Frage an Ralf Marohn von Erika N. bezüglich Familie
Sehr geehrter Herr Marohn,
welche Maßnahmen / Initiativen werden Sie ergreifen, im Fall Ihrer Wahl in den deutschen Bundestag, um die Umsetzung der UN-Konvention für die Rechte behinderter Menschen voranzutreiben?
Mit freundlichen Grüßen
Erika Naumer-Klein
Sehr geehrte Frau Naumer-Klein,
vielen Dank für Ihre Email und Ihre Frage zur Unterstützung der UN-Konvetion für die Rechte von behinderten Menschen von 2007. Die FDP und ich unterstützen diese Konvention und werden uns auch für die Umsetzung im Bundestag einsetzen.
Darüber hinaus möchte ich Ihnen mitteilen, dass die FDP folgende Leitbild in der Politik für Behinderte Menschen hat:
Faire Chancen für Menschen mit Behinderungen sind Prinzipien einer liberalen Behindertenpolitik. Die FDP will als einzige politische Kraft in Deutschland sowohl die größtmögliche Freiheit als auch ein höchstmögliches Maß an Eigenverantwortung für jeden einzelnen Menschen. Diese Prinzipien sind auch Richtschnur einer liberalen Politik für Menschen mit Behinderungen. Für Liberale ist Behindertenpolitik keine Sparten-,sondern Bürgerrechtspolitik. Menschen mit Behinderungen brauchen Voraussetzungen für ein freies und selbstbestimmtes Leben ohne Diskriminierung. Die Liberalen setzen sich deshalb auf nationaler und auch auf europäischer Ebene für eine Unterstützung von Nichtdiskriminierung behinderter Menschen gemäß Art.13 des Vertrages von Amsterdam ein.
Im Mittelpunkt einer liberalen Behindertenpolitik steht der Mensch mit seinem Handicap, nicht das Handicap. Deshalb darf diese nicht nur für behinderte Menschen gemacht werden, sie muss mit behinderten Menschen gemacht und wesentlich durch sie mit gestaltet werden. Menschen mit Behinderungen müssen mit klaren Rechten und fairen Chancen ausgestattet werden, insbesondere ist auf die doppelte Diskriminierung schwerbehinderter Frauen zu achten. Gerade auch behinderte Menschen und deren Angehörige wollen mehr Gestaltungsspielraum für ihr Leben. In jedem Lebensabschnitt und in jeder Lebenssituation müssen sie die Chance erhalten, ihr Leben so zu gestalten, wie sie es möchten und können. Dies gilt für alle Formen von Behinderungen. Einzelne Gruppen von behinderten Menschen, die keine Lobby haben oder sich nicht so gut artikulieren können, dürfen nicht benachteiligt werden.
Teilhabe und Integration in allen Lebensbereichen
Ziel liberaler Behindertenpolitik ist echte Teilhabe, denn Menschen mit Behinderungen gehören in die Mitte der Gesellschaft. In der Behindertenpolitik kann es nicht um die Alternativen, entweder Integration oder spezielle Angebote für behinderte Menschen, gehen. Vielmehr müssen 2 unterschiedliche Optionen und individuelle Wahlmöglichkeiten vorhanden sein.
Lebens-, Lern- und Arbeitsmöglichkeiten sind sowohl in beschützten Rahmen wie auch als integrative Angebote zu entwickeln und zu forcieren.
Kindergärten und Schulen
Die FDP begrüßt die verschiedenen Formen der Integrationsbemühungen in Kindergärten, Schulen und Einrichtungen der beruflichen Bildung. Diesen Einrichtungen müssen zukünftig aber noch mehr Freiräume überlassen werden. In allen Bundesländern sollen behinderte Kinder in Regelkindergärten und Regelschulen gehen können. Vielfach sind integrative Gruppen für behinderte Kinder die beste Förderung, sie erfahren Normalität und lernen durch Nachahmung. Umgekehrt wird, wer bereits mit behinderten Kindergartenfreunden gespielt oder gemeinsam mit behinderten Klassenkameraden gelernt hat, auch später Behinderung nicht als unnormal begreifen. Integration bedeutet echte Teilhabe, d. h., die Kinder müssen in die Lage versetzt werden, im Rahmen ihrer Möglichkeiten Wissen zu erlangen und Kulturtechniken zu erlernen. Dies bedeutet immer zusätzliche Förderung und häufig pflegerische Betreuung auch in der Schule. Dabei darf die Integration nicht an finanziellen Vorgaben scheitern, denn von einer neuen Schule, die auch den Bedürfnissen der Schwächeren Rechnung trägt, werden alle Kinder profitieren. Neben den Integrationseinrichtungen sind auch besondere fördernde Schulformen für behinderte Kinder eine wichtige Alternative. Nicht alle behinderten Kinder werden in eine Regeleinrichtung wollen. Deshalb behalten z.B. Sonderschulen ihre wichtige Bedeutung. Dem Elternwillen und den Wünschen der behinderten Menschen sollte jedoch in Zukunft vermehrt Rechnung getragen werden. Auch die Durchlässigkeit zwischen den Einrichtungen ist zu verbessern. Behinderte und nichtbehinderte Menschen sollten zukünftig gemeinsam innerhalb einer Bildungseinrichtung unterrichtet werden. Sonder- und Regelschulen können unabhängig voneinander unter einem Dach existieren. Die integrative Betreuung und Unterrichtung sollte auch auf die weiterführenden und berufsbildenden Schulen ausgeweitet werden. Die FDP spricht sich ausdrücklich gegen die Tendenz aus, aufgrund von Kostendruck Bildungs- und Fördereinrichtungen für behinderte Kinder in Pflegeeinrichtungen umzuwandeln.
Die berufliche Eingliederung von Jugendlichen mit Behinderung ist gerade im Hinblick auf die Hilfe zur Selbsthilfe wichtig. Durch innovative Modellprojekte wie z.B. Integrationsfachdienste soll eine weitgehende Eingliederung in den allgemeinen Arbeitsmarkt ermöglicht werden. An den Hochschulen sind Bedingungen zu schaffen, die das Studium eines Menschen mit Behinderung zur Normalität werden lassen. Neben baulichen und anderen Maßnahmen, die das Studium erst ermöglichen, setzen wir auf die verantwortliche Zusammenarbeit von Studenten, Universitätsverwaltung und Hochschullehrern, um Ideen zur individuellen Unterstützung zu entwickeln.
Behinderte Menschen im Rentenalter
Für behinderte Menschen, die das Rentenalter erreicht haben, sind spezielle integrative Konzepte zu entwickeln, herkömmlich Alten- und Pflegeheime sind auf die besonderen Bedürfnisse älterer Menschen mit Behinderung in der Regel nicht eingerichtet.
Arbeitsleben
Für die meisten Menschen mit Behinderungen ist die Aufnahme einer bezahlten Beschäftigung ein wichtiger Beitrag zu mehr Selbständigkeit. In diesem Zusammenhang gehören alle Sondervorschriften, die Menschen mit Behinderungen eigentlich die Arbeit erleichtern sollen, vorurteilsfrei auf den Prüfstand, auch wenn sie zweifelsohne gut gemeint sind. Es ist zu prüfen, ob diese Sondervorschriften behinderten Menschen die Annahme eines Arbeitsplatzes erleichtern oder eher erschweren. Neben der wichtigen Aufklärungsarbeit, dass Menschen mit Behinderungen meist sehr zuverlässige, hoch motivierte und produktive Arbeitnehmer sind, will die FDP die Anreize für Unternehmen, Menschen mit Behinderungen einzustellen, wirksam erhöhen. Staatlicher Dirigismus führt nicht weiter. Gefragt sind individuelle Konzepte, die die berechtigten Interessen von Menschen mit Behinderungen und die berechtigten Interessen von Arbeitgebern zusammenführen. Kreative Modelle, wie die sogenannten „Arbeitgebermodelle“, in denen sich Menschen mit Behinderungen ihre Arbeitsassistenten selbst einstellen und somit neue, sozialversicherungspflichtige Arbeitsplätze schaffen, sind steuerlich zu fördern.
Trotzdem wird die bezahlte Arbeit in Werkstätten der Behindertenhilfe für viele Menschen mit Behinderungen die einzige Möglichkeit bleiben, zu arbeiten und muss deshalb dringend erhalten bleiben. Die Betriebe müssen sich unter marktwirtschaftlichen Bedingungen behaupten, dennoch darf z. B. notwendige Rationalisierung nicht dazu führen, dass die Arbeit stupide wird und keine Anforderungen mehr enthält, denn diese Arbeitsplätze sind häufig soziales Umfeld und Förderung in einem. Auch müssen die behinderten Mitarbeiter angemessen bezahlt werden. Sport und Kultur Teilhabe darf nicht am Schul- oder Werkstor enden. Gerade Sport und Kultur bieten sich für gemeinsame Unternehmungen behinderter und nichtbehinderter Menschen an. Die FDP erkennt die Bemühungen vieler Sportvereine ausdrücklich an, Menschen mit Behinderungen zu integrieren. Damit die Vereine in die Lage versetzt werden, qualifizierte Kurse anbieten zu können, sind von den Kommunen Zuschüsse zur speziellen Qualifikation und Schulung der Übungsleiter zu leisten.
Kultur- und Kunstveranstalter, aber auch Bildungsträger wie z. B. die VHS sind aufgefordert, behinderte Menschen an ihren Veranstaltungen und Kursen teilhaben zu lassen. Eine Zusammenarbeit mit den Verbänden der Behindertenhilfe wäre hier sicher von Vorteil. Aber auch als Künstler sollten Menschen mit Behinderungen ein selbstverständlicher Teil der Kulturprogramme sein.
Mobilität und Barrierefreiheit
Der Grad an Mobilität ist ein Gradmesser für Teilhabe. Behinderte Menschen müssen sich frei in der Gesellschaft bewegen können, Hindernisse aller Art sind abzubauen. Dabei ist die von Liberalen angestrebte Barrierefreiheit umfassend zu verstehen: Sie bezieht sich einerseits auf die Zugänglichkeit von öffentlichen Gebäuden und Plätzen, auf den privaten Wohnungsbau und die Nutzbarkeit öffentlicher Verkehrsmittel. Behindertengerechte Rampen, Aufzüge oder visuelle und taktile Leitsysteme sollten bereits beim Bau berücksichtigt werden. Viele Bahnhöfe sind mittlerweile behindertengerecht ausgestattet. Jedoch setzt sich dies bei den Zügen nicht fort: Erleichterte Einstiegsmöglichkeiten sowie rollstuhlgerechte Abteile wären eine große Hilfe. Im privaten Bauwesen sollen Anreize geschaffen werden, an eine behindertengerechte Ausstattung zu denken, damit den behinderten Menschen eine möglichst selbstbestimmte Entscheidung, wie und wo sie leben möchten, erleichtert wird. Dabei ist der Schaffung möglichst kleiner Wohneinheiten – auch für Wohngemeinschaften von Behinderten mit Nicht-Behinderten – der Vorzug zu geben. Barrierefreiheit bezieht sich andererseits auf die Zugangsmöglichkeiten zu den Medien: Die FDP begrüßt die Bemühungen der Fernsehsender behinderte Menschen z. B. durch Gebärdensprache oder Zweikanalton den Zugang zum Medium Fernsehen zu ermöglichen. Hier schaffen neue Technologien Chancen, Barrieren zu überwinden. Auch in der Telekommunikation sind die Hersteller von Telekommunikationsgeräten gefordert, ihre technischen Möglichkeiten zu nutzen, um Menschen mit Behinderungen an dieser wichtigen Kommunikationstechnologie teilhaben zu lassen.
So ist z.B. bei der Gestaltung von Internetseiten auf die Nutzbarkeit durch Menschen mit Behinderungen zu achten. Die FDP hat sich als Vorreiterin in diesem Bereich erwiesen. Diese Anstrengungen sind beizubehalten und auszuweiten. Gerade in diesem Medium der Zukunft sind Liberale Wegbereiter für eine Einbeziehung der Bedürfnisse behinderter Menschen. Förderung und Rehabilitation - Grundlagen für mehr Lebensqualität und ein selbstbestimmtes Leben.
Menschen mit Behinderungen wollen ihren speziellen Beitrag für die Gesellschaftleisten. Gute Förderung ist jedoch die Grundvoraussetzung für echte Teilhabe und somit ein selbstbestimmtes Leben behinderter Menschen. Sie setzt jedoch zunächst eine Früherkennung der Vielzahl der möglichen Behinderungen voraus. Hier sind alle pädagogischen, betreuenden und medizinischen Professionen gefragt.
Gerade Menschen mit schwersten Behinderungen müssen häufig einfachste Fertigkeiten erst mühsam erlernen. Aber auch für Menschen mit nicht angeborenen Behinderungen wird durch gezielte Förderung und Rehabilitation wieder ein weitgehend normales Leben möglich. Dabei muss gute Förderung häufig ein Leben lang stattfinden, will sie wirklich dauerhafte Erfolge erzielen: Frühförderung spielt beim Erlernen von Grundfertigkeiten eine nicht zu unterschätzende Rolle. Diese bestimmen die ganze weitere Entwicklung, deshalb ist das bereits bestehende Netz von regionalen Frühfördereinrichtungen zu erhalten bzw. auszubauen, Standards und Finanzierungsregelungen müssen bundesweit angeglichen und gesichert werden. Die Eltern behinderter Kinder sind auf Unterstützung und auf ortsnahe, flexible mobile oder ambulante Hilfe dringend angewiesen. Dabei sind auch von Behinderung bedrohte Kinder zu berücksichtigen. Dem gesetzlich festgeschriebenen Grundsatz des Vorranges der Rehabilitation vor der Pflege muss Rechnung getragen werden. Das bestehende System der Pflegeversicherung läuft diesem zuwider. Es gibt keine Anreize, Betroffene zu fördern, um sie z.B. in eine niedrigere Pflegestufe einstufen und somit ihren Zustand verbessern zu können. Seit der Einführung der Pflegeversicherung hat sich außerdem der Besorgnis erregende Trend entwickelt, schwerbehinderte Menschen in Pflegeheime abzuschieben, um so eine Finanzierung über die Pflegeversicherung zu erreichen. In diesen Heimen erfahren die Betroffenen nicht mehr die notwendige und durchaus erfolgversprechende Förderung. Die Sozialhilfeträger dürfen diesen Personenkreis nicht aus finanziellen Beweggründen entmündigen und die ihm zustehende Förderung vorenthalten. Den speziellen Einrichtungen der Behindertenhilfe sind wieder ein verbesserter finanzieller Spielraum und vermehrt Anreize für wirtschaftliches Verhalten einzuräumen, damit sie die in der Qualitätssicherung festgelegten Standards auch einhalten können. Materielle Absicherung als Hilfe zur Selbsthilfe
Die FDP hat sich seit jeher dafür eingesetzt, den Gesetzes- und Vorschriftendschungel zu lichten. Dies gilt in besonderem Maß für die ausufernde Gesetzeslage in der Behindertenpolitik. Es hilft niemandem und erst recht nicht den Hilfesuchenden, wenn nur schwer nachvollziehbar und nicht eindeutig ist, von wem welche Hilfestellungen zu erwarten sind. Ziel eines eigenen Leistungsgesetzes für Behinderte Menschen muss deshalb sein, die bisher bestehenden Regelungen zusammenzufassen, zu vereinfachen und somit transparenter und effektiver zu machen. Die Eingliederungshilfe hat im Sozialhilferecht mit seinem Nachranggrundsatz als sogenannte Hilfe in besonderen Lebenslagen nichts verloren. Kompetenzstreitigkeiten zwischen Leistungsträgern darf es nicht mehr geben. Deshalb fordert die FDP im Rahmen ihres Bürgergeldkonzepts einen zusätzlichen Bürgergeldanspruch für Menschen mit Behinderungen bzw. deren Angehörige. Dieser wird nach dem Grad der Behinderung in mehrere Stufen gestaffelt.
Gerne stehe ich Ihnen für weiter Fragen zur Verfügung.
Mit freundlichen Gruessen
Ralf Marohn
Ihr FDP-Bundestagskandidat