Frage an Roy Kühne von Klaus D. bezüglich Gesundheit
Sehr geehrter Herr Kühne,
mit der Neufassung des Infektionsschutzgesetzes wird mit dem neuen Paragraphen 28a eine Möglichkeit geschaffen viele durch das Grundgesetz garantierte Freiheitsrechte ohne weitere Mitwirkung durch die Parlamente einzuschränken. Bedenken zu diesem Gesetzentwurf äußerten auch verschiedene Rechtsexperten. So kritisiert die Juristin Dr. Andrea Kießling von der Ruhr Universität Bochum die geplanten Änderungen im Infektionsschutzgesetz. Der neue Paragraf 28a genüge den Vorgaben von Parlamentsvorbehalt und Bestimmtheitsgrundsatz nicht. Die Vorschrift lasse keinerlei Abwägung der grundrechtlich betroffenen Interessen erkennen. Gerichte würden die Vorschrift höchstwahrscheinlich nicht als Rechtsgrundlage akzeptieren.
Bitte teilen Sie mir mit, wie Sie diese Bedenken beurteilen und wie und mit welcher Begründung Sie dem Gesetzentwurf zustimmen oder diesen ablehnen werden.
Vielen Dank im Voraus.
Dr. Klaus Zöltzer
Sehr geehrter Herr Dr. Zöltzer,
vielen Dank für Ihre Fragen. Als Mitglied des Gesundheitsausschusses des Deutschen Bundestags habe ich das Dritte Infektionsschutzgesetz von Beginn an eng parlamentarisch begleitet und kritisch hinterfragt. Auch im Umfeld der Öffentlichen Anhörung gab es verschiedene Kritiken, weswegen auch ich mich für entsprechende Änderungen eingesetzt habe. Die Beschlussempfehlungen, die alle Änderungen umfasst, finden Sie unter https://dip21.bundestag.de/dip21/btd/19/243/1924334.pdf.
Der Bundestag hat im 3. Bevölkerungsschutzgesetz einen neuen § 28a Infektionsschutzgesetz (IfSG) beschlossen. Für besonders grundrechtssensible Bereiche wie Versammlungen, Religionsausübung oder Besuche etwa in Seniorenheimen, sieht der Paragraph klare zusätzliche Grenzen vor. Sie dürfen nur angewendet werden, wenn eine wirksame Eindämmung der Coronavirus-Infektionen trotz aller anderen Schutzmaßnahmen erheblich gefährdet wäre. In dem neuen § 28a IfSG ist auch festgelegt, dass die Maßnahmen in Seniorenheimen nicht zur vollständigen Isolation der Menschen führen dürfen. Wenn die Verwaltung Schutzmaßnahmen per Rechtsverordnung ermöglicht, müssen solche Rechtsverordnungen begründet und auf maximal vier Wochen befristet werden. Im Übrigen müssen die angeordneten Maßnahmen ihrerseits verhältnismäßig sein. Das heißt, es muss geprüft und entschieden werden, ob diese Maßnahmen geeignet, erforderlich und angemessen sind. Es muss abgewogen werden zwischen den Grundrechten auf Leben und körperliche Unversehrtheit der Bürger einerseits, zu dessen Schutz der Staat verpflichtet ist, und den Freiheitsrechten - etwa auf Versammlung, auf Freizügigkeit, auf freie Religionsausübung - andererseits, zu deren Wahrung der Staat ebenfalls verpflichtet ist. Diese schwierige Abwägung muss selbstverständlich sorgsam vorgenommen werden.
Auch aufgrund der zahlreichen Änderungen, die wir im parlamentarischen Verfahren beschlossen haben, habe ich in der Abstimmung am 18.11.2020 im Deutschen Bundestag dem Gesetzentwurf zugestimmt.
Mit freundlichen Grüßen
Dr. Roy Kühne