Frage an Rolf Stöckel von Heinrich B. bezüglich Gesundheit
"Auf die Beitragszahler der Krankenkassen kommt zum Start des Gesundheitsfonds ab 2009 ein Beitragssatz von voraussichtlich 15,5 Prozent zu. Dadurch erhöht sich für die meisten der gesetzlich Versicherten der monatliche Beitrag kräftig." Solche Nachrichten sind jetzt überall zu lesen.
Und wir als Rentner werden wieder einmal zur Kasse gebeten.
Da Sie ja sicher diesem Gesundheitsfond zugestimmt haben, würde mich interessieren, welche konkreten Vorteile dieser Gesundheitsfond denn bringt (außer mehr Bürokratie)?
Heinrich Bungart
Sehr geehrter Herr Bungart,
gerne beantworte ich Ihre Frage zum Gesundheitsfonds und schildere Ihnen seine konkreten Vorteile.
Doch lassen Sie mich zunächst zur "zusätzlichen Bürokratie" Stellung nehmen. Diese wird sich in Grenzen halten: Heute organisieren 14 Frauen und Männer im Bundesversicherungsamt einen unzureichenden Versorgungsausgleich und einen unzureichenden Risikostrukturausgleich, in Zukunft werden es 21 Personen sein. Und auch der mögliche Mehraufwand für die Kassen selbst hält sich angesichts der Effizienzreserven in engen Grenzen.
Hinzu kommt, dass die Organisation der Krankenversicherung vereinfacht wird: Es gibt nur noch einen einheitlichen Beitragssatz - wie in der gesetzlichen Arbeitslosen-, Renten- und Unfallversicherung. Der komplizierte Ausgleich unterschiedlicher Einnahmen, das komplexe Verrechnungsverfahren zwischen den Krankenkassen und der sehr aufwändige Risikopool für teure Patienten entfallen vollständig. Und auch der Verwaltungsaufwand des Beitragseinzugs wird vereinfacht: Ab dem 1. Januar 2011 können Unternehmen die Beiträge, Beitragsnachweise und Meldungen gebündelt an eine Weiterleitungsstelle entrichten und müssen nicht wie bisher 217 unterschiedlich hohe Beiträge an 217 unterschiedliche Krankenkassen überweisen.
Der Gesundheitsfonds führt auch nicht zu höheren Kosten im Gesundheitswesen. Ein höherer Finanzbedarf der Krankenkassen und ein im Vergleich zum aktuellen Durchschnittsbeitrag höherer einheitlicher Beitragssatz haben nichts mit der Einführung des Gesundheitsfonds zu tun. Denn dieser verändert grundsätzlich weder die Gesamteinnahmen noch die Gesamtausgaben der gesetzlichen Krankenversicherung. Es werden allein die Zahlungsströme neu geordnet. Beitragssatzerhöhungen resultieren u.a. aus einer besseren Vergütung für ambulante ärztliche Leistungen, finanziellen Entlastungen der Krankenhäuser sowie aus steigenden Arzneimittelausgaben. Die Finanzierung des medizinisch-technischen Fortschritts und die Zunahme chronischer Krankheiten im Rahmen einer älter werdenden Gesellschaft erfordern zusätzliche Finanzmittel.
Mit Einführung des Gesundheitsfonds zum 1. Januar 2009 haben wir endlich ein Modell, das die Beitragsgerechtigkeit verbessert. Alle Kassen erhalten den bundesweit einheitlichen Beitragssatz und damit die zur Versorgung ihrer Versicherten notwendigen Mittel auf einer fairen und gerechten Grundlage. Die heutige Verteilung ist leider nicht gerecht. Viele Mitglieder zahlen heute nicht deswegen höhere Beiträge, weil ihre Kasse unwirtschaftlich ist, sondern weil ihre Kasse eine ungünstige Versichertenstruktur hat. Beispielsweise muss die AOK Berlin einen Beitragssatz von 15,8 Prozent (plus 0,9 Prozent Sonderbeitrag) erheben, weil etwa die Hälfte ihrer Versicherten Rentner sind. Mit der Neuordnung der Finanzierung wird dafür gesorgt, dass dieser verzerrte Wettbewerb aufhört. Krankenkassen, die mehr ältere und mehr kranke Menschen versichern, erhalten durch die Neuordnung mehr Geld aus dem "Solidartopf" als bisher.
Der Fonds führt zu einer gerechteren und einfacheren Verteilung der Beiträge der Versicherten. Es kann doch nicht sein, dass bestimmte Kassen in Schwierigkeiten geraten, weil sie immer höhere Beiträge verlangen müssen, da sie besonders viele kranke, alte oder Menschen mit geringem Einkommen zu versorgen haben. Künftig werden die unterschiedlichen Krankheitslasten der Versicherten besser berücksichtigt. Jeder Versicherte ist dann seiner Krankenkasse gleich willkommen, unabhängig von seinem Einkommen.
In einem Solidarsystem wie der gesetzlichen Krankenversicherung ist es richtig und gerecht, wenn für gleiche Leistungsansprüche zunächst auch ein gleicher Beitragssatz bezahlt wird. Es gibt derzeit 217 Krankenkassen mit gleichen Leistungen, aber unterschiedlichen Beitragssätzen. Die Versicherten besuchen aber das gleiche Krankenhaus oder den gleichen Arzt. Dies wird künftig über den bundesweit einheitlichen Beitragssatz finanziert. Mit ihm gilt in Zukunft in Ost, West, Nord oder Süd: Gleicher Beitragssatz für gleiche Leistung.
Diese faire Verteilung der Beitragseinnahmen wird für mehr Wettbewerb sorgen. Im Vordergrund stehen künftig die Qualität von Service, Betreuung und Versorgung der Versicherten. Mit Einführung des Gesundheitsfonds können die Kassen mittels neuer Vertragsmöglichkeiten, Wahltarifen und besonderen Versorgungsinstrumenten ihren Versicherten qualitativ verbesserte, wirtschaftliche Leistungen bieten. Durch den allgemeinen Beitragssatz können die Versicherten künftig die Zusatzleistungen der verschiedenen Kassen leichter und besser vergleichen. Der Fonds macht den Kassenwettbewerb transparent. Die Kassen werden sich im Qualitätswettbewerb um den besten Service sehr anstrengen. Davon profitieren alle Versicherten und Patienten.
Hinzu kommt, dass jeder Versicherte künftig besser erkennen kann, ob seine Krankenkasse wirtschaftlich arbeitet oder nicht. Kommt eine Krankenkasse mit den ihr zugewiesenen Mitteln nicht aus, muss sie Effizienzreserven erschließen; reicht auch dies nicht aus, kann sie direkt von ihren Mitgliedern einen Zusatzbeitrag erheben. Um soziale Härten zu vermeiden, dürfen die Krankenkassen jedoch höchstens 1% des beitragspflichtigen Einkommens des einzelnen Mitgliedes zusätzlich verlangen. Für Kinder und mitversicherte Partner muss der eventuell anfallende Zusatzbeitrag jedoch nicht gezahlt werden. Hinsichtlich der Mitversicherung von Ehepartnern und Kindern ändert sich mit Einführung des Fonds nichts.
In dem Fall, dass eine Kasse einen Zusatzbeitrag erhebt, hat der Versicherte ein Sonderkündigungsrecht. Er könnte dann zum Beispiel zu einer gut wirtschaftenden Krankenkasse wechseln, die ihre Mitglieder mit einer Prämie am Erfolg beteiligt oder zumindest keinen Zusatzbeitrag erhebt.
Gut wirtschaftende Krankenkassen wiederum können an ihre Mitglieder Prämien auszahlen. Die Versicherten werden sich ihre Kassen genau ansehen: Welche Kasse bietet eine gute Versorgung? Welche Kasse bietet guten Service für Versicherte und Patienten? Welche schafft das ohne Zusatzbeitrag, welche nicht? Und wer kann Prämien auszahlen? Das bringt viel mehr Wettbewerb als heute.
Was die Situation der Rentnerinnen und Rentner betrifft, ist es so, dass momentan rund 70% aller Rentner einen überdurchschnittlichen Beitrag zahlen, weil sie Mitglied in einer der sog. Versorgerkassen (wie AOKen oder Ersatzkassen) sind. Viele ältere Menschen, die z.B. in der AOK Berlin versichert sind, zahlen daher ab Januar 2009 auch mit dem angehobenen Beitragssatz weniger als bisher. Dies trifft im übrigen auch bei den AOKen in acht weiteren Bundesländern zu.
Etwa 56% aller Rentnerinnen und Rentner zahlen mit dem Beitragssatz 2009 entweder weniger oder maximal 0,1% von ihrer Rente mehr an die Krankenkassen als bisher. Bei einer gesetzlichen Rente von etwa 1.100 Euro zum Beispiel wären das 1,10 Euro im Monat oder 13,20 Euro im Jahr. Darunter fallen z.B. auch die rund 3,4 Mio. Rentnerinnen und Rentner, die bei den beiden großen Ersatzkassen BEK und DAK versichert sind.
Bei rund 30% aller Rentnerinnen und Rentner liegt die Belastung zwischen 0,1% und 0,5%, also im gewählten Beispiel zwischen 1,10 Euro und 5,50 Euro im Monat. Gut 13% aller Rentner sind bei Kassen, die für das Mitglied zwischen 0,5% und 0,95% teurer werden (5,50 Euro bis 10,45 Euro im Monat).
Ohne den Gesundheitsfonds mit seinem einheitlichen Beitrag und der fairen Verteilung der Mittel hätte die der Anhebung des Beitragssatzes zugrunde liegende Steigerung der Kosten der medizinischen Versorgung zu einer sehr ungleichen Belastungsverteilung geführt. Die großen Versorgerkassen mit ihren vielen Rentnerinnen und Rentnern hätten ihren Beitrag sicherlich um einen ganzen Prozentpunkt oder mehr anheben müssen, während die "Internetkassen", die fast nur Junge und Gesunde versichern, mit einer weitaus niedrigeren Anhebung ausgekommen wären. Die Beiträge wären noch weiter auseinandergegangen, der unfaire Wettbewerb hätte sich zusätzlich verschärft. Diese Entwicklung haben wir gestoppt.
Mit freundlichen Grüßen
Rolf Stöckel