Frage an Pia Zimmermann von Johanna W. bezüglich Soziale Sicherung
Sehr geehrte Frau Zimmermann,
in der Tat handelt es sich nicht um eine Frage, sondern vielmehr um eine Art Beschwerde.
Wenn man ALG II bezieht und im selben Monat ALG I zufließt, dass sich auf einen bereits vergangenen und nicht den laufenden Monat bezieht, so wird das ALG I auf das ALG II angerechnet. Lediglich der Freibetrag steigt laut EStG auf 200 Euro. Das Zuflussprinzip gilt uneingeschränkt, man ist beim ALG I schlechter gestellt.
Andersherum jedoch wird ALG II, auch wenn man ALG I, bei dem der Anspruch im gleichen Monat erworben wurde, erst im folgenden Monat erhält, nach dem Leistungsprinzip behandelt und mit dem ALG I verrechnet. Auch hier ist der Arbeitslose wieder schlechter gestellt.
Was werden Sie diesbezüglich unternehmen? Es gilt anscheinend nicht "in dubio pro Arbeitnehmer", sondern eher "in dubio contra...". Egal, wie es läuft, man kann hier immer nur verlieren.
Mein Anwalt hat mir geraten, mich diesbezüglich an Sie zu weden.
Mit freundlichen Grüßen
Dr. J. W.
Sehr geehrte Frau W.,
vielen Dank für Ihre Nachricht.
Ich kann Ihren Ärger sehr gut nachvollziehen. Die Anrechnungsvorschriften sind gegenwärtig sehr streng ausgestaltet und führen dazu, dass viele Menschen trotz Alg I nicht vor Armut und Ausgrenzung geschützt sind.
Für DIE LINKE ist dies aber nicht der eigentliche Skandal bei Hartz IV, sondern viel grundsätzlicher die Tatsache, dass die Regelsätze des Alg II gezielt kleingerechnet werden. Denn nicht alle Alg-II-Beziehenden verfügen über ein zusätzliches Einkommen. Das Existenzminimum muss aber für alle gewährleistet sein. Wenn die Regelsätze korrekt berechnet wären, dann wäre für alle Alg-II-Beziehenden das menschenwürdige Existenzminimum gesichert - für Personen mit zusätzlichem Alg-I-Anspruch und für Personen, die auf Alg II angewiesen sind.
Wie die Regelsätze kleingerechnet werden, hat z.B. Monitor gezeigt: https://www.youtube.com/watch?v=Ml_cVzQccEk
Irene Becker hat es in einem Gutachten für uns im Detail erklärt, das im Internet zu finden ist: https://www.linksfraktion.de/themen/nachrichten/detail/nach-gutduenken-klein-gerechnet/
Wir sind daher der Auffassung, dass Korrekturen bei den Anrechnungsregeln nicht ausreichen. Wir fordern, dass Hartz IV durch eine bedarfsdeckende, individuelle und sanktionsfreie Mindestsicherung in Höhe von derzeit 1.050 Euro monatlich (inklusive Miete) ersetzt wird. Jegliche Sanktionen und andere Kürzungsmöglichkeiten sollen ausgeschlossen sein. Dafür haben wir den Antrag „Der Armut in Deutschland den Kampf ansagen“ in den Bundestag eingebracht (BT-Drs. 19/1687, im Internet: http://dip21.bundestag.de/dip21/btd/19/016/1901687.pdf ). CDU/CSU, SPD, FDP und AFD haben dagegen gestimmt, die Grünen haben sich enthalten.
Als Zwischenforderung wollen wir, dass das Existenzminimum nicht weiter kleingerechnet wird und die ALG-II-Regelsätze sofort erhöht werden. Wenn das Konzept der Bundesregierung methodisch sauber angewendet wird, ergibt sich ein Betrag von derzeit 582 Euro (zuzüglich Miete). Den Antrag „Sozialstaat stärken – Hartz IV sofort auf 582 Euro erhöhen“ (BT-Drs. 19/10621; im Internet: https://www.linksfraktion.de/nc/parlament/parlamentarische-initiativen/detail/sozialstaat-staerken-hartz-iv-sofort-auf-582-euro-erhoehen/) Über diesen Antrag wurde noch nicht entschieden.
Wir werden uns auch weiterhin für ein Existenzminimum, das diesen Namen wirklich verdient, starkmachen. Dafür brauchen wir aber auch Druck aus der Gesellschaft. Wir können daher nur empfehlen, sich einer Gruppierung anzuschließen, die für die Rechte von Erwerbslosen kämpft. Im Internet finden Sie auf https://www.my-sozialberatung.de/adressen/@@suche eine Reihe von lokalen Initiativen. In den Landesverbänden der LINKEN gibt es meist eigenständige Arbeitsgemeinschaften zu Hartz IV. Außerdem gibt es in vielen Städten Erwerbslosenausschüsse der Gewerkschaft ver.di.
Mit freundlichen Grüßen
Pia Zimmermann