Frage an Robert Zion von Brita S. bezüglich Außenpolitik und internationale Beziehungen
Der letzte Welt-AIDS-Kongress in 2004 in Bangkok hat festgestellt, dass die offizielle AIDS-Politik gescheitert ist: immer mehr Menschen infizieren sich weltweit (laut UNAIDS waren 2004 39,4 Millionen infiziert), immer mehr Menschen sterben an AIDS. AIDS ist weltweit bei den 15- bis 59-jährigen die Todesursache Nummer 1. Obwohl lebensrettende Medikamente zur Verfügung stehen, wird aus Gewinngründen über 90% der Infizierten eine Behandlung vorenthalten. Mit Medikamente für nur wenige geben wir uns nicht zufrieden.
Wir bitten Sie um Stellungnahme, ob Ihre Partei dafür eintritt, dass
1. zumindest in den ärmeren Ländern Präventionsmaßnahmen und AIDS-Medikamente kostenlos zur Verfügung gestellt werden
2. die Schulden der ärmsten Länder erlassen werden, damit in den betroffenen Ländern Mittel für eine umfassende Gesundheitsversorgung und zur AIDS-Bekämpfung freigesetzt werden
3. Menschenrechte vor Patentrechte gehen. Patente der internationalen Pharmakonzerne dürfen nicht verhindern, dass Millionen Betroffene preiswerte bzw. kostenlose Medikamente erhalten.
Sehr geehrte Frau Schuren,
sehr gerne nehme ich für mich als Direktkandidat und für die Grünen zu Ihren drei Fragen Stellung. Zunächst noch einige allgemeine Bemerkungen. Mit Ihrer dramatischen Darstellung der Lage haben Sie leider vollkommen recht. Insbesondere in Afrika, den man durchaus als einen von der Weltgemeinschaft vergessenen Kontinent bezeichnen kann, besteht dringender Handlungsbedarf. Der Hauptlösungsansatz kann nur die Herstellung eines fairen Welthandels sein. Dazu gehört 1. eine Demokratisierung der WTO, des IWF und der Weltbank unter dem Dach der UNO und damit eine stärkere Einflussnahme von Drittwelt- und Schwellenländern auf diese Organisationen; 2. die Bekämpfung der Korruption, bei der die Regierungen dieser Länder teilweise ebenso beteiligt sind wie transnationale Konzerne (good governance als Bedingung für Hilfeleistungen); 3. das Öffnen der Märkte der reichen Industrieländer für die Produkte der Drittwelt- und Schwellenländer (Abbau von Importbeschränkungen und Subventionen, vor allem im Agrarbereich); 4. die Herstellung einer internationalen und wirksamen Monopol-, Oligopol- und Kartellkontrolle und die Regulierung der Kapitalmärkte ebenfalls unter dem Dach der UNO; 5. die Einführung einer Börsenumsatzsteuer (Tobin-Steuer), deren Erlös für die Entwicklungshilfe verwendet werden sollte. Hierfür werden ich und meine Partei sich einsetzen. Zu Ihren drei konkreten Fragen: Zu 1. und 3.: Die internationale Versorgung mit AIDS-Medikamenten wird tatsächlich von den Pharmakonzernen als künstlicher, über das Patentrecht abgesicherter und gigantischer Profitmarkt organisiert. Man könnte dies ohne Weiteres als bewußt herbeigeführten und organisierten "Massenmord", mindestens aber als "Totschlag" oder "unterlassene Hilfeleistung" bezeichnen. Darum ist es dringend geboten, dass alle Anstrengungen darauf gehen, dass die Weltgemeinschaft mittels der UNO alle lebenserhaltenden Medikamente wie auch Nahrungsmittel, die international gehandelt werden und den Charakter einer notwendigen Grundversorgung haben, aus dem Patentrecht zwingend herausnimmt. Halten sich die transnationalen Konzerne und/oder sie unterstützende Regierungen nicht daran, müssen scharfe Sanktionen verhängt werden, die bis zur Zwangsenteignung und hohen Strafzahlungen gehen sollten. Die Hierarchie der Rechtsebenen gebietet dies dringend, da die UNO-Menschenrechtskonvention höher anzusiedeln ist als Handel- und Patentrechte. Dass dies international - wie im Übrigen immer mehr auch national - eben nicht so gehandelt wird, ist die große Geißel unserer Zeit. Zu 2.: Tatsächlich müssen den ärmsten Ländern die Schulden erlassen werden. Wichtig dabei ist, dass die Bedingungen des Schuldenerlasses klar definiert werden: Korruptionsbekämpfung; Aufbau rechtsstaatlicher Strukturen usw. Langfristig brauchen wir ein bindendes und einklagbares WELTBÜRGERRECHT auf der Grundlage der Allgemeinen Menschenrechte, das die in den Vereinten Nationen versammelten Nationalstaaten jedem Menschen auf ihrem Hoheitsgebiet zwingend garantieren und durchsetzen.
Mit freundlichen Grüßen
Robert Zion