Frage an René Kissler von Herbert P. bezüglich Wirtschaft
Sehr geehrter Herr Kissler,
der Stadtrat hat sich im März 2009 für die Ansiedlung eines IKEA-Homepark (IKEA-Einrichtungshaus nebst Fachmarktzentrum) am Standort der Ausstellung Eigenheim & Garten in Wuppertal-Nord ausgesprochen.
Sie haben sich zur Wahl gestellt und ich frage nach:
1)Die Hausausstellung ist ein langjähriger, verlässlicher und über die Grenzen W-tals hinaus bekannter Geschäftspartner. Sie bekennt sich deutlich zu ihrem jetzigen Standort, bietet der Stadt dafür den Kauf an und lehnt ein Alternativgrundstück ab. Wie stellen Sie sich dazu, dass das Kaufangebot trotz der lokalen Finanzmisere umgehend abgelehnt wurde und durch IKEA ein alteingesessener Partner verdrängt werden soll?
2)§ 24a LEPro. Wie wollen Sie die Ansiedlung eines IKEA mit § 24a LEPro in Einklang bringen?
Wie soll ein IKEA am Standort der Hausausstellung Kaufkraft in die Wuppertaler und umliegenden Innenstädte bringen?
3)Argumente für einen IKEA-Homepark am Standort der Hausausstellung sind neue Arbeitsplätze und Gewerbesteuereinnahmen.
- Wie wird der Weggang der Hausausstellung und damit verbundene Verlust zahlreicher Primär- und Sekundärarbeitsplätze berücksichtigt?
- Wie wird die Verlagerung von Arbeitsplätzen bei einem Umzug vom Tal in einen mögl. IKEA- Homepark am Stadtrand berücksichtigt?
- Was passiert mit daraus resultierenden Leerständen großer Verkaufsflächen im Innenstadtbereich?
- Welche Erfahrungen hat die Landespolitik damit gemacht?
4)Die Ausstellung steht für 50 mittelständische Unternehmen und für innovative
Zukunftstechnologien der Wirtschaft (z.B. Passivhaus ).
Warum wird statt der geplanten Verdrängung der Hausausstellung nicht das Potential an dem seit 35 Jahren entwickelten Standort in Kooperation mit Instituten, Fakultäten und auch ansässigen Unternehmen (z.B. Energieagentur / -beratung, Solarhaus etc.) ausgebaut, um die zukunftsfähige Bauwirtschaft in W-tal nachhaltig zu etablieren?
Ich freue mich auf Ihre Antworten, Herbert Pitsch
Sehr geehrter Herr Pitsch,
aufgrund des Umfangs und der Komplexität ihrer Frage haben wir GRÜNEN Direktkandidat_innen uns zusammengesetzt und können Ihnen wie folgt Antworten:
Grundsätzlich möchten wir vorausschicken, dass wir uns für eine Ikea-Ansiedlung in Wuppertal aussprechen. Das regionale Einzelhandelskonzept hat deutlich aufgezeigt, dass aus dem Bergischen Land Kaufkraft insbesondere im Bereich Möbel in umliegende Regionen, vor allem nach Düsseldorf, abfließt. Diese Kaufkraft in der Region zu halten ist das Ziel einer Ikea-Ansiedlung. Dabei müssen allerdings die regionalen Interessen im Bereich Arbeit und Umwelt, ein Abgleich mit den innenstadtrelevanten Nebensortimenten, die Interessen anderer Unternehmen und die der AnwohnerInnen berücksichtigt werden. Einer Stadtentwicklung, die auf jede eigene Planung verzichtet und jedem Investor alles ermöglicht mit dem Argument, wir müssen nehmen, was kommt, widersprechen wir entschieden. Leider aber beobachten wir mit Sorge gerade diese Mentalität in der Stadtentwicklungspolitik von Schwarz und Rot in Wuppertal.
Unsere Ratsfraktion hat immer wieder ein stadtplanerisches Gesamtkonzept sowie Bürger/innen-Beteiligung beim Planungsverfahren gefordert. Wir setzen uns dafür ein, dass wir in einem moderierten Verfahren zwischen der Stadt, Ikea, der Hausausstellung und den Anwohnern zu einer vernünftigen, alle Interessen berücksichtigenden Lösung zur Ansiedlung von Ikea in Wuppertal gelangen, die nicht zwangsläufig auf der Fläche stattfinden muss, auf der seit dreißig Jahren bis heute die Hausausstellung beheimatet ist.
Grundsätzlich gilt für uns GRÜNE: Gewachsene Siedlungsstrukturen sollen weder in Erlenrode noch anderswo durch Ikea oder andere Großprojekte zerstört werden. Ist ein nebeneinander nicht herzustellen, gehört in diesem Fall Ikea in ein Gewerbegebiet.
Zu den einzelnen Fragen:
1)
Ob das Kaufangebot ´trotz der lokalen Finanzmisere´ abgelehnt wurde, vermag ich nicht zu beurteilen; wir halten es aber für mehr als bedenklich, dass die Stadtspitze mit der Rückendeckung von Schwarz und Rot genau daran arbeitet, ein alt eingesessenes Unternehmen (Hausausstellung), an das ca. 250 MitarbeiterInnen gebunden sind, zugunsten eines Unternehmens (Ikea), das ca. 250 Arbeitsplätze schaffen möchte, alternativlos zu verdrängen.
2)
Es ist zu befürchten, dass gerade das innenstadtrelevante Nebensortiment der Firma Ikea Einrichtungshäuser und -abteilungen aus der Wuppertaler Innenstadt in Frage stellt und damit auch hier mittelbar regionale Arbeitsplätze gefährdet. Deshalb ist ein Abgleich mit § 24a LEPro unbedingt notwendig. Das aber ist die Kardinalsfrage insgesamt bei jeder Ansiedlung eines Ikeas an jedem Standort in Wuppertal und anderswo. Soviel wir wissen, ist die Abstimmung mit dem Land noch nicht erfolgt.
3)
Wir befürchten, dass die Stadt Wuppertal über keine genaue Berechnung verfügt, die die Zahlen der mit einem Weggang der Hausausstellung und einem damit verbundene Verlust zahlreicher Primär- und Sekundärarbeitsplätze berücksichtigt. Nach unserer Kenntnis handelt es sich allein bei der Hausausstellung um ca. 250 produzierende Arbeitsplätze im mittelständischen Handwerk, die wir unbedingt erhalten müssen.
Eine Verlagerung von Arbeitsplätzen bei einem Umzug vom Tal in einen möglichen IKEA-Homepark am Stadtrand ist uns nicht bekannt. Sollte damit etwa ein Anbieter wie Kick, Toys ´R us o.ä. gemeint sein, die als Ankermieter in einem Homepark von Ikea zu denken sind, dann handelt es sich zwar um eine Verlagerung von Arbeitsplätzen an den Stadtrand, die wir nicht unbedingt verwerflich halten, die aber einen Leerstand in der Innenstadt produziert, der dort nicht zu verkraften ist. Wir möchten uns gar nicht ausmalen, was es heißt, wenn Toys aus der Rathausgalerie, die ohnehin schon mit den Arkaden und ihrem eigenen Standort in der Innenstadt ´schwer zu kämpfen hat´, wegziehen würde. Und eine Strategie, wie die Stadtspitze mit dem Leerstand in den Innenstädten verfahren möchte, ist nicht zu erkennen.
In diesem Zusammenhang begrüßen wir die Initiative der ortsansässigen Einzelhändler, die eine Standortgemeinschaft gründen möchten und so gemeinsam eine Entwicklung ´ihrer Innenstadt´ im Rahmen bürgerschaftlichen Engagements selbst in die Hand nehmen. Und wir begrüßen die gesetzlich geschaffene Notwendigkeit bei Großinvestitionen am Stadtrand auf der grünen Wiese, Sortimente aufeinander abstimmen zu müssen, um eben nicht die Innenstädte weiter in Gefahr zu bringen. Das sind Entwicklungen, die jede/r von uns als GRÜNES Mitglied des Landtages unterstützen und fördern möchten, eben weil wir in Wuppertal erkennen, dass die Kommunen mit diesen Fragen überfordert erscheinen.
4)
Das entzieht sich unserer Kenntnis. Wir können nur darauf verweisen, dass genau diese gemeinsame Abstimmung in Kooperation mit Instituten, Fakultäten und auch ansässigen Unternehmen eine Forderung unserer GRÜNEN Ratsfraktion war, die der schwarz-roten Mehrheit im Rat anscheinend deswegen abwegig erschien, eben weil sie von den GRÜNEN kam.
Lassen Sie uns abschließend noch auf einen Punkt zu sprechen kommen: Auch für IKEA - nicht nur für die Hausausstellung - sind Alternativstandorte zu Erlenrode im Gespräch, die von der Stadtspitze und von der Wirtschaftsförderung nicht einmal als öffentlich diskutierbar oder abwägbar abgetan werden. Und die zu weniger Verkehrsschwierigkeiten führen, obwohl auch sie unmittelbar an der Autobahn - aber eben nicht an der A 46 - liegen. Und unseres Wissens nach sind auch die verkehrlichen Probleme sowohl an der A46 noch auf Erlenrode oder in der Wittenerstraße in irgend einer Weise auch nur theoretisch gelöst. Grundsätzlich kann man sich nur schwer die Verkehrsverhältnisse auf Erlenrode mit einem zusätzlichen Verkehrsaufkommen von ca. 16.000 Fahrzeugen vornehmlich am Nachmittag zu Feierabend kaum vorstellen. Eine Andienung IKEAs kann dort nur direkt und über die Autobahn je nach Standort über die A 1 oder die A 46 erfolgen.
Wir werden den IKEA-Ansiedlungsprozess in Wuppertal weiterhin, auch als Landtagsabgeordnete kritisch und konstruktiv begleiten.
Gruß
René Kissler