Frage an Rüdiger Kruse von Alexander S. bezüglich Finanzen
Sehr geehrter Herr Kruse,
mich würde einmal interessieren, wie sie zu der Geldschöpfung (Giralgeld;
Bargeld ect.pp) und zu der dadurch entstehenden fehlerhaften Rechtsprechung
stehen?
Evtl: kurze Erläuterung: Geld entsteht heute überwiegend durch die Vergabe von Krediten und
verschwindet auch mit deren Rückzahlung wieder. Speziell bei dem, meist durch die Geschäftsbanken geschaffenen Giralgeld
oder Buchgeld, handelt es sich schlicht um einen Buchungssatz und eine
Bilanzverlängerung. "Echtes" Geld in Form von heutigen monopolisierten Banknoten wurde nie
geschaffen. Folglich ist jede Tilgungsrate eines Schuldners als reiner Gewinn der Bank
anzusehen.
Wenn man aber seinen Kredit nicht mehr Tilgen kann, wird nach wie vor, aber
fälschlicher Weise angenommen, der Bank wäre ein schaden entstanden. Das
ist aber nicht der Fall! Dennoch verliert man im Zweifel sehr viel.
"Die Grundlagen der Nationalökonomie - Enzyklopädie der Rechts,- und
Staatswissenschaft; Springer Verlag"
https://books.google.de/books?id=VRmDBwAAQBAJ&printsec=frontcover&hl=de#v=onepage&q&f=false
Mit freundlichen Grüßen Alexander Schlee
Sehr geehrter Herr Schlee,
vielen Dank für Ihre Frage bei abgeordnetenwatch zu der Frage nach der Geldschöpfung.
Walter Eucken unterscheidet in dem von Ihnen angeführten Werk „Die Grundlagen der Nationalökonomie“, welches im Jahr 1939 erstmals publiziert wurde, zwischen drei reinen Geldsystemen:
a) ein Sachgut wird zu Geld. Dabei handelt es sich um die antike Urform des Geldsystems: Getreide, Kupfer, Muscheln oder andere Sachgüter werden als Geldmittel genutzt.
b) Geld entsteht bei Lieferung einer Ware oder bei Leistung von Arbeit als Gegenleistung. Diese Art, in ihrer historischen Form oft als Schuldschein vorkommend, war in der Regel auf gewisse Kreise von Einzelwirtschaften beschränkt.
c) Die Kreditgeber, heutzutage staatlich legitimierte Banken, schaffen Geld.
Eucken führt weiter aus, dass die dritte Art seit der Industriellen Revolution immer mehr in den Vordergrund gerückt sei. Bis dahin sei die Geldversorgung durch Kredite noch nahe mit dem im Umlauf befindlichen Gold und Silber verbunden gewesen. Durch die Schaffung von Geld durch einen Kreditgeber sei es zu den Vorteilen der außerordentlichen Elastizität bei der Geldversorgung und einer Erleichterung von Investitionen gekommen (vgl. Eucken, Walter 1959: Die Grundlagen der Nationalökonomie, S. 114-123). Die Geldschaffung durch zusätzlichen Abbau entsprechender Edelmetalle wie Gold und Silber ist seit einigen hundert Jahren immer mehr in den Hintergrund gerückt. Heute spielt das Buchgeld eine überlebenswichtige Rolle für unsere vernetzte Wirtschaft.
Eine Anmerkung zur Geldschöpfung: In einer Volkswirtschaft wird die Geldmenge grundsätzlich von einer Zentralbank (Notenbank) reguliert. Die Geldmenge wird allerdings auch von den Banken (Geschäftsbanken) beeinflusst, in dem sie die Kreditvergabe erhöhen oder absenken. Dass die Banken Kredite vergeben und damit das Geld schöpfen, ist ein fester Bestandteil eines volkswirtschaftlichen Systems. Auch wenn die Kreditvergabe der Banken nicht vorhergesagt werden kann, kann die Zentralbank mit einer vorausschauenden und flexiblen Geldpolitik auf die Entwicklung auf dem Markt reagieren und die Geldmenge auf dem erforderlichen Niveau halten.
Mit der Vergabe eines Kredites erhöhen sich die Aktiva (Forderungen der Bank) und insofern stimmt es, dass die Bilanz verlängert wird. Allerdings wird um die gleiche Summe auch die Passivseite (Forderungen an die Bank) erhöht. Außerdem unterliegt die Kreditvergabe einer Bank den Mindestreserveanforderungen der Zentralbank. In der Satzung des Europäischen Systems der Zentralbanken und der Europäischen Zentralbank ist in Artikel 19 die Pflicht zur Mindestreserve fixiert. Dort heißt es: „Vorbehaltlich des Artikels 2 kann die EZB zur Verwirklichung der geldpolitischen Ziele verlangen, dass die in den Mitgliedstaaten niedergelassenen Kreditinstitute Mindestreserven auf Konten bei der EZB und den nationalen Zentralbanken unterhalten. Zum Zwecke der Anwendung dieses Artikels legt der Rat [...] die Basis für die Mindestreserven und die höchstzulässigen Relationen zwischen diesen Mindestreserven und ihrer Basis [fest...]“. Jeder vergebene Kredit muss also durch eine Mindesteinlage zu einem vorgeschriebenen Teil gedeckt sein. Als Reaktion auf die Bankenkrise hat man sich in der EU auf neue verschärfte Regeln zu Mindestreserven für Banken geeinigt. Dieses Reformpaket „Basel III“ tritt schrittweise seit dem Jahr 2013 in Kraft. 2019 wird es komplett umgesetzt sein. Durch die Reform werden die Mindestreserven, welche die Banken halten müssen, mehr als verdreifacht.
Nicht jede Tilgungsrate eines Schuldners ist als reiner Gewinn der Bank anzusehen. Die Bank macht ihren Gewinn nicht mit Tilgungsraten, sondern mit den Zinsen, die der Kreditnehmer neben den Tilgungsraten zu zahlen hat. Hinzu kommt: Dem erwirtschafteten Zinsertrag stehen Aufwendungen für die Beschaffung des Geldes gegenüber, welche die Bank zahlen muss, um sich dafür Geld bei der Zentralbank oder auf dem Interbankenmarkt zu leihen. Erst der von diesen Aufwendungen bereinigte Zinsertrag erhöht den Bankgewinn. Wenn der Kreditnehmer seinen Kredit nicht (komplett) zurückzahlt, entsteht der Bank ein Verlust. Denn das dem Kreditnehmer zur Verfügung gestellte Geld musste sie entsprechend auf der Passivseite decken (siehe oben). Durch den Kreditausfall werden also Aktiva gemindert, jedoch nicht Passiva d. h. die Forderungen an die Bank. So entsteht ein Verlust, der den Bankgewinn mindert.
Beste Grüße
Rüdiger Kruse