Pia Zimmermann, MdB
Pia Zimmermann
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Frage von Wilfried M. •

Frage an Pia Zimmermann von Wilfried M. bezüglich Gesundheit

Sehr geehrte Frau Zimmermann,
nach je 22 Jahren ärztlicher Tätigkeit in der DDR und danach fordert der (politischer Vereinnahmung völlig unverdächtige) Bützower Internist Dr. med. BUHR ein anderes Gesundheitssystem und erinnert an die ärztliche Verantwortung, die ihm kein Politiker abnehmen könne. Er wendet sich klar gegen die Ökonomisierung im Gesundheitswesen (1).

Dr. med. DÖLLEIN, Neuöttinger Facharzt für Allgemeinmedizin und CSU-/Stadtrats- Mitglied, war schon 2008 durch einen -u.a. bei den "Nachdenkseiten veröffentlichten- Brief bekannt geworden, in dem er sich scharfsinnig mit den vermittels Wortgeklingel über uns gebrachten Verhältnissen im Gesundheitswesen befaßte.
Er erkannte u.a. richtig, daß die damalige Gesundheitsministerin mit ihrer Propaganda zugunsten der Einführung von MVZ einen entscheidenden Unterschied zu den Ambulanzen der DDR "vergaß"(Volkseigentum -bei Dr. Döllein: "Staatsbesitz"- der Ambulanzen vs. "MVZ in den Händen monopolistischer Konzerne", welche "die Gesundheitsausgaben sicher ans Limit treiben und auch mit den Patientendaten noch Geschäfte gemacht werden." (2)
Die "ganzen Ziele dieser entsolidarisierten Übernahme der Bevölkerung" seien - zumal via Propaganda der Bertelsmann-Stiftung- "den Politikern damals von den Initiatoren angepriesen worden mit den Begriffen Vernetzung, Qualitätssteigerung, Kommunikationssteigerung und so weiter."

Der "extrem apodiktische Anspruch und die verlockenden Heilsbotschaften" erinnerte D. Döllein "leider an die Ideen von Scientology".

Meine Fragen:
1. Wie beurteilen Sie das Wesen des real existierenden Gesundheitssystems (gemessen am ärztlichen Ethos)?
2. Handelt es sich womöglich um einen riesigen -strategischen- Betrug zugunsten weniger Leute?
3. Ist eine radikale Wende erforderlich?

Mit freundlichen Grüßen
Dipl. med. W. Meißner
Anti-Korruption . Reformation 2014 e.V.
1) "Das Nächste, bitte. Arzt in zwei Systemen" Verlag am Park, Berlin, S. 131 ff
2) http://www.nachdenkseiten.de/?p=2965

Pia Zimmermann, MdB
Antwort von
DIE LINKE

Sehr geehrter Herr Meißner,

auch DIE LINKE formuliert eine klare Kritik an der Ökonomisierung des Gesundheitswesens und des Pflegebereichs. Wettbewerb in der Gesundheitsversorgung führt dazu, dass viele Akteure nicht im Interesse der Patientinnen und Patienten, sondern im eigenen Interesse handeln. Ärztinnen und Ärzte verkaufen dagegen verstärkt Leistungen, die überwiegend medizinisch nicht sinnvoll sind (sog. Individuelle Gesundheitsleistungen, IGeL). Die Beschäftigten in Krankenhäusern oder Pflegeeinrichtungen bekommen den Wettbewerbsdruck durch enorme Arbeitsverdichtung zu spüren. Wettbewerb führt nicht zu einer höheren Versorgungsqualität – im Gegenteil. Der Gesundheitssektor wird als lukrativer Markt angesehen, auf dem private Investoren neue Geschäftsfelder für sich und ihre Aktionäre aufbauen. Patientinnen und Patienten werden so zu Kundinnen und Kunden, Gesundheit zu einer Ware, das Gesundheitssystem zu einem Markt.

Die Fraktion DIE LINKE bekämpft die Bestrebungen zur Kommerzialisierung im Gesundheitssystem. Wir haben viele Vorschläge, wie eine bedarfsgerecht organisierte medizinische und pflegerische Versorgung gestaltet werden kann (vgl. bspw. unser Antrag - Wohnortnahe Gesundheitsversorgung durch bedarfsorientierte Planung sichern: http://dip21.bundestag.de/dip21/btd/18/041/1804187.pdf; Antrag - Krankenhäuser gemeinwohlorientiert und bedarfsgerecht finanzieren : http://dip21.bundestag.de/dip21/btd/18/063/1806326.pdf; oder Antrag - Menschenrecht auf gute Pflege verwirklichen – Soziale Pflegeversicherung solidarisch weiterentwickeln: http://dip21.bundestag.de/dip21/btd/18/019/1801953.pdf) und auch ein Konzept für die solidarische Finanzierung.
Gerade für letzteres ist gar keine „radikale Wende“ notwendig, nach der Sie fragen. Im Kern geht es uns mit der solidarischen Bürgerinnen- und Bürgerversicherung eigentlich nur darum, das Solidarsystem gerecht weiter zu entwickeln. Konkret heißt das: Alle Menschen – auch heute privat Versicherte – zahlen den gleichen Anteil ihres Einkommens ein, unabhängig davon, ob es aus Löhnen, Unternehmensgewinnen oder Kapitalerträgen bezogen wird. Arbeitgeber werden zur Hälfte beteiligt. Rentnerinnen und Rentner zahlen nur den halben Beitragssatz; die andere Hälfte wird aus der Rentenversicherung beglichen. Weil Sie in Ihrem Anschreiben Bezug nehmen auf die Medizinischen Versorgungszentren möchte ich auch hierzu ein paar Sätze verlieren: Wir befürworten die Förderung poliklinischer Strukturen für eine moderne integrierte Versorgung. Medizinische Versorgungszentren (MVZ) bieten die Möglichkeit für eine kooperative interdisziplinäre und patientenorientierte Zusammenarbeit der ärztlichen Fachgruppen. Viele freiberufliche Ärztinnen und Ärzten scheuen sich davor, eine Praxis insbesondere in unterversorgten ländlichen Regionen zu eröffnen oder zu übernehmen. Ein Ausbau des Öffentlichen Gesundheitsdienstes oder MVZ in öffentlicher Hand können dafür sorgen, dass insbesondere junge Medizinerinnen und Mediziner attraktive Arbeitsplätze im ländlichen Raum erhalten. Angestelltenverhältnisse sind vor allem für jüngere Ärztinnen und Ärzte oft interessanter als die Niederlassung. Insofern können MVZ einen wichtigen Beitrag zur Versorgungssicherung in strukturschwachen Regionen leisten. Die Trägerschaft von Medizinischen Versorgungszentren (MVZ) durch große Kapitalgesellschaften lehnen wir ganz klar und deutlich ab. Die Versorgungsqualität, nicht aber Renditeerwartungen von Aktionären sollten das Versorgungsgeschehen bestimmen. Kurz gesagt: Qualität, Kooperation und Patientenorientierung statt Wettbewerb und Marktorientierung.

Mit freundlichen Grüßen,
Pia Zimmermann