Frage an Rolf Kramer von Olly S. bezüglich Arbeit und Beschäftigung
Sehr geehrter Herr Kramer,
Die offiziellen Zahlen der Bundesanstalt für Arbeit 3,659 Millionen Arbeitslose.
Quelle: Agentur Bühner Personalvermittlung.
In den aus Nürnberg veröffentlichten Zahlen fehlen z. B. 350.000 Rentner zwischen 60 und 65 Jahren, die ja durchaus noch arbeiten sollen und können.
Es fehlen die 480.000 Vorruheständler mindestens 58 Jahre alt und meist unfreiwillig in den Vorruhestand gegangen sind und völlig entnervt am Arbeitsmarkt kapituliert haben.
Weiterhin fehlen 1.200.000 Maßnahmeteilnehmer. Es fehlen ca. 80.000 krankgemeldete Arbeitslose und etwa 3,8 Millionen geringfügig Beschäftigte in sogenannten Minijobs untergebracht
Darin sind noch nicht einmal die befristeten Jobs erfasst und die min.400.000, die irgendwie zwischen die Ritzen nicht abgeglichener Zahlen von Arbeitslosengeldempfängern und von arbeitslos Gezählten geraten sind man spricht hier gern von der sogenannten stillen Reserve.
Wenn man das alles zusammenrechnet, waren damit über 9,5 Millionen Menschen ohne einen richtigen Arbeitsplatz.
1.Warum werden diese Zahlen bei der monatlich Bekantgabe Arbeitsmarktdaten verschwiegen?
2. Warum werden wir Bürger so belogen?
Wann haben Politiker das Rückgrat der Wirtschaft den Kampf anzusagen?
MfG
Sehr geehrter Herr Stang,
vielen Dank für Ihre Frage vom 27. November 2008. Hier ist meine Antwort:
Im November 2008 konnte die Bundesagentur für Arbeit zum zweiten Mal in Folge eine Arbeitslosenzahl unter der Grenze von 3 Millionen Menschen bestätigen. Der positive Trend spiegelt sich auch in der Zahl der Erwerbstätigen wieder, die mit 40,91 Millionen auf eine neue Rekordmarke geklettert ist. Ein ähnlicher Trend lässt sich auch bei der sozialversicherungspflichtigen Beschäftigung erkennen, die mit rund 28 Millionen ein Plus von 578.000 gegenüber dem Vorjahr verzeichnen konnte. Weiteren Studien der BA zufolge ist auch die sogenannte verdeckte Arbeitslosigkeit auf dem Rückzug, die Sie in Ihrer Fragestellung thematisieren.
Arbeitslos ist- so legt es das Sozialgesetzbuch fest-, wer keinen Job hat, sich um eine sozialversicherungspflichtige Beschäftigung bemüht und dem Arbeitsmarkt zur Verfügung steht. An diese Definition hält sich die Bundesagentur für Arbeit, wenn sie ihre monatlichen Arbeitslosenzahlen veröffentlicht. Die Rechnung, die sie in Ihren Erläuterungen aufmachen, ist allgemein etwas zu pauschal gehalten. Bei den Frührentnern handelt es sich beispielhaft um Menschen, die nicht mehr arbeiten möchten oder aus gesundheitlichen Problemen nicht mehr in der Lage sind einer Erwerbstätigkeit nachzugehen. Diese undifferenziert in die Statistik der Erwerbslosen zu übernehmen greift eindeutig zu kurz. Ich räume jedoch ein, dass das in den Statistiken beachtliche Minus bei der Anzahl der Frührentner zum Teil auf statistische Effekte zurückzuführen ist, denn viele werden seit den Hartz-Reformen nicht mehr als solche geführt. Daher ist es schwierig zu erheben, wie viele Frührentner auf Grund von konjunkturellen und wie viele aus buchhaltungstechnischen Gründen aus der Statistik entfallen sind.
Ich gebe Ihnen Recht, dass man darüber diskutieren kann, ob die Gruppen der ABM-Kräfte einschließlich 1-Euro-Jobbern, Teilnehmer an Qualifizierungsmaßnahmen sowie ältere ALG-II-Empfänger in die Arbeitslosenstatistik einbezogen werden sollten. Letztere werden von der Bundesagentur dann nicht mehr als Arbeitslos geführt, wenn sie älter als 58 Jahre sind und ihnen innerhalb von zwölf Monaten kein sozialversicherungspflichtiger Job angeboten wurde. In dieser Frage halte ich die gängige Praxis der Bundesagentur für zielführend, die Gruppe der geringfügig entlohnten Beschäftigten in den monatlichen Kennzahlen zum Arbeitsmarkt als eigene Kategorie den Daten der sozialversicherungspflichtigen Beschäftigten vergleichend gegenüber zu stellen. Dadurch ist es möglich, weiterführende Schlüsse auf die Entwicklung des Arbeitsmarktes zu ziehen, um langfristige Perspektiven zu erschließen.
Wie man die Zahlen jedoch auch interpretiert, an der Feststellung, dass die Arbeitslosigkeit deutlich gesunken ist, ändert auch die Einbeziehung der verdeckten Arbeitslosigkeit in die Statistik nichts. Mit der Umsetzung der Hartz-Reformen wurden die Menschen, die zuvor in der Sozialhilfe erfasst wurden, in die Statistik der Arbeitslosen einbezogen. Dadurch ergab sich ein sprunghafter Anstieg der Statistik auf über 5 Millionen Arbeitssuchende. Aktuell verzeichnen wir eine Marke von knapp unter 3 Millionen Erwerbslosen, bei den identischen Methoden der Erhebung der Arbeitslosenstatistik. Diese Zahlen müssen zur Kenntnis genommen werden, wenn seriös über die ersten positiven Effekte auf dem Arbeitsmarkt diskutiert werden soll.
Ähnlich verhält es sich bei der Einbeziehung der Gruppe der sogenannten "Stillen Reserve". Dabei handelt es sich um Personen, die prinzipiell an einem Job interessiert wären, wenn die Rahmenbedingungen stimmen würden. Gegenwärtig sind sie jedoch weder arbeitslos gemeldet, noch nehmen sie an Maßnahmen der Bundesagentur teil. Die Gründe für die Situation der Betroffenen stellt sich äußerst differenziert dar. Zumeist handelt es sich entmutigte Arbeitssuchende, die in Resignation auf Grund der Vielzahl von gescheiterten Bewerbungen verfallen sind. Jedoch handelt es sich auch um Arbeitssuchende, die mit überzogenen Gehaltsvorstellungen oder mangelnder Qualifikation für den bevorzugten Arbeitsplatz Ihre Chancen auf dem Arbeitsmarkt schmälern. Die Gruppe der "Stillen Reserve" in die offizielle Arbeitsmarktstatistik mit einzubeziehen offenbart sich daher schwierig und wird argumentativ gekontert, dass es in diesem Falle dann auch legitim sei, zu den offenen Stellen fiktive hinzuzurechnen, die unter günstigen konjunkturellen Prämissen entstehen könnten.
Mit freundlichen Grüßen,
Rolf Kramer