Frage an Rüdiger Kruse von Sönke S. bezüglich Kultur
Sehr geehrter Herr Kruse,
am 05.08.2015 hatten Sie eine Anfrage von M. Engel zum Kulturgutschutzgesetz dahingehend beantwortet, dass Sie sich mit dem Thema auseinandersetzen werden, wenn dieses Gesetz dem Parlament vorliegt, was nun der Fall ist.
Nicht von ungefähr haben sich mittlerweile mehr als 43.000 Petenten bei der Petition "Für den Erhalt des privaten Sammelns" eingetragen - kulturbeflissene Mitglieder der bürgerlichen Mittelschicht, wie man den Kommentaren zur Petition ansehen kann. Sie sehen sich im Bereich der Sorgfaltspflichten nach wie vor mit der von Herrn Engel angesprochenen Beweislastumkehr konfrontiert, die man damit rechtfertigt, dass illegaler Antikenhandel zur Terrorfinanzierung beitrage.
Es wird sich kaum argumentieren lassen, dass z. B. zwischen Mineralien-, Briefmarken- und Fossilien sammeln ein Bezug zur Terrorismusfinanzierung besteht, der für Antiken in den Medien u.a. durch einen Herrn Müller-Karpe gern hergestellt wird, aber für den deutschen Handel m.W. ebenfalls nicht in einem einzigen Fall belegt ist.
Das Gesetz wird die kulturelle Teilhabe und den Austausch von Kulturgut in Deutschland schwächen, weil speziell für den Bereich geringwertiger Kulturgüter die Sorgfaltspflichten nicht realistisch sind. Wer stellt sich dann noch auf einen Flohmarkt oder eine Tauschbörse oder spendet seine Sammlung an seinem Lebensabend einem Museum, wenn der Staat den illegalen Erwerb als Regelfall annimmt und beim Inverkehrbringen ggf. sanktioniert? Wer soll überhaupt in Zukunft in einem rechtlich feindseeligen Umfeld noch sammeln und somit die Bestände der Museen von Morgen zusammentragen?
Wie beurteilen Sie den jüngst allen Parlamentarierern zugesandten Forderungskatalog des Aktionsbündnisses Kulturgutschutz und dass Deutschland ohne Korrektiv und unter Verzicht auf Gegenseitigkeit Ausfuhrrecht der ganzen Welt unter Anwendung von Rückwirkung und Beweislastumkehr in deutsches Recht implementieren will - geht damit nicht ein erheblicher Souveränitätsverlust einher?
Mit frdl. Grüßen
Sönke Simonsen
Sehr geehrter Herr Simonsen,
vielen Dank für Ihre Frage bei abgeordnetenwatch zum Gesetz zur Neuregelung des Kulturgutschutzgesetztes.
Mit Datum vom 03. Februar 2016 hat die Bundesregierung den „Entwurf eines Gesetzes zur Neuregelung des Kulturgutschutzrechts“ vorgelegt (Drucksache 18/7456). In meiner Antwort auf dieser Plattform schrieb ich am 14. August 2015: „In den zuständigen Ausschüssen werden wir den Gesetzesentwurf sorgfältig prüfen, beraten und verändern.“ Diese Phase läuft zur Zeit. Der Entwurf wurde dem Ausschuss für Kultur und Medien, sowie weiteren Ausschüssen zur Beratung übergeben. In erster Lesung wurde er am 18. Februar im Plenum des Deutschen Bundestages diskutiert.
Das Gesetz wird zwei Bereiche abdecken. Zum einen geht es um den Import von Kulturgut, zum anderen befasst es sich mit dem Export solcher Güter aus Deutschland. Die von Ihnen angesprochene Einfuhr von Kulturgut sehe ich als den weniger diskutablen Teil an. Die bisherigen im Kulturgüterrückgabegesetz vorgesehenen Regelungen zur Einfuhr und Rückgabe von Kulturgut haben sich in der Vergangenheit als wenig wirksam und praktikabel erwiesen. Dies hat der Bericht der Bundesregierung zum Kulturgutschutz vom April 2013 gezeigt (Drucksache 17/13378). Der illegale Handel mit solchem Kulturgut blüht. Zum Teil dient er der Finanzierung terroristischer Organisationen, wie wir es derzeit in Syrien beobachten können. Deutschland muss seinen Beitrag dazu leisten, den illegalen Handel mit Kulturgütern, der global erfolgt, einzudämmen.
Ich verweise auf eine Stellungnahme der Bundesregierung zu dieser Frage. In Zukunft soll gelten: Wer Kulturgut, auch archäologisches Kulturgut, nach Deutschland einführt, braucht grundsätzlich eine gültige Ausfuhrerlaubnis des jeweiligen Herkunftslandes. Dies gilt nur, wenn der betreffende Staat auch eine solche Genehmigung zur Ausfuhr vorsieht; in den meisten Staaten ist dies insbesondere für archäologisches Kulturgut der Fall. Auch beim Verkauf von Kulturgut im Inland soll in Zukunft nicht zuletzt durch klare gesetzliche Sorgfaltspflichten geprüft werden, ob das Objekt gestohlen, illegal nach Deutschland eingeführt oder illegal ausgegraben worden ist. Dies soll sicherstellen, dass der Antikenhandel sich künftig auf Objekte eindeutiger und legaler Herkunft beschränkt. Außerdem wird es gesetzliche Regelungen geben, welche die Rückgabe von unrechtmäßig ausgeführten Kulturgütern an die Herkunftsstaaten erleichtern.
In Bezug auf das von Ihnen angesprochene Sammeln von Briefmarken heißt es von Seiten der Bundesregierung: „Der Gesetzesentwurf enthält keine Regelungen, die den Sammler in seiner Freiheit beschränken, Briefmarken zu sammeln. Auch die Voraussetzungen für die Eintragung in das Verzeichnis national wertvollen Kulturgutes sind so formuliert, dass Briefmarkensammler davon regelmäßig nicht betroffen sind. Insbesondere scheidet die Eintragung einzelner Briefmarken, abgesehen von absolut herausragenden Einzelfällen, aus. Der Gesetzentwurf enthält Sorgfaltspflichten, die bei einem Verkauf für Jedermann und damit auch für Briefmarkensammler gelten. Danach muss ein Sammler allein dafür Sorge tragen, dass er keine Briefmarken in Verkehr bringt, die gestohlen oder illegal eingeführt wurden. Diese Sorgfaltspflicht beschränkt sich ausdrücklich auf den ‚zumutbaren Aufwand’, so dass bezogen auf die gängigen Werte von Briefmarken keine besonderen Anstrengungen von Sammlern gefordert werden. Über die allgemeinen Sorgfaltspflichten hinaus gelten für gewerbliche Briefmarkenhändler weitere professionelle Sorgfaltspflichten. Auch diese Sorgfaltspflichten greifen nur dann, wenn eine einzelne Briefmarke mehr als 2.500 Euro wert ist. Für die Ausfuhr in Länder außerhalb der EU (etwa die Schweiz oder die USA) bleibt die geltende EU-Rechtslage unverändert. Neu eingeführt werden soll eine Ausfuhrgenehmigungspflicht auch in andere EU-Staaten, wenn gewisse Alters- und Wertgrenzen überschritten werden. Das neue Gesetz soll hierbei teilweise deutlich über die Alters- und Wertgrenzen des EU-Rechts erhöht werden.“
Ähnliches gilt für das Sammeln von Fossilien oder sonstigen paläontologischen Objekten. Hier gelten analoge Regeln zu den oben genannten Regelungen. Die Sorgfaltspflicht, dass der Sammler keine Fossilien oder paläontologische Objekte in Verkehr bringt, die gestohlen oder illegal eingeführt wurden, beschränkt sich auch hier auf den „zumutbaren Aufwand“. Über die allgemeinen Sorgfaltspflichten hinaus gelten für gewerblich tätige Händler von Fossilien oder sonstigen paläontologischen Objekten ebenfalls weitere Sorgfaltspflichten. Auch diese greifen nur dann, wenn ein einzelnes Objekte mehr als 2.500 Euro wert ist. Für die Ausfuhr in Länder außerhalb der Europäischen Union bleibt die geltende EU-Rechtslage unverändert. Neu eingeführt werden soll eine Ausfuhrgenehmigungspflicht auch in andere EU-Staaten, wenn gewisse Alters- und Wertgrenzen überschritten werden. Für Sammlungen von Fossilien oder sonstigen paläontologischen Objekten bedeutet dies, dass in Drittstaaten eine Wertgrenze von 50.000 Euro gilt, für den Binnenmarkt ein doppelt so hoher Schwellenwert von 100.000 Euro. Davon wird der „kleine Sammler“ wohl eher nicht betroffen sein.
Ihre These, dass das Gesetz die kulturelle Teilhabe und den Austausch von Kulturgut in Deutschland schwächen werde, weil speziell für den Bereich geringwertiger Kulturgüter die Sorgfaltspflichten nicht realistisch seien – sehe ich durch die Regelungen zu den Wertgrenzen widerlegt.
Das Schreiben unterschiedlicher Galeristen und Sammler, die sich als „Aktionsbündnis Kulturgutschutz“ bezeichnen, liegt mir vor. In einigen Bereichen werden Verbesserungsvorschläge gemacht, über die es sich lohnt, weiter zu diskutieren. So fordert Punkt vier, der Staat solle „[...] die dauerhafte Ausfuhr eines national wertvollen Kulturgutes nur verhindern können, wenn er es zu einem angemessenen Preis von den Eigentümern erwirbt bzw. es auf die Vermittlung des Staates zu einem Ankauf durch Dritte kommt.“ In einem Gastbeitrag für die Wochenzeitung DIE ZEIT habe ich am 13. August 2015 den Vorschlag gemacht, einen Fonds mit 120 Millionen Euro auszustatten. Dieser sollte genutzt werden, wenn der Preis für ein Kunstwerk von nationaler Bedeutung den regulären Ankaufsetat übersteigt. Damit wäre ein Signal an die Kunstwelt gesendet: Ja, wir wollen wichtige Werke im Land halten und wir werden dafür bezahlen, so wie jeder andere Käufer auch. Den kompletten Beitrag mit dem Titel „Ein Fonds muss her“ finden Sie unter diesem Link http://www.zeit.de/2015/33/monika-gruetters-kulturschutzgesetz-finanzielle-mittel
Ansonsten bietet das Papier weitere Ansätze, die in dem zuständigen Ausschuss für Kultur und Medien sicherlich diskutiert werden. In einigen Bereichen ist der aktuelle Entwurf der Bundesregierung den Kunsthändlern bereits entgegen gekommen. So soll beispielsweise der Export eines Gemäldes erst ab einem Alter von 70 Jahren und einem Wert von 300.000 Euro genehmigungspflichtig sein. Die EU zieht die Grenze bereits bei 50 Jahren und 150.000 Euro.
Beste Grüße
Rüdiger Kruse