Frage an Roy Kühne von Nicole G. bezüglich Finanzen
Sehr geehrter Herr Kühne,
das Schweizer Drei-Säulen-Modell für die Rente taugt zwar nicht in Gänze als Vorbild, einzelne Elemente werden jedoch für kopierfähig gehalten.
Bei der erste Säule handelt es sich in der Schweiz um eine verpflichtende Rentenversicherung, die wie in Deutschland umlagefinanziert ist: Was die Jüngeren einzahlen, wird unmittelbar an die Rentner ausgezahlt.
Im Vergleich zum deutschen System gibt es jedoch zwei ganz entscheidende Unterschiede:
Zum einen besteht die Versicherungspflicht für die ganze Bevölkerung, also auch für Selbstständige, Hausfrauen oder Beamte.
Zum anderen ist die Höhe der Beiträge anders als in Deutschland nicht bei einem bestimmten Betrag gedeckelt. Begrenzt ist aber die ausgezahlte Rente.
Andererseits ist damit der Solidargedanke – die Reichen stehen für die Schwachen ein – sehr ausgeprägt.
Warum Zahlen in Deutschland nicht wie in der Schweiz alle Berufsgruppen, also auch Politiker, Beamte, Ärzte, Anwälte, Steuerberater, Wirtschaftsprüfer, Architekten... in die gesetzliche Rentenversicherung ein?
Wie ist hier der aktuelle Stand?
Mit freundlichen Grüßen,
N. Grothey
Sehr geehrte Frau Grothey,
vielen Dank für Ihre Frage zum Thema Rentenversicherungssysteme in Deutschland und in der Schweiz. In Ihrer Anfrage zitieren Sie einen Artikel aus der Frankfurter Rundschau vom 4. September 2012 ( http://www.fr-online.de/arbeit---soziales/rente-deutschland-blickt-mit-neid-auf-die-schweiz,1473632,17045838.html ) und schließen die Frage an, warum in Deutschland nicht wie in der Schweiz alle Berufsgruppen in die gesetzliche Rentenversicherung einzahlen.
Wie Sie bereits dem von Ihnen zitierten Zeitungsartikel entnehmen konnten, gilt die Beitragspflicht für Selbstständige nur für die erste Säule. Für Arbeitnehmer ist die zweite Säule ab einem bestimmten Einkommen verpflichtend, „Selbstständige können auf freiwilliger Basis beitreten“ (Frankfurter Rundschau 04.09.2012).
Die Frage nach nicht in der gesetzlichen Rentenversicherung versicherten Berufsgruppen, kann nicht von den sonstigen Alterssicherungen losgelöst betrachtet werden .In Deutschland hat sich seit der Industrialisierung ein differenziertes Alterssicherungssystem gebildet, das wie in den meisten entwickelten Ländern, auf drei Säulen beruht. So erfolgt die finanzielle Absicherung der älteren Generation über diverse historisch gewachsene öffentlich rechtliche Pflichtsysteme sowie die betriebliche und private Altersvorsorge. Die Auswahl der Berufsgruppen beruht dabei auf einer typisierenden Betrachtungsweise ihrer sozialen Schutzbedürftigkeit, d.h., die Versicherungspflicht tritt bei Erfüllung der gesetzlichen Tatbestandsmerkmale unabhängig von der konkreten sozialen Schutzbedürftigkeit im Einzelfall ein. Die obligatorische Einbeziehung verschiedener Gruppen von Selbstständigen in die gesetzliche Rentenversicherung stellt eine sachlich gerechtfertigte und damit eine mit dem Grundgesetz in Einklang stehende gesetzliche Maßnahme dar.
Mit Blick auf das Rentenversicherungssystem in der Schweiz gilt anzumerken, dass hier zwar alle Personen, inklusive Nichterwerbstätige, versichert sind, deren Leistungen allerdings lediglich den Existenzbedarf sichern. Entsprechend gering sind die von den Versicherten und Unternehmen aufzubringenden Beiträge und die daraus erwachsenden Rentenzahlungen. Dies wird durch die für Arbeitnehmer obligatorische berufliche Vorsorge (als zweite Säule) ausgeglichen.
Mit freundlichen Grüßen
Ihr Roy Kühne