Warum sind alte Prüfungenaufgaben nicht digital und frei zugänglich?
Für die Prüfungsvorbereitung eignen sich Aufgaben und Lösungen aus den Vorjahren besonders gut. Sie zeigen den Schüler*innen, was von ihnen erwartet wird. Allerdings weigern sich die meisten Bundesländer, die alten Aufgaben frei, digital und öffentlich zur Verfügung zu stellen – angeblich steht dem das Urheberrecht im Weg. Ob und wie Schüler*innen überhaupt an Aufgaben und Lösungen aus den Vorjahren kommen, ist in allen Bundesländern unterschiedlich. In mindestens acht Bundesländern, so unsere Recherchen, verschenken oder verkaufen Kultusministerien die Lizenz, die Aufgaben zu veröffentlichen, sogar an Verlage. Aufgaben, die immerhin mit öffentlichen Mitteln erstellt wurden.
Mit dieser Ungerechtigkeit muss Schluss sein! Schüler*innen aller Schulformen und aus allen Bundesländern haben das gleiche Recht, sich selbstständig mit frei zugänglichen Aufgaben aus Vorjahren auf eine der entscheidendsten Prüfungen ihres Lebens vorzubereiten.
Das Kultusministerium stellt landeseinheitlich die Prüfungsaufgaben für die schriftliche Abiturprüfung. In den KMK-Abiturfächern (Deutsch, Mathematik, Englisch und Französisch) werden Aufgaben vom Institut zur Qualitätsentwicklung im Bildungswesen (IQB) in Berlin für den ländergemeinsamen Aufgabenpool erstellt. Baden-Württemberg wählt Aufgaben aus diesem Pool für den Einsatz im Abitur in Baden-Württemberg aus.
Das Institut für Bildungsanalysen Baden-Württemberg (IBBW) stellt den Schulen die eingesetzten Aufgaben nach Beendigung der schriftlichen Abiturprüfung zur Verfügung. Von den Lehrkräften der Abschlussklassen können diese Aufgaben im Unterricht und zur Vorbereitung auf die Abiturprüfung genutzt werden. Zudem veröffentlicht das IQB eingesetzte Aufgaben des ländergemeinsamen Aufgabenpools, vorausgesetzt, es liegen für die urheberrechtlich geschützten Materialien, die den Aufgaben zugrunde liegen, die entsprechenden Nutzungsrechte vor.
Maßgeblich für die Nutzung von urheberrechtlich geschützten Prüfungsaufgaben ist das Urheberrechtsgesetz. Eine Rechteübertragung, die durch das Land gewährt wird, kann sich aus urheberrechtlichen Gründen nur auf die Teile der Aufgaben beziehen, an denen dem Land das Nutzungsrecht zusteht. Das Regierungspräsidium Stuttgart hat eine landesweite Vor-Ort-Zuständigkeit für die urheberrechtliche Zustimmung zur Veröffentlichung von Prüfungsaufgaben. In den Vereinbarungen mit den Verlagen wird u. a. geregelt, dass sich die Nutzungsrechte nur auf die Teile beziehen, an denen dem Land ein alleiniges Nutzungsrecht zusteht, nicht jedoch auf die enthaltenen urheberrechtlich geschützten Fremdtexte. Die Nutzungsrechte an den Fremdtexten sind insoweit durch den Schulbuchverlag beim jeweiligen Rechteinhaber zu erwerben.