Frage an Rüdiger Kruse von Philipp G.
Sehr geehrter Herr Kruse,
über die Seite "Abgeordnetenwatch" habe ich erfahren, dass Sie gegen den Gesetzesentwurf zum Verbot des Fracking Verfahrens gestimmt haben.
In erster Linie bin ich entsetzt über das Ergebnis der Abstimmung. Ich möchte Sie mit dieser Email fragen, was Sie dazu bewogen hat, dem Gesetzesentwurf zum Verbot für Fracking nicht zuzustimmen. Die Riskien für Gesundheit um Umwelt, die dieses Verfahren birgt, sind breit diskutiert worden und dürften meiner Meinung nach klar sein. Vorteilhaft ist dieses Verfahren der Rohstoffgewinnung, wenn man sich unabhängig von Exporten machen möchte - was, meiner Meinung nach angesichts der in Deutschland förderbaren Menge im Verhältnis zum Verbrauch zu keiner Unabhängigkeit führen kann. Also bleibt für mich unterm Strich eher Unverständnis bezüglich Ihrer Abstimmung und daher möchte ich, um Ihre Beweggründe verstehen zu können, Sie bitten, mir diese kurz zu erläutern.
Vielen Dank!
Mit freundlichen Grüßen,
Philipp Gujer
Sehr geehrter Herr Gujer,
vielen Dank für Ihre Frage bei abgeordnetenwatch zu meinem Abstimmungsverhalten im Deutschen Bundestag bezüglich zweier Anträge von Oppositionsparteien.
Am 28. April 2016 haben die Fraktionen Die Linke und Bündnis 90/Die Grünen jeweils einen Antrag zum Thema Fracking eingebracht. Beide Anträge wurden der Debatte um die Fracking-Technologie nicht gerecht. Sie waren reine parteipolitische Taktik der beiden Fraktionen. Aus Oppositionssicht mag dieses Verhalten als erfolgreich zu bewerten sein: Mit minimalen Aufwand haben beide Anträge eine Empörung der Bürger erreicht. Ich halte das Thema für zu wichtig, um diese Art von politischen Spielchen zu betreiben. Dementsprechend habe ich mit „Nein“ gestimmt.
Die Fracking-Technologie ist in meinen Augen nicht geeignet, um in einem dicht besiedelten Land wie Deutschland konventionell betrieben zu werden. Dennoch muss sich der Bundestag mit der Thematik befassen. Am 01. April 2015 hat das Bundeskabinett einen Entwurf beschlossen, der umfassende Änderungen unter anderem am Wasserhaushaltsgesetz, dem Bundesnaturschutzgesetz und dem Bundesberggesetz vorsieht. Diese führen zu einer massiven Verschärfung der Anforderungen für den Einsatz der Fracking-Technologie. Sie umfassen unter anderem die folgenden Punkte:
1. Fracking jeglicher Art soll in sensiblen Gebieten wie Wasserschutz- und Heilquellenschutzgebieten sowie an Seen und Talsperren zur Trinkwassergewinnung vollständig verboten werden.
2. Die Länder sollen darüber hinaus an weiteren sensiblen Trinkwasserentnahmestellen Verbote erlassen können, zum Beispiel zum Schutz von privaten Mineral- und Brauereibrunnen.
3. In Nationalparks und Naturschutzgebieten soll die Errichtung von Anlagen zum Einsatz der Fracking-Technologie untersagt werden.
4. Für jede Form von Fracking soll künftig eine eingehende Umweltverträglichkeitsprüfung mit umfassender Bürgerbeteiligung verpflichtend eingeführt werden.
5. Die Wasserbehörden sollen künftig ein Vetorecht bei den Genehmigungen haben.
6. Fracking-Gemische müssen künftig beim konventionellen Fracking „nicht wassergefährdend“ oder allenfalls „schwach wassergefährdend“ sein.
7. Die eingesetzten Stoffe sollen zudem umfassend offengelegt werden. Beim Umgang mit Rückfluss- und Lagerstättenwasser sollen strenge Vorgaben gelten. Eine Umweltverträglichkeitsprüfung soll auch hier Pflicht sein.
8. Das so genannte Verpressen von Lagerstättenwasser soll künftig grundsätzlich verboten sein. Ausnahmen sollen nur in den Fällen möglich sein, bei denen der sichere Einschluss in druckabgesenkte kohlenwasserstoffhaltige Gesteinsformationen gewährleistet ist.
9. Verschärft werden soll auch das Bergschadensrecht. So soll die Beweislast für mögliche Bergschäden auch bei der Erdgas- und Erdölförderung sowie bei Kavernenspeichern den Unternehmen auferlegt werden.
Anders als bei der konventionellen Gasförderung gibt es in Deutschland noch keine Erfahrungen mit der Gasförderung in sogenannten unkonventionellen Lagerstätten, also in Schiefer- und Kohleflözgestein. Deshalb ist in den Regierungsentwürfen geregelt, dass zum jetzigen Zeitpunkt und mit dem derzeitigen Wissensstand kein kommerzielles unkonventionelles Fracking in Deutschland möglich ist. Für Schiefer-, Ton-, Mergel- und Kohleflözgestein oberhalb von 3.000 Metern Tiefe wurde ein generelles und unbefristetes Frackingverbot vorgesehen. Lediglich eine eng begrenzte Zahl von wissenschaftlich begleiteten und überwachten Probebohrungen ist unter strengsten Umweltanforderungen möglich.
Falls nach dem Jahr 2018 in absoluten Ausnahmefällen Fördergenehmigungen erteilt werden können, sind die Voraussetzungen hierfür äußerst streng. So muss eine unabhängige Expertenkommission aus sechs Mitgliedern (davon drei von Umweltinstituten) den beantragten Einsatz der Fracking-Technologie in der jeweiligen geologischen Formation mehrheitlich als grundsätzlich unbedenklich einstufen. Zudem muss die Kommission zur Bewertung wassergefährdender Stoffe beim Umweltbundesamt die verwendeten Fracking-Gemische als nicht wassergefährdend einstufen und es müssen alle sonstigen umfassenden öffentlich-rechtlichen Zulassungsvoraussetzungen (d. h. insbesondere zum Wasser-, Boden- und Umweltschutz) vorliegen. Die endgültige Entscheidung über die Genehmigung liegt ausschließlich bei den zuständigen Bergbau- und Wasserbehörden der Länder. Diese sind also an das Votum der unabhängigen Expertenkommission nicht gebunden. Sollte eine Fracking-Maßnahme unter diesen Voraussetzungen genehmigt werden, so gelten hier ebenfalls die im Bereich der konventionellen Erdgasförderung neu eingeführten strengen Auflagen. Insgesamt sind die vorgesehenen Umwelt- und Trinkwasserschutzmaßnahmen also bereits im Regierungsentwurf sehr weitreichend.
Die Koalitionspartner haben diese Vorschläge der Bundesregierung im vergangenen Jahr ausführlich im Parlament beraten. Die CDU/CSU-Fraktion konnte in den Gesprächen weitere Schutzvorkehrungen für Umwelt und Wasser durchsetzen. So wurden weitere Verschärfungen der Anforderungen an den Einsatz der Fracking-Technologie gegenüber den Regierungsentwürfen vereinbart. Diese umfassen die Klarstellung, dass auch Brunnen, aus denen Wasser zur Verwendung in Lebensmitteln gewonnen wird, in die Ausschlussgebiete für Fracking einbezogen werden sollen. Zudem erfolgte eine Aufhebung der bisherigen Unterscheidung zwischen Fracking zur Erdgas- oder Erdölförderung. Es sollen jeweils die gleichen strengen Anforderungen gelten. Des weiteren findet eine Begrenzung der wissenschaftlichen Erprobungsmaßnahmen auf die für den Erkenntniszuwachs unbedingt notwendige Anzahl statt.
Der Schutz von Gesundheit, Umwelt und Trinkwasser bleibt oberstes Gebot. Gleichzeitig muss der gesetzliche Rahmen für die Erdgasförderung schon aus verfassungsrechtlichen Gründen einen wissenschaftlichen Erkenntnisgewinn offen halten sowie die seit Jahrzehnten praktizierte konventionelle Erdgasförderung in Deutschland auch weiterhin ermöglichen. Leider sind die Gespräche innerhalb der SPD-Bundestagsfraktion zu diesem Thema immer noch nicht beendet, sodass das Gesetzgebungsverfahren noch nicht abgeschlossen werden konnte. Wir hoffen, dass es nun bald zu einer Zustimmung der SPD-Fraktion kommt, damit die anspruchsvollen Vorgaben zum Schutz von Mensch und Umwelt endlich umgesetzt werden können. Wir als Koalition werden ein Gesetz vorlegen, das der komplexen Thematik gerecht wird. Es ist nicht immer so einfach, wie es sich die Opposition gerne macht.
Beste Grüße
Rüdiger Kruse