehörden erhalten bis 2020 insgesamt zusätzliche 630 Millionen Euro für eine bessere Ausrüstung und technische Ausstattung. Um besser gegen die organisierte Kriminalität vorgehen zu können, wurde beim Bundeskriminalamt (BKA) die eigenes dafür geschaffene Koordinierungsstelle erheblich ausgebaut. Um die Zahl der Einbrüche zu senken, hat die Bundesregierung für den Zeitraum von 2015 bis 2017 zehn Millionen Euro pro Jahr für bauliche Maßnahmen zur Eigensicherung bereitgestellt. Aufgrund der großen Nachfrage konnte die Union durchsetzen, dass dieser Betrag auf 50 Millionen pro Jahr aufgestockt wird. Gegen sexuelle Übergriffe im öffentlichen Raum, die das Sicherheitsempfinden der Bürger massiv beeinträchtigen, wird die CDU keine Toleranz walten lassen. Wir benötigen mehr Polizeipräsenz und den verstärkten Einsatz moderner Überwachungstechnik. Strafbarkeitslücken bei Vergewaltigung und sexueller Nötigung werden wir schließen und auch sexuelle Belästigung unter Strafe stellen. Dies sind Bausteine, die nicht nur die Sicherheit verbessern, sondern zeitgleich auch auf die Sorgen der Menschen eingehen.
Ihre Terminologie, dass wir „Parallelgesellschaften der Politik inkl. deren Netzwerke und Seilschaften all für alle Mal [...] zerbrechen [sollten]“, möchte ich mir nicht zu eigen machen. Ich stimme ihr weder von der Form her zu, noch ist mir ganz klar, was Sie mit Netzwerken und Seilschaften meinen. Als Politiker lebt man in keiner Parallelgesellschaft. Meine Abgeordnetenkollegen und ich sind Teil der deutschen Gesellschaft. Der Austausch zwischen Bürgern und Politikern, das stelle ich immer wieder fest, ist gut und gefestigt. Viele Bürger fragen zu bestimmten Sachverhalten, erkundigen sich nach Änderungen und Gesetzen und teilen mir Ihre Meinung zu vielen Themen mit. Als Abgeordneter führe ich Veranstaltungen in meinem Wahlkreis Hamburg-Eimsbüttel durch und bin für die Bürger ansprechbar. Sei es telefonisch, postalisch, per E-Mail oder persönlich, z. B. bei Infoständen meiner Partei im gesamten Bezirk oder bei angebotenen Bürgersprechstunden. Zudem lade ich jedes Jahr rund 200 Bürger aus Eimsbüttel nach Berlin ein. Dort können sie für zwei Tage die Hauptstadt aus einer politischen Perspektive erleben. Hinzu kommen die zahlreichen Klassen aus Eimsbütteler Schulen, die mich entweder in Berlin besuchen oder von mir in Hamburg besucht werden.
Unser derzeitiges politisches System, die repräsentative Demokratie, halte ich für die beste Regierungsform, die unsere Nation je hatte. Sie ermöglicht Debatten, verlangt den Austausch unterschiedlicher Ansichten und Meinungen und erzielt am Ende einen Konsens. Allen, die dies wollen, bietet sie die Möglichkeit, sich an den Debatten zu beteiligen und am Willensbildungsprozess teilzunehmen. Es besteht eine Diffusion innerhalb der Gesellschaft. Ideen und Sorgen der Bürger werden durch den Austausch weitergegeben, es findet eine Reaktion statt. Aktuell wäre ein wenig mehr Mut zur Debatte angebracht. Damit wir das Feld nicht denen überlassen, die glauben, einfache Schwarz-Weiß-Antworten könnten die Lösungen auf komplexe Herausforderungen sein.
Beste Grüße
Rüdiger Kruse