Mich interessiert Ihr Standpunkt bzgl. moderner Gentechnik in der Forschung? Inwiefern sehen Sie Potential in der Landwirtschaft auch im Hinblick auf den Klimawandel?
Zu moderner Gentechnik in der Forschung:
Vor dem ewigen Wiederholen des “Mantras" von den Heilsversprechen
gentechnisch veränderter Pflanzen, obwohl solche Versprechen längst gebrochen sind,
werden wir nicht müde, darauf hinzuweisen, dass gentechnisch veränderte Pflanzen vor
allem Saatgut- und Chemie-Multis reich gemacht haben, statt den versprochenen
essenziellen Beitrag zur weltweiten Ernährungssicherung zu leisten.
Risiken und Folgeschäden tragen die Bauern und letztlich die Gesellschaft. Selbst die
Erfinderin der “Genschere" die Nobelpreisträgerin Emmanuelle Charpentier, hat Regularien
zur Eindämmung der potenziellen Risiken der neuen Editing-Technik gefordert.
Deshalb sind im Sinne des Vorsorgeprinzips und der Zulassung alter Sorten sind die
Urteile des EuGH vom 14.07.2016 und 25.7.2018 umgehend und vollumfänglich
umzusetzen. Die am 29.04.2021 veröffentlichte aktuelle Studie der EU-Kommission zu
neuen Züchtungsmethoden weichen die Urteile des Europäischen Gerichtshofs auf, welches
festgestellt hatte, dass die sogenannten neuen Züchtungstechniken, namentlich das
CRISPR/CAS (Genschere), unter das Gentechnikrecht fallen. Dieser Versuch der Türöffnung
für die Gentechniklobby darf nicht das letzte Wort sein. Auch über 90 deutsche Verbände
fordern in einem Positionspapier, Gentechnik weiterhin streng zu regulieren.
DIE LINKE fordert, dass sich die Bundesregierung für ein EU-weites Verbot der Agro-
Gentechnik einsetzt und das Zulassungsverfahren so qualifiziert, dass unabhängig und
transparent geprüft wird und gefährliche Pflanzen, wie die „Killer-Gen-Pflanze“ (das sind
Pflanzen, die genetisch auf den Tod der Samen programmiert sind) gar nicht erst zugelassen
werden.
Dazu müssen z. B. auch langfristige Effekte und sozio-ökonomische sowie ethische
Risiken berücksichtigt werden. Eine unterschiedliche Bewertung der Zulassung zum Anbau
oder zum Handel ist aus unserer Sicht unsinnig, da Anbaurisiken überall in der Welt
existieren.
Wir unterstützen die „Ohne-Gentechnik-Kennzeichnung“. Sie ist ein erreichbarer
Kompromiss in die richtige Richtung und ermöglicht mehr Transparenz. Damit verbinden wir
die Hoffnung, dass Verbraucherinnen und Verbraucher die Möglichkeit erhalten,
risikoorientierte Entscheidungen zu treffen und dadurch die GV-Anbauflächen (im globalen
Süden) zu reduzieren. Die Ohne-Gentechnik-Kennzeichnung muss aber zur Verhinderung
einer Aushebelung oder glatten Umgehung weiterentwickelt werden.
Die Nulltoleranz beim Saatgut ist für uns unter keinen Umständen verhandelbar! DIE
LINKE fordert ein Register aller in Entwicklung befindlicher und in Verkehr gebrachter mit
Hilfe der neuen Gentechnik erzeugter GVO.
Die Einstufung von CRISPR/CAS (Genschere) als Gentechnik befürwortet DIE LINKE
ausdrücklich. Das mehr oder weniger willkürliche An- und Ausschalten von Genen oder die
Stilllegung von DNA-Abschnitten bergen vordergründig zwar vielfältige Chancen, aber
mindestens ähnliche Risiken wie bisherige, weniger zielgerichtete Methoden.
Das gilt erst Recht, wenn artfremde oder synthetische DNA-Abschnitte in das Genom
integriert werden. Zudem bleibt die Unsicherheit, welche Veränderungen diese
Manipulationen im Genom auf der Proteinebene auslösen und welche Effekte die
Veränderungen bei weiterer Vermehrung oder Auskreuzung in Wildpopulationen haben. In
der Anwendung der Technologie auf höhere Pflanzen sind Umweltauswirkungen und
Stoffwechselinteraktionen bisher völlig unbekannt und radikal neue Eigenschaften können
deshalb nicht ausgeschlossen werden. Da es aber auch hier um vermehrungsfähige
Pflanzen als Produkt geht, die im Freiland genutzt werden sollen, bleibt im Havariefall die
fehlende Rückholoption nach einer Verselbständigung oder einer Auskreuzung in
wildlebende Pflanzen ein ökologisches Risiko, das nicht verantwortbar ist. Mit zunehmender
Eingriffstiefe ist auch das Familiaritätsprinzip nicht mehr ohne weiteres anzuwenden, was die
Risikobewertung äußerst erschwert.
Außerdem hebeln die neuen Techniken die Prinzipien der Vorsorge und die
Rückverfolgbarkeit aus, wenn die Veränderung der Produkte anschließend nicht mehr
nachweisbar ist. Angesichts der bisherigen Erfahrung, dass die Koexistenz zwischen
konventionell gezüchteten und agrogentechnisch veränderten Pflanzen lang- und mittelfristig
nicht funktioniert und kurzfristig hohe betriebs- und volkswirtschaftliche Kosten verursacht,
bleibt aus Sicht der LINKEN nur die Ablehnung für landwirtschaftliche Nutzpflanzen. DIE
LINKE setzt sich deshalb für ein sofortiges Moratorium gegen die Freisetzung von GVO
insgesamt und insbesondere GVO mit Gene Drives ein.
DIE LINKE ist, angesichts des Urteils des EuGH vom 14.07.2016 auf den Schutz und
Bestand alter Sorten mehr denn je gegen Patente auf Lebewesen. Deshalb setzen wir uns
auch dafür ein, dass jegliche konventionelle Züchtungsverfahren, einschließlich der
herkömmlichen Mutagenesezüchtungen, sowie die daraus resultierenden Produkte nicht
patentierbar sind.
Das Gleiche gilt auch für den Bereich der konventionellen Züchtung. Bis zu einer
endgültigen Klarstellung unterstützen wir ein Moratorium im Bereich der konventionellen
Züchtungen. Darüber hinaus setzt sich DIE LINKE für eine kritische Überprüfung der
Statuten des EPA ein mit dem Ziel, dass unabhängige Entscheidungen getroffen werden, die
finanzielle Abhängigkeit von der Erteilung von Patenten beendet wird und eine Instanz zur
rechtlichen Überprüfung seiner Entscheidungen geschaffen wird.
Zum Potential in der Landwirtschaft auch im Hinblick auf den Klimawandel:
Wir machen uns das Ergebnis der Fachtagungen der Thünen-Institute in Niedersachsen zu
eigen, wenn wir fordern, dass die Landwirtschaft nicht nur das Potenzial hat, sondern auch
die Verpflichtung, ihren Beitrag zum Klimaschutz zu leisten. Die Bereitschaft dazu in den
Betrieben ist groß, und technische Möglichkeiten sind vorhanden. Eine mögliche Option der
Null-Emissionen-Produktion von Lebensmitteln ist denkbar, weil in offenen biologischen
Systemen gearbeitet wird.
Die Landwirtschaft ist in besonderer Weise vom Klimawandel betroffen. Neben der
Anpassung an dieses Phänomen ist der Klimaschutz und damit die Reduzierung von
Treibhausgasen ebenso wichtig für die Bäuerinnen und Bauern. Die Emissionen der
Landwirtschaft beruhen größtenteils auf natürlichen Prozessen und sind deshalb auch immer
mit der Emission von Treibhausgas verbunden.
Wir mahnen das Pariser Übereinkommen an, wenn wir fordern. dass im Rahmen dieser
internationalen Übereinkunft 2015 vereinbart wurde, die Erderwärmung bis 2050 auf 1,5
Grad Celsius zu begrenzen. Die Landwirtschaft muss ihren Einsparverpflichtungen ebenso
nachkommen wie andere betroffene Sektoren.
Der Entwurf des Klimaschutzplans 2050 der Bundesregierung sieht vor, dass die deutsche
Landwirtschaft ihre Treibhausgasemissionen um rund ein Drittel gegenüber 1990 verringert.
Aktuell verursacht die Quellgruppe Landwirtschaft etwa sieben Prozent der
Treibhausgasemission in Deutschland. Bei Lachgas (N2O, 81 %) und Methan (CH4, 60 %)
ist die Landwirtschaft – ebenso wie beim indirekt klimarelevanten Ammoniak (NH3, 95 %) –
der größte Emittent. Diese Gase stammten überwiegend aus dem Stickstoffmanagement
und der Nutztierhaltung. Außerdem entstehen Treibhausgase in Höhe von vier Prozent der
deutschen Emissionen aus der landwirtschaftlichen Nutzung entwässerter Moorböden. Dabei
handelt es sich vor allem um Kohlendioxid (CO2). Wir stehen dahinter, dass diese Entwürfe
umgesetzt werden und nicht bloße Lippenbekenntnisse bleiben.