Frage an Rolf Kramer von Oliver S. bezüglich Soziale Sicherung
Sehr geehrter Herr Kramer,
mutet es nicht seltsam an, das die Fraktionen der CDU und SPD in der Öffentlichkeit Hahnenkämpfe austragen, aber bei der Erhöhung Ihrer Diäten sofort Einigkeit herrscht?
Und ist es nicht auch befremdend, das in Zeiten in denen Sie und Ihresgleichen von Sparen und Zurückhaltung reden und gleichzeitig voll in die angeblich so leeren Staatskasen greifen?
Und sind da Ihre bereits abgegebenen Kommentare diesbezüglich nicht sehr schwammig und ohne feste Aussage? Reichen Ihre Bezüge nicht aus, Ihnen ein angenehmes Leben zu führen, auch im Hinblick auf zu erwartende Pensionsansprüche? Ihnen zu sagen wie lange ein Arbeiter für Ihre Bezüge arbeiten muß ist wohl unnötig.
Sehr geehrter Herr Stang,
7.009 Euro als Einkommen derzeit für Abgeordnete ist viel Geld. Die Abgeordneten verdienen damit mehr als viele ihrer Wählerinnen und Wähler. Es wäre deshalb auch falsch, wenn sich Abgeordnete darüber beklagten, dass sie zu wenig verdienen. Natürlich sind diese 7.009 Euro weniger als das Monatsgehalt vieler Führungskräfte in der Wirtschaft, den Verbänden, den Gewerkschaften, und dazu muss man gar nicht auf die höchsten Hierarchiestufen schauen. Trotzdem: kein Abgeordneter leidet an Armut.
Niemand macht Politik - oder sollte Politik machen -, weil er oder sie Geld verdienen will. Auch ein gut verdienender Rechtsanwalt, eine Managerin, ein Unternehmer, ein hoch bezahlter Wissenschaftler oder eine gut verdienende Künstlerin kann in die Berufspolitik gehen. Das geschieht auch. Sie müssen aber wissen, dass sie ihr früheres Einkommen dabei meistens nicht wieder erreichen, sondern weniger verdienen werden. Das ist bei einem öffentlichen Amt auch zumutbar, soweit zum Beispiel die Abgeordnetenentschädigung nicht zu gering und angemessen ist.
Bei der Höhe der Abgeordnetenentschädigung ist vor allem die Frage zu beantworten, was ist angemessen. Was ist angemessen für einen Wahlkreisabgeordneten oder eine Wahlkreisabgeordnete, die die Interessen von ca. 250.000 Bürgerinnen und Bürgern vertreten? Was ist angemessen für jede und jeden der über 600 Abgeordneten, die in unserem Land darüber entscheiden, ob deutsche Soldaten ins Ausland geschickt werden (Beispiel Kosovo, Afghanistan) oder nicht (Beispiel Irak). Was ist angemessen für die Abgeordneten, die über die Zukunft unserer Kranken- und Rentenversicherung, über die Neuausrichtung der Arbeitsmarktpolitik und darüber entscheiden, welche Steuern wir zahlen sollen.
Bereits 1977 wurden als vergleichbar mit den Abgeordneten, die Wahlkreise mit 200 bis 300 Tausend Wahlberechtigten vertreten, Bürgermeister kleiner Städte und von Gemeinden mit 50 bis 100 Tausend Einwohnern angesehen. Diese erhalten als kommunale Wahlbeamte auf Zeit eine Vergütung der Besoldungsgruppe B6. Als vergleichbar wurden auch die einfachen Richter bei einem obersten Gerichtshof des Bundes (Bundesgerichtshof, Bundesarbeitsgericht, etc.) angesehen, die bei der Ausübung ihres Amtes ähnlich wie Abgeordnete unabhängig und nur dem Gesetz unterworfen sind. Sie erhalten eine Vergütung nach der Besoldungsgruppe R6. Mit der Änderung des Abgeordnetengesetzes im Jahre 1995 wurde der Orientierungsrahmen für die Abgeordnetenentschädigung genau mit einem Zwölftel der Jahresbezüge der Beamtenbesoldungsgruppe B6 und der Richterbesoldungsgruppe R6 vorgegeben.
Diese Bezugsgrößen wurden bisher nie erreicht. Bei der Verabschiedung des Abgeordnetengesetzes im Jahre 1977 betrug die gesetzlich festgesetzte Entschädigung 91,21 Prozent der Bezüge der Besoldungsgruppe B6/R6. Dieses Verhältnis veränderte sich nicht zuletzt aufgrund wiederholter Nullrunden bis 1994 auf 76,67 Prozent. In den Folgejahren näherte sich die Abgeordnetenentschädigung den Bezugsgrößen zwar an und beträgt seit 1. Januar 2003 monatlich 7.009 Euro. Zu den Monatsbezügen der Besoldungsgruppe B6/R6 in Höhe von rund 7.668 Euro (bei Verheirateten, ohne Kinder) besteht derzeit aber immer noch eine Differenz von 659 Euro; das sind 9,4 Prozent. Werden, wie heute im Gesetz vorgesehen, die Sonderzahlungen anteilig berücksichtigt, ist die Differenz sogar noch etwas größer (ca. 900 Euro monatlich).
Mein Eindruck ist, dass in der Öffentlichkeit die Höhe der Abgeordnetenentschädigung letztlich weit überwiegend akzeptiert wird - wenn auch natürlich nicht von allen.
Die Anhebung zum 1. Januar 2008 um 330 Euro entspricht einem Prozent-Satz von 4,7. Dieser Steigerungssatz dürfte dem Anstieg der durchschnittlichen Erwerbseinkommen von 2005 bis Ende des Jahres 2007 entsprechen. Mit der Anhebung um weitere 329 Euro zum 1. Januar 2009, die 4,48 Prozent beträgt, wird nicht nur die Orientierungsgröße erreicht, sondern auch die voraussichtliche Steigerung der durchschnittlichen Erwerbseinkommen bis zur nächsten Anpassung der Abgeordnetenentschädigung frühestens im Jahre 2010 berücksichtigt.
Da seit 2003 keine Erhöhung der Entschädigung mehr stattgefunden hat, sind die beiden Erhöhungsschritte vertretbar. Das gilt umso mehr als die Erhöhung der Entschädigung mit einer dauerhaften Absenkung des Steigerungssatzes bei der Altersentschädigung verbunden ist und ein Teil der Erhöhung sich dadurch rechtfertigt.
Dieses Vorgehen ist auch vernünftiger, als die geltende Rechtslage beizubehalten ohne Rücksicht auf die Kritik an den Steigerungssätzen der Altersentschädigung. Denn diese läge dann unverändert bei 3 Prozent der Entschädigung und würde bei einer in jedem Falle vorzunehmenden Erhöhung der Diät für eine entsprechende Erhöhung auch der Altersversorgung sorgen. Das würde öffentlich auf keine Akzeptanz stoßen.
Es besteht die Hoffnung, dass wenn in Zukunft die Abgeordnetenentschädigung dauerhaft den Vergütungen der Bürgermeister von Städten und von Gemeinden mit 50 bis 100 Tausend Einwohnern und der Bundesrichter folgt, die für die parlamentarische Demokratie notwendige Akzeptanz für die konkrete Höhe der Entschädigung der Abgeordneten allmählich wächst und deutlich wird, dass die Gesetze des Bundestages zur Entschädigung der Abgeordneten nicht als "Selbstbedienung" beschrieben werden können.
Übrigens: Die Mehrkosten für die Erhöhung der Abgeordnetenentschädigung belaufen sich im Jahr 2008 auf rund 2,4 Mio. Euro und ab dem Jahr 2009 auf weitere rund 2,4 Mio. Euro jährlich. Bei den Versorgungsaufwendungen wird die Herabsetzung des Steigerungssatzes für die Altersentschädigung langfristig zu einem Einsparvolumen führen.
Ich habe mir erlaubt, Ihnen meine Auffassung etwas ausführlicher darzustellen. Über Thema Diäten und Altersvorsorge machen sich zu Recht viele Menschen Gedanken. Ich habe ihnen daher gerne meine Meinung dazu dargelegt. Ich würde mich freuen, wenn Sie die Informationen überzeugt haben und Sie Verständnis für den von uns gemachten Vorschlag hätten. Ich glaube, dass es ein guter und ausgewogener Vorschlag ist.
Mit freundlichen Grüßen
Rolf Kramer