Frage an Reinhard Brandl von Astrid B. bezüglich Recht
Sehr geehrter Herr Brandl,
Sie haben am 7.7.2011 gegen die Aussetzung des Abschiebestopps syrischer Flüchtlinge gestimmt.
Sicher verursacht es Kosten und Mühen für ein Land, sich um politisch verfolgte Menschen zu kümmern.
Trotzdem finde ich es aus drei Gründen wichtig, dass unser Land dies tut:
Zum Ersten garantiert unsere Verfassung in Artikel 16 politisch Verfolgten Asyl. Dieses Grundrecht wurde in unsere Verfassung aufgenommen, weil zwischen 1933 und 1945 viele Menschen in unserem Land gelebt haben, die politisch verfolgt wurden. Vielen, die bei uns damals von Folter und Tod bedroht waren, gewährten z.B. die USA und die Schweiz Asyl (auch wenn diese Entscheidung in diesen Ländern nicht nur Befürworter hatte). Nun sollte unser Land einen Schutzraum für Menschen bieten, die jetzt in derselben Situation sind.
Zum Zweiten bekennt sich die CSU zu den christlichen Werten. Auch die christlichen Maßstäbe gebieten es, Notleidenden die Tür zu öffnen. Die Herbergssuche, die wir an Weihnachten in den Gottesdiensten aufführen, ist schließlich mehr als nur eine sentimentale Geschichte - für viele Menschen ist sie ja heute noch traurige Realität: Für euch ist kein Platz.
Zum Dritten sind unter denen, die Asyl suchen, Menschen, die sich mit ihrer Ausbildung und ihren Fähigkeiten für das Land einsetzen wollen, das sie aufnimmt, die also unseren Arbeitsmarkt bereichern würden.
Ich habe Ihnen meine Argumente geschrieben, weil ich in dieser Frage die Haltung der CSU - und damit auch Ihre Haltung - nicht ganz nachvollziehen kann.
Ich wäre Ihnen dankbar, wenn sie mir die Gründe für Ihre Entscheidung erläutern könnten.
Mit freundlichem Gruß
A. Braun
Sehr geehrte Frau Braun,
vielen Dank für Ihre Frage vom 10. September 2012, die ich gerne beantworten will.
Im Zusammenhang mit Ihrer Frage muss zwischen dem Deutsch-Syrischen-Rückübernahmeabkommen und einer tatsächlich durchgeführten Abschiebung unterschieden werden. Das im Januar 2009 in Kraft getretene bilaterale Rückübernahmeabkommen ist ein völkerrechtlicher Vertrag nach modernen europäischen Standards. Es enthält prozedurale Regelungen und konkretisiert die Verpflichtungen beider Vertragsparteien bei der Rückübernahme eigener Staatsangehöriger. Es verpflichtet jedoch nicht zur Durchführung von Abschiebungen und bedeutet auch keinen Hinderungsgrund, Abschiebungen in bestimmten Situationen auszusetzen.
Die Einleitung und Durchführung konkreter Rückübernahmeverfahren liegen in der Zuständigkeit der Ausländerbehörden der Bundesländer. Hier gelten Ausländer- bzw. Asylrecht. Die darin vorgesehenen Möglichkeiten zur Aussetzung einer Abschiebung unter humanitären und menschenrechtlichen Aspekten werden von dem Abkommen in keiner Weise berührt oder gar eingeschränkt. Die ständige Konferenz der Innenminister der Länder hat aufgrund der aktuellen Lage in Syrien unter Einvernehmen des Bundesinnenministeriums eine Aussetzung der Abschiebungen nach Syrien beschlossen. Seit April 2011 verzichten alle 16 Bundesländer auf Abschiebungen nach Syrien.
Da Ausländer- und Asylrecht durch das bilaterale Rückübernahmeabkommen folglich nicht tangiert werden, erachte ich eine Kündigung dieses Abkommens für nicht notwendig. Die Kündigung völkerrechtlicher Verträge ist zudem höchst unüblich. Ein solcher Schritt könnte außerdem vom Assad-Regime als Signal verstanden werden, dass es sich nicht weiter an völkerrechtliche Verpflichtungen halten muss.
Mit freundlichen Grüßen
Reinhard Brandl