Frage an Roderich Kiesewetter von Jürgen V. bezüglich Innere Sicherheit
Schwere Unfälle ergaben sich aus Nachfolgenden:
Die ZEIT Nr 21
Grob gesagt, gilt weltweit auf dem Meer: »Motorgetriebene Wasserfahrzeuge« müssen »segelgetriebenen« ausweichen, also die Stärkeren den Schwächeren. Auf allen Ozeanen muss ein Kreuzfahrtschiff jedem Segler oder Surfer Platz machen. So will es das internationale Seerecht.
1998 aber erließ das Bundesverkehrsministerium eine »Verordnung zur Änderung seeverkehrsrechtlicher Vorschriften«, gültig für die deutsche Dreimeilenzone, das Küstenmeer, den Uferbereich. Ausgerechnet hier müssen Surfer seitdem Motorjachten ausweichen.
Warum hat das Ministerium das Gesetz geändert? Wie kam es dazu, dass im Motorsportland Deutschland gegensätzliche Regeln gelten als ein paar Kilometer weiter draußen auf dem Meer?
........ dass das Verkehrsministerium im Herbst 2012 - wieder im toten Winkel der öffentlichen Wahrnehmung - eine Verordnnung mit ähnlicher Tendenz erlassen hat: Brauchte man bis dahin für Motorboote mit mehr als 5 PS einen Führerschein, eine seemännische Ausbildung also, darf jetzt jedermann Schiffe mit bis zu 15 PS und 15 Meter Länge steuern, ohne Vorwissen, dafür aber mit Vorfahrt.
Angeregt hatte die Änderung keine Partei, sonndern der Bundesverband Wassersportwirtschaft. Auf seiner Homepage beschreibt sich der Verband als »starke Gemeinschaft, die Einfluss auf Politik und Behörden nehmen kann«. Der Zeitschrift boote erklärt der Geschäftsführer, sein Verband habe seit Jahren »eine Ausweitung des führer-scheinfreien Bereichs« gefordert: »Diese Forderung hat die FDP gemeinsam mit ihren Koalitionspartnern aufgegriffen. Wir waren von Beginn an an den Beratungen beteiligt.« Die Verordnung entspreche »unserem Vorschlag«. Die Mitgliederliste des Verbandes führt 394- Firmen auf. Darunter Honda, Suzuki, Volvo, Yamaha, die ancora Marina in Neustadt und Sunseeker.
Sehen Sie hier nicht die Notwendigkeit, dieses Thema zum Schutz der Bürger gegenüber der Industrie, zur Sprache zu bringen?
MfG
J.Völker
Sehr geehrter Herr Völker,
vielen Dank für Ihre Frage, die ich gerne beantworte.
In der bis zum 31.10.1998 geltenden Fassung der Kollisionsverhütungsregeln für die Sportbootschifffahrt war eine Ausweichpflicht für Segelsurfer nicht besonders geregelt. Es galt die allgemeine Vorschrift, nach der die Internationalen Regeln von 1972 zur Verhütung von Zusammenstößen auf See anzuwenden sind, soweit die Verordnung nicht
ausdrücklich etwas anderes bestimmt.
Die Ausweichregeln der internationalen Kollisionsverhütungsregeln unterscheiden ausschließlich nach der Antriebsart der Fahrzeuge. Besondere Fahr- und Ausweichregeln für Sportfahrzeuge gibt es nicht. Grundsätzlich gilt, dass Maschinenfahrzeuge außerhalb von Fahrwassern (zumeist betonnte Wasserflächen) Segelfahrzeugen auszuweichen haben. Eine Differenzierung der windbetriebenen Fahrzeuge nehmen die internationalen Kollisionsverhütungsregeln nicht vor, so dass bei weiter Auslegung der Vorschriften Segel- und Kitesurfer als Segelfahrzeuge eingestuft werden können.
Mit der Neufassung vom 22. Oktober 1998 hat der Verordnungsgeber entschieden, Segelsurfer nicht als Fahrzeuge, sondern als Wassersportgeräte anzusehen. Die Ausweichregeln für Segelsurfer (und Wassermotorradfahrer) wurden den bereits geltenden und unverändert in die Neufassung übernommenen Vorschriften für Wasserskiläufer und ihre Zugboote angeglichen. Die ab 01.11.1998 geltende Fassung besagt, dass Führer von Zugbooten der Wasserskiläufer sowie Wassermotorradfahrer und Segelsurfer allen Fahrzeugen auszuweichen haben. Die Vorschrift wurde seitdem noch mehrmals geändert. Die aktuelle Fassung hat folgenden Wortlaut:
Die Führer von Zugbooten der Wasserskiläufer und von Wassersportanhängern sowie die Wassermotorradfahrer und Kite- und Segelsurfer haben allen Fahrzeugen auszuweichen; untereinander haben sie entsprechend den Kollisionsverhütungsregeln auszuweichen. Bei der Begegnung mit Fahrzeugen, Wassermotorrädern und Kite- und Segelsurfern haben die Wasserskiläufer sich im Kielwasser ihrer Zugboote zu halten. Die Führer von Zugbooten, die Wassersportanhänge schleppen, haben diese bei der Begegnung mit Fahrzeugen, Wassermotorrädern und Kite- und Segelsurfern in ihrem Kielwasser zu halten.
Die amtliche Begründung für die Neufassung vom 22.Oktober 1998 liegt nicht mehr vor und müsste erst im Bundesarchiv eingesehen werden. Ausweislich der verfügbaren Materialien liegen der Änderung folgende Erwägungen zugrunde:
Segelsurfer können nicht wie Segelfahrzeuge behandelt werden. Es ist zwar richtig, dass sowohl Segelfahrzeuge als auch Segelsurfer vom Wind angetrieben werden. Gleichwohl sind beide Sportarten nicht miteinander vergleichbar. Ein Segelfahrzeug bleibt zu jeder Zeit in einer stabilen Lage, ein Segelsurfer nicht. Auf einem Segelsurfbrett und während des Segelsurfens gibt es keine Möglichkeit zum Peilen. Deshalb ist ein Segelsurfer nicht in der Lage, eindeutig festzustellen, ob eine Kollisionsgefahr besteht, oder nicht. Ein Segelsurfer dürfte auch nur schwer in der Lage sein, Kurs und Geschwindigkeit beizubehalten, weil z.B. ein Kompass nicht vorhanden ist. Da ein Segelsurfer der Verpflichtung aus diesem Grund nicht nachkommen kann, kann sie ihm auch nicht abverlangt werden. Bei einem Segelsurfer kommt außerdem hinzu, dass er in seiner Fahrweise unberechenbar ist. Segelfahrzeuge können sich deshalb auf mögliche Ausweichsituationen nicht oder nur mit Schwierigkeiten einstellen. Die Regelung vermeidet diese Probleme und ist für alle Verkehrsteilnehmer eindeutig.
Ich hoffe ich konnte Ihnen weiterhelfen!
Mit besten Grüßen
Roderich Kiesewetter