Frage an Ralf Stegner von Sabine S. bezüglich Bildung und Erziehung
Sehr geehrter Herr Stegner,
als Mutter von vier Söhnen interessiere ich mich besonders für das Thema Schulen und Bildung und habe hier eine Frage zum neuen Schulgesetz: Mein einer, nicht ganz unproblematischer Sohn geht in die 8. Klasse einer Realschule. Am Ende dieser Klasse geht es um die Frage, welcher Abschluss erreicht werden kann, und ausgerechnet in einer solchen Klasse sitzen 29 pubertäre Kinder. Da kann keiner mehr ausreichend gefördert werden. Bisher war ich der Ansicht, dass mit dem Schulgesetz als Reaktion auf die Pisa-Studien erreicht werden sollte, mehr Schüler zu besseren Bildungsabschlüssen zu führen. Jetzt stellt sich die Situation aber so dar, dass eine Fünf im Zeugnis am Ende der 8. Klasse eine Hauptschulprognose bedeuten kann (nicht muss). Wer früher zur Realschule ging, hatte damit überhaupt kein Problem, wenn er denn die Fünf ausgleichen konnte. Teilen Sie meine Einschätzung, dass es womöglich mehr Kinder geben wird, die schlechte oder gar keine Schulabschlüsse schaffen?
Meine 2. Frage betrifft G8. Ein weiterer Sohn von mir besucht das Gymnasium, 6. Klasse. Er ist elf Jahre alt und hat am Donnerstag bereits die Wochenstunden eines Vollzeit beschäftigten Lehrers "abgearbeitet". Ich möchte von Ihnen wissen, ob Sie in Bezug auf Turbo-Abi, Versetzungsordnung (Nicht-Sitzenbleiben, Nachprüfungen etc) und "Prüfungswahn" Handlungsbedarf sehen.
Mit freundlichen Grüßen,
Sabine Skibbe
Sehr geehrte Frau Skibbe,
mit der großen Schulreform von 2007, in deren Mittelpunkt das längere gemeinsame Lernen steht, wollen wir dazu beitragen, dass die Bildungschancen von jungen Menschen nicht mehr von ihrer sozialen Herkunft abhängig sind. Wir wollen mehr individuelle Förderung und weniger Sitzenbleiben und Herunterstufen auf eine andere Schulart.
Die Versetzungen an Realschulen sind in der Realschulordnung geregelt. Dort ist vorgesehen, dass ein Schüler in die 8. und in die 9. Klasse aufsteigt, wenn seine Leistungen in nicht mehr als einem Fach schlechter als ausreichend sind. Das heißt, eine einzige Fünf ist sowieso kein Problem. Wenn es mehr als eine Fünf ist, kann die Klassenkonferenz beschließen, den Schüler trotzdem ohne weitere Auflagen zu versetzen, wenn sie davon ausgeht, dass er in der höheren Klassenstufe erfolgreich mitarbeiten kann. Wenn sie diese positive Prognose nicht hat, kann sie beschließen, dass der Schüler bis zum Beginn des kommenden Schuljahres eine Nachprüfung in den Fächern ablegen kann, in denen er schlechter als Vier eingestuft ist. Sie kann auch eine Versetzung auf Probe beschließen, um dem Schüler innerhalb von längstens einem halben Jahr die Gelegenheit zu geben, seine Mängel in den entsprechenden Fächern zu beheben. Wenn er dies nicht schafft, muss er die 7. bzw. 8. Klasse wiederholen. Erst dann, wenn er auch bei der Wiederholung scheitert, würde er an eine Hauptschule querversetzt. Sie sehen also, dass es gleich mehrere Sicherungen vor einer Abstufung gibt.
Die Schulleitung ist für den Umgang mit den ihr zugewiesenen Lehrerstellen verantwortlich; das bedeutet manchmal die Abwägung, ob sie kleinere Klassen mit weniger oder größere mit mehr Unterricht bildet.
Was das Gymnasium angeht, sehen wir in der Tat Überarbeitungsbedarf in der Oberstufe. Wir werden dabei nicht von der Dauer der Schulzeit bis zum Abitur abgehen können; wir hatten den generellen Übergang auf das so genannte G8-System beschlossen, weil die große Mehrzahl der übrigen Bundesländer diesen Weg bereits gegangen war und wir es nicht hätten verantworten können, dass schleswig-holsteinische Schulabsolventen systematisch ein Jahr später in die Berufsausbildung oder an die Hochschulen kommen.
Wir sehen aber Verbesserungsbedarf im Bereich der Profiloberstufe, bei der wir gern wieder mehr Wahlmöglichkeiten im Sinne eines differenzierten Kurssystems einführen wollen. Das bis vor kurzem sozialdemokratisch geführte Kultusministerium hat auch bereits im Bereich der Prüfungen nachgesteuert.
Auch wir haben ein großes Interesse daran, dass die Schülerinnen und Schüler nicht so überlastet werden, dass sie für Aktivitäten außerhalb der Schule und für soziale Kontakte keine Zeit mehr haben.
Mit freundlichen Grüßen
Dr. Ralf Stegner