Frage an Peter Ramsauer von Klaus de L. bezüglich Verkehr
Sehr geehrter Herr Ramsauer,
warum behaupten Sie, die Zahl der getöteten Radfahrer sei auf 450 gestiegen, wo doch das Statistische Bundeamt ein Absinken um über 8% auf 381 Tote ausweist?
Können Sie ihre Hoffnung, eine Fahrradhelmpflicht würde die Zahl der Toten deutlich nach unten bewegen, mit validen Daten belegen, wenn ja, mit welchen?
Warum streben Sie kein Tempolimit auf 30 innerorts an, um die Sicherheit der schwachen Verkehrsteilnehmer (es starben auch 476 Fußgänger) insbesamt zu verbessern?
Da ich auf ähnlich gestellte Fragen, die ich am 7.10 über ihre Homepage gestellt habe, bisher keine Antwort erhielt, bitte ich um besonders zügige Bearbeitung.
Mit freundlichen Grüßen
Klaus de Leuw
Sehr geehrter Herr de Leuw,
vielen Dank für Ihre Anfrage, die Sie über abgeordnetenwatch.de an mich gerichtet haben.
Ich freue mich, dass auch Sie das Thema "Helmpflicht" aufgegriffen und dazu ihre Meinung mitgeteilt haben. Die Widerspiegelung aller Meinungen, Vorschläge und Anregungen ist für unsere Arbeit im Bundesministerium für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung sehr wichtig.
Zunächst möchte ich Folgendes festhalten: Es ist eine erfreuliche Entwicklung, dass das Radfahren in den letzten Jahren so eine große Resonanz in der Bevölkerung gefunden hat und damit die Radfahrerinnen und Radfahrer zu einer beachtlichen Gruppe von Verkehrsteilnehmern geworden ist. Mittlerweile gibt es in Deutschland ca. 73. Mio. Fahrräder.
Die Aufgabe des Bundesministeriums für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung ist es, für Radfahrer und Fahrräder den rechtlichen Rahmen - vor allem bezüglich der Straßenverkehrsordnung (StVO) und der Straßenverkehrs-Zulassungs-Ordnung (StVZO) - zu erweitern und zu präzisieren und dadurch gleichzeitig für mehr Verkehrssicherheit zu sorgen. Aber auch die Erstellung des Technischen Regelwerkes zum Bau von Radwegen ist für mich ein wichtiges Anliegen. Um die Attraktivität des Radfahrens zu erhöhen, gilt es ebenso Kampagnen, Projekte und Pläne umzusetzen. Neben einer ökologischen Mobilität sind auch festzustellende gesundheitliche positive Nebeneffekte von Nutzen. Ich möchte selbstverständlich auch, dass alle Radfahrer - ob jung oder alt - ihr Ziel verkehrssicher erreichen.
So wie vor Jahrzehnten beim Motorradfahren die Helmpflicht oder die Gurtpflicht zur Diskussion stand, wurde jetzt die Helmpflicht für Radfahrer in den Mittelpunkt der Gespräche gerückt. Die spontane Diskussion "PRO" und "KONTRA" sollte aber auf alle Fälle detaillierter in Augenschein genommen werden. Gerade bei der Verkehrserziehung der Kinder sollte auf das selbstverständliche Tragen von Helmen hingewirkt werden, eben auch durch die Vorbildwirkung der Erwachsenen.
Sehr geehrter Herr de Leuw,
ich bin sehr interessiert und gespannt über weitere Diskussionen "Rund um die Helmpflicht". Ich würde mich freuen, wenn es ohne Pflicht zur Selbstverständlichkeit wird, einen Helm zu tragen. Auf diese Weise wäre letztlich ein Schritt getan, damit die Zahl der schweren Unfälle mit Toten und Verletzten auch unter den Radfahrern weiter sinkt. Mir ist aber auch bewusst, dass ergänzend die Einhaltung aller straßenverkehrsrechtlicher Vorschriften - besonders der StVO - maßgeblich zur Verkehrssicherheit mit beitragen wird. In unserem neuen Verkehrssicherheitsprogramm ist dieses Thema natürlich auch enthalten. Im Mittelpunkt sollen zukünftig Aufklärung- und Überzeugungskampagnen stehen, um das freiwillige Tragen von Fahrradhelmen (insbesondere bei Kindern und Jugendlichen) weiter zu fördern.
Sehr geehrter Herr de Leuw,
zu Ihrer Frage nach Einrichtung von Tempo-30-Zonen innerorts möchte ich Ihnen gerne Folgendes erläutern:
Grundsätzlich gilt: Nach 45 Abs. 1 Straßenverkehrs-Ordnung (StVO) können die Straßenverkehrsbehörden der Länder die Benutzung bestimmter Straßen oder Straßenstrecken aus Gründen der Sicherheit oder Ordnung des Verkehrs beschränken oder verbieten und den Verkehr umleiten. Das gleiche Recht haben sie z. B. auch gemäß 45 Abs. 1 Nr. 3 StVO zum Schutz der Wohnbevölkerung vor Lärm und Abgasen. Der Vollzug der StVO, also die Anordnung von bestimmten Maßnahmen, fällt wegen der Kompetenzverteilung im Grundgesetz (Art. 83 und 84 GG) in die ausschließliche Zuständigkeit der Straßenverkehrsbehörden der Länder. Dabei üben die zuständigen Behörden ihr Ermessen aus. Im Rahmen einer Gesamtgüterabwägung, u. a. unter Berücksichtigung der Widmung einer Straße, entscheiden die Behörden nach Prüfung der Gegebenheiten vor Ort. Der Bund hat keine Eingriffs- und Weisungsrechte. Alle Verkehrsbeschränkungen sind nur in dem Umfang möglich, wie sie die widmungsgemäße Nutzung der Straße nicht in Frage stellen. Es gilt der Vorrang des Straßenrechts vor dem Straßenverkehrsrecht. Sollte bei Bundesfernstraßen durch die Anordnung einer verkehrsbeschränkenden Maßnahme die Straßennutzung zur Aufnahme weiträumigen Verkehrs so beeinträchtigt werden, dass diese Funktion nicht mehr erfüllt werden kann, ist die Anordnung derartiger Verkehrszeichen unzulässig. Wenn sich der Verkehr so verlagern würde, dass die Bundesfernstraßen tatschlich nicht mehr dem Fernverkehr dient oder zu dienen bestimmt ist, wäre sie in eine dem neuen Zweck entsprechende Straßenkategorie abzustufen. Bei der Anordnung von streckenbezogenen Geschwindigkeitsbeschränkungen, also auch bei der Anordnung von Tempo 30 an einer Bundesstraße innerorts, sind diese straßenrechtlichen Maßgaben durch die anordnenden Straßenverkehrsbehörden der Länder zu beachten.
Wegen der oben beschriebenen Zuständigkeitsverteilung müsste Ihre Frage an die zuständigen Straßenverkehrsbehörden gestellt werden.
Sehr geehrter Herr de Leuw,
trotz aller Erfolge bleibt die Verkehrssicherheitsarbeit eine herausragende gesamtgesellschaftliche Aufgabe, denn jeder im Straßenverkehr Getötete ist ein Getöteter zu viel. Verkehrssicherheitsmaßnahmen werden auch in Zukunft daran ausgerichtet, erreichbare Unfallreduktionspotenziale auszuschöpfen. Dabei werde ich mich auch künftig nicht an illusorischen Vorgaben orientieren, sondern im Interesse der Menschen weiter pragmatisch vorgehen, um die bestmöglichen Ergebnisse zu erzielen.
Mehr Informationen zum aktuellen Verkehrssicherheitsprogramm finden Sie auf unserer Internetseite unter folgendem Link:
http://www.bmvbs.de/SharedDocs/DE/Pressemitteilungen/2011/222-ramsauer-verkehrssicherheitsprogramm-2011.html
Mit freundlichen Grüßen
gez. Dr. Peter Ramsauer