Frage an Roy Kühne von Heike D. bezüglich Gesundheit
Sehr geehrter Herr Roy,
In Ihrem Interview der Fachzeitschrift für Physiotherapie 1/15 äußern Sie sich sehr negativ zur weiteren Bildungs- und Forschungsentwicklung der Physiotherapie in Deutschland. Sie unterstellen Physiotherapeuten, dass sie sich nicht der Eigenverantwortlichkeit im Falle des Direktzuganges bewußt sind. Sie vergessen, dass die Haftungsfragen und Verantwortlichkeiten in anderen europäischen Ländern schon gelöst worden sind. Sie selbst als Physiotherapeut trauen ihrer Berufssparte also so wenig zu? Was müßte sich ihrer Meinung nach in der Ausbildung von Physiotherapeuten ändern, damit diese fehlende Eigenverantwortlichkeit bewußter wird? Immer wieder überrascht Patienten meine differenzierte Befunderhebung, die nicht selten vor allem mit der der Orthopäden divergiert. Ich erinnere mich an einen Patienten, den ich zu einem anderen Arzt mit der Empfehlung zum Röntgen zurückgeschickt hatte. Es bestätigte sich eine Fraktur. Wie lange müßten ihrer Meinung nach Physiotherapeuten studieren, dass sie bezogen auf den physiotherapeutischen Fachbereich genauso kompetent sind wie Ärzte im ärztlichen Fachbereich? Von einem politischen Vertreter mehr entäuscht bin ich jetzt nach dem Lesen des Interviews und erwarte weiterhin bei solchen Sprüchen wie: "der Arzt studiert ja nicht umsonst zwölf Jahre" nämlich : Nichts!
Sehr geehrte Frau Driemeyer,
vielen Dank für das engagierte Vorbringen Ihres Anliegens und der von Ihnen vorgebrachten Kritik zu meinen Äußerungen.
Die vorbehaltenden Tätigkeiten des Arztes (Arztvorbehalt), die in den § 1 Abs. 2 des Heilpraktikergesetzes und des § 2 Abs. 1 der Musterberufsordnung für deutsche Ärzte (BOÄ) festgeschrieben sind, sind historisch gewachsen. Angesichts des bevorstehenden Fachkräftemangels werden derzeit Modellvorhaben nach § 63 Abs. 3b und c des SGB V durchgeführt und eine Verlagerung der Verantwortlichkeiten überprüft. Die Evaluierung dieser Modellvorhaben wird zeigen, welche Ergebnisse bezüglich Kosteneinsparungen, Qualifizierungsvoraussetzungen und anderer Aspekte herauskommen. Ich bin überzeugt, den Therapeuten mit bestimmten Voraussetzungen und entsprechender Qualifikation mehr Eigenverantwortung zu zusprechen.
Mehr Eigenverantwortung der nicht-ärztlichen Gesundheitsberufe würde eine Berufshaftpflichtversicherung und andere Haftungsregelungen erforderlich machen. Neben dem rechtlichen Fragen sind meiner Meinung nach ebenso die fachlichen Voraussetzungen wichtig. Ich halte fachlich standardisierte Qualitätsnachweise, die u.a. Fragen des Haftungsrechts und der Differentialdiagnostik beinhalten, für alle Leistungserbringer für notwendig, die einen Direktzugang anstreben. In jedem Fall sollten diese an bestimmte Fachweiterbildungen gekoppelt sein. Die heutigen Ausbildungsordnungen müssen dafür ebenso angepasst und standardisiert werden. Notwendige Zusatzqualifikationen, wie eine Weiterbildung für Screening, Diagnosestellung, Erstellung von Therapieberichten und die Überweisungs- und Verordnungskompetenz sollten zukünftig in die Curricula integriert werden.
Ich setze mich zur Zeit für eine Veränderung der Ausbildungsstrukturen, Verbesserung der Vergütungssituation, einer Übertragung der Versorgungs-verantwortung an die Therapeuten, sowie für eine Verbesserung der Arbeitsbedingungen im Rahmen des aktuell laufenden parlamentarischen Verfahrens zum GKV-Versorgungsstärkungsgesetz ein.
Ich verbleibe mit freundlichen Grüßen aus Berlin.
Ihr Dr. Roy Kühne