Frage an Rainer Matheisen von Paul K. bezüglich Öffentliche Finanzen, Steuern und Abgaben
Seit Adenauer sagen alle Politiker, man solle für´s Alter vorsorgen, daher wurde und wird die Anschaffung von Wohneigentum gefördert. Straßenbau-Beiträge kommen oft einer Enteignung gleich und pervertieren diese Form der Altersvorsorge. Zudem werden Straßen ja nicht nur von den Anwohnern, sondern von der Allgemeinheit genutzt. Zusätzlich fließen Straßenbau-Beiträge in die Mieten ein und treiben diese in die Höhe. Viele Bundesländer haben daher die ungerechte Umlage bereits abgeschafft. Laut Grundgesetz soll der Staat für gleichwertige Lebensverhältnisse in ganz Deutschland sorgen, wenn aber Menschen das zweite Standbein ihrer Altersversorgung in einigen Bundesländern genommen wird, in anderen aber nicht, wo bleibt dann die Gleichwertigkeit? Der Bund der Steuerzahler sammelte kürzlich in NRW mehr als 500.000 Unterschriften für die Abschaffung dieser Umlage, trotzdem wird dieser Wählerwunsch weiterhin ignoriert. Ist ein solches Verhalten für "Volks"-Parteien, die sich "christlich" oder "sozial" nennen, angemessen?
fragt Paul Koschel, Georgstr. 1, 59174 Kamen-Heeren
Sehr geehrter Herr Koschel,
haben Sie vielen Dank für Ihre Nachricht.
Gerade weil die NRW-Koalition aus CDU und FDP erkannt hat, dass die Straßenausbaubeiträge eine große Belastung darstellen und etwa die Altersvorsorge gefährden ist die NRW-Koalition die erste, die sich in den letzten 50 Jahren dem Thema Straßenausbaubeiträge widmet.
Im Wesentlichen finden nämlich die Normen des KAG seit einem halben Jahrhundert unverändert Anwendung. SPD-geführte Landesregierungen haben in der Vergangenheit den notwendigen Modernisierungsbedarf nicht nur stillschweigend hingenommen, sondern sogar aktiv eine bürgerfreundliche und transparente Anpassung des KAG an geänderte Rahmenbedingungen verhindert. Noch im Januar 2017 hatte sich die SPD-Fraktion gegen einen Neuregelungsbedarf ausgesprochen.
Die NRW-Koalition aus CDU und FDP hat hingegen den Reformbedarf beim den Straßenausbaubeiträgen erkannt und das Beitragsrecht im Kommunalabgabengesetz (KAG) modernisiert. In der breiten Diskussion im Zuge der Reformbemühungen im nordrhein-westfälischen Landtag und in der Öffentlichkeit wurde deutlich: Kritisiert werden hohe Beiträge, durch die Eigentümer von Immobilien finanziell überfordert werden. Die Kommunen haben aber auch auf ihre Finanzhoheit und die Notwendigkeit für Investitionen in die Infrastruktur hingewiesen. Das Ziel der NRW-Koalition ist es, die finanzielle Überforderung von Betroffenen künftig zu verhindern sowie die Kommunen beim Erhalt einer zukunftsfähigen Infrastruktur zu unterstützen. Dabei gilt es, haushaltspolitisch seriös zu bleiben. Ein diesen Zielen entsprechendes Gesetz wurde durch den Landtag NRW am 18.12.2019 angenommen.
Die Veränderungen des Gesetzes stellen einen Kompromiss dar, der die finanzielle Überforderung von Eigentümern zukünftig verhindert, aber auch die haushaltspolitische Realität des Landes im Blick behält. Die NRW-Koalition aus FDP und CDU hat entschieden, durch eine Förderung des Landes die Beitragszahler zu entlasten und die daraus resultierenden Mindereinnahmen für die Kommunen zu kompensieren. Damit werden die berechtigten Interessen von Beitragszahlern und Kommunen berücksichtigt. Zudem wird das Gleichgewicht zwischen Straßenausbaubeiträgen und erbrachter Leistung wieder hergestellt.
Über das beschlossene Förderprogramm können Kommunen die Hälfte der nach ihrer örtlichen Satzung zu erhebenden Straßenbaubeiträge aus Landesmitteln erhalten. Sie müssen den Beitragsbescheid an die Anlieger um diese Höhe reduzieren. Jeder Cent kommt damit bei den Bürgerinnen und Bürgern an und bedeutet eine Reduzierung der Beiträge um die Hälfte.
Von Seiten diverser Bürgerinitiativen sowie durch die Opposition im Landtag NRW wurde die Streichung der Straßenausbaubeiträge gefordert. Würde der Landtag den § 8 KAG ersatzlos streichen, müsste das Land den Kommunen die Einnahmeausfälle ersetzen (Konnexitätsausführungsgesetz, KonnexAG). Im Beratungsverfahren zur Gesetzesänderung ist deutlich geworden, dass die durch Befürworter der ersatzlosen Streichung veranschlagte Summe von ca. 127 Mio. Euro im Jahr nicht ausreichen würde. Die ersatzlose Streichung der Straßenausbaubeiträge würde also ein großes Loch in den Landeshaushalt reißen, das ausgeglichen werden müsste. Angesichts der vielfältigen anstehenden Herausforderungen (Reform der Kita-Finanzierung, Umstellung von G8 auf G9, angestrebte Investitionen in den Breitbandausbau, etc.) sowie der Gesamtschulden des Landes (ca. 144 Milliarden Euro) und der Kommunen (ca. 60 Milliarden Euro) wäre das finanziell verantwortungslos. Die Bewältigung der Corona-Finanzschäden kommt erschwerend hinzu.
Die NRW-Koalition bleibt ihrer Linie treu. Die Modernisierung des Kommunalabgabengesetzes ist ein Kompromiss, der Bürgerinnen und Bürger entlastet, aber auch der notwendigen finanzpolitischen Verantwortung Rechnung trägt.
Mit freundlichen Grüßen
Rainer Matheisen