Frage an Rainer Gottschlich von Christian H. bezüglich Familie
Sehr geehrter Herr Gottschlich!
Wenn Sie gewählt werden: Wie werden Sie sich für die Belange von Familien, für horizontale Steuergerechtigkeit, für eine leistungs- und belastungsgerechtere und damit zukunftsfähigere Gesellschaft einsetzen? Welche Punkte vertreten Sie?
Hintergrund: Mehrere bahnbrechende Urteile des Bundesverfassungsgerichts seit 1990 sind bis heute nicht oder nur unzureichend umgesetzt worden. Genannt seien hier
- Das Urteil zum steuerfreien Existenzminimum vom 29. Juni 1990 (BVerfGE 82, 60) und
- Das „Kinderbetreuungsurteil“ vom 10. November 1998 (BVerfGE 99, 216)
Das statistische Bundesamt hatte im Jahre 2002 einen Minimalbetrag von 8000€ für das steuerfreie Existenzminimum pro Kind pro Jahr errechnet. Seit dem sind die Kosten wahrlich nicht gesunken. Hier werden Familien mit Kindern vom Staat regelrecht diskriminiert. Bitten Sie doch mal einen Ihrer Experten, dass für eine Familie mit sechs Kindern für 10 Jahre auszurechnen, wenn statt dessen nur 6000€ vom Staat „gewährt“ werden!
Dazu kommen viele weitere Belastungen durch Gebühren, die vom Bruttoeinkommen ohne Berücksichtigung von Kinderfreibeträgen erhoben werden, Ökosteuern auf Energiekosten ohne Berücksichtigung von Kinderfreibeträgen (das ist geradezu antisozial), MWSt von 19% auf Kindersachen (für Hundefutter 7%), viel zu niedriges Kindergeld, was in der Masse lediglich die Rückzahlung von zu viel gezahlten Steuern bedeutet, etc. etc.
Übrigens machten die Richter deutlich, dass schwierige Haushaltslagen keine Rechtfertigung für eine verfassungswidrige Besteuerung von Familien sind!
Über eine Antwort würde ich mich freuen und verbleibe mit freundlichen Grüßen
Ihr
Christian Haubold
(Familienvater mit sechs Kindern)
Sehr geehrter Herr Haubold,
sie haben in ihrer Aufzählung noch einiges vergessen: Wie soll man Musikunterricht für 6 Kinder bezahlen, wie den Sportverein? Was kosten die Bücher und Klassenfahrten in der Schule? Ich kenne ihre Situation bestens, hat doch mein Bruder ebenfalls 5 Kinder. In unseren Telefonaten besprechen wir häufig diese Dinge. Grundsätzlich gilt für mich: Die Familie hat aus gesellschaftlicher Sicht eine enorme Bedeutung, die gerade in Deutschland in den letzten Jahren zu sehr vernachlässigt wird und muss besonders geschützt werden. Ich möchte hier nur die Folgekosten erwähnen die dadurch entstehen, dass sich viele Behörden mit Kindern beschäftigen müssen, für die Erwachsene nicht ausreichend Zeit hatten, oder weil schlicht finanzielle Mittel gefehlt haben, um eine kindgerechte Förderung zu ermöglichen. Wir klagen immer über die "kinderlose" Gesellschaft, wirkliche Änderungen gelingen der Politik nur wenige.
Ich halte es für selbstverständlich, dass Familien mit z. B. 4 Kindern und mehr bis zu einem bestimmten Einkommen steuerfrei zu stellen sind. Ob das nun 50 Tsd. oder 40 Tsd. Euro sind, da müsste man zunächst sehen, wo man die meisten Familien effizient erreicht. Mein Bruder und ich haben ein vergleichbares Einkommen. Er hat 5 Kinder, wir ein Kind. Beide tragen wir ungefähr die gleiche Steuerlast. Das kann und darf so nicht sein! Für mich ist zudem wichtig, mittelfristig vom Kindergarten bis zum Studium Bildung frei zu stellen. Das ist jedoch so schnell nicht möglich, weil die öffentlichen Haushalte derzeit große Probleme mit Zahlungs_verpflichtungen_ haben. Aber auch das kann Politik gestalten (siehe meine letzte Antwort bei abgeordnetenwatch.de).
Bei der Ökosteuer sind wir nicht einer Meinung. Hier geht es konkret um eine verbrauchsorientierte Steuer. Wer viel fährt muss auch mehr zahlen. Nur so gelingt es, die Menschen zu einem umweltbewussten Umgang mit der Natur zu sensibilisieren. Sinnvoll ist m. E. hier, den ÖPNV so attraktiv zu machen, dass Kinder und Jugendliche kostenlos zu ihren Nachmittagsveranstaltungen fahren können. Gerade bei 6 Kindern würden da im Oberbergischen einige Fahrten zusammen kommen.
Gerade in Nümbrecht haben wir gesehen was passiert, wenn man das "finanziell gesteuerte" Umweltbewusstsein aufhebt. Wir hatten in Nümbrecht ein sehr gutes Müllkonzept mit einer bestimmten Anzahl Abholungen. Diese wurde im Jahr 2008 aufgehoben (gegen unsere Stimmen), was dazu geführt hat, dass sich das Müllaufkommen innerhalb eines Jahres verdoppelt hat. Hier halte ich eine verbrauchsorientierte Steuerung für richtig und wichtig.
Ich hoffe, ihnen damit meine Position erläutert zu haben.
Herzliche Grüße
Rainer Gottschlich