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Frage von Ulrich B. •

Frage an Peter Gauweiler von Ulrich B. bezüglich Gesellschaftspolitik, soziale Gruppen

Sehr geehrter Herr Dr. Gauweiler,

erfreulicherweise reichten Sie - ganz im Sinne der Mehrheit der deutschen Bevölkerung - gegen die geplante EU-Verfassung (bzw. den Lissaboner Vertag) Klage ein !

Wie sehen Sie eigentlich die Zwangsmitgliedschaft zur Industrie- und Handelskammer, welche von der überwiegenden Mehrheit der deutschen Unternehmer aus guten Gründen strikt abgelehnt wird ?

Die niedrigen Wahlbeteiligungen zu IHK-Vollversammlungen, welche bundesweit fast nirgends mehr über 10 % liegen, sprechen ja auch eindeutig für die ablehnende Haltung der Zwangsmitglieder.
Falls Sie es nicht wissen sollten, die Münchener IHK hatte zuletzt nur 6,27 % Wahlbeteiligung, und z. B. bei der Berliner IHK waren es im Jahre 2007 gerade mal knappe 4,5 % !
Bei solch niedrigen Wahlbeteiligungen kann man IHKn doch nun wirklich nicht mehr als "Selbstverwaltung der Unternehmer" bezeichnen, oder ?

Allein schon wegen einer Gleichbehandlung in der EU müsste die IHK-Zwangsmitgliedschaft in Deutschland wohl schnellstens abgeschafft werden, oder ?
Dass 19 der derzeit 27 EU-Staaten ohne Zwangsmitgliedschaften zu Handelskammern bestens zurecht kommen zeigt doch, dass es ohne Zwang geht.

Wie sehen Sie die Chancen, dass wir uns dieses speziellen deutschen Übels per Klage vor dem EuGH entledigen können ?

Vielleicht darf ich Ihnen hiermit auch mal www.kammerwatch.de empfehlen ?
Dort können Sie gute Informationen zum Thema bekommen.

Mit freundlichen Grüssen

Ulrich Britzelmair, Sielenbach bei Aichach

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Antwort von
CSU

Sehr geehrter Herr Britzelmair,

vielen Dank für Ihre freundlichen Wort zu meiner Klage gegen den Lissabon-Vertrag. Das Bundesverfassungsgericht hat in Sachen IHK in einigen Entscheidungen die Zwangsmitgliedschaft in Kammern wie der IHK zulässig erklärt, zuletzt in Bezug auf die IHK im Beschluss vom 7.12.2001. Damit steht fest, dass diese nicht gegen die deutsche Verfassung und deutsches Recht verstoßen. Eine Kammermitgliedschaft hat nach Auffassung des Gerichts eine freiheitssicherende und legitimatorische Funktion und stellt gleichzeitig eine Chance zur Beteiligung und Mitwirkung an staatlichen Entscheidungsprozessen dar. Das Bundesverfassungsgericht hat aber auch klar gemacht, dass die IHK die Grenzen ihrer Aufgaben beachten muss.

Die IHKs als öffentlich-rechtliche Selbstverwaltungskörperschaften, nehmen eine Reihe von Aufgaben wahr, die ansonsten durch staatliche Stellen übernommen werden müssten. Will man die Zwangsmitgliedschaft in den IHKs abschaffen, muss man konsequenterweise auch darauf hinweisen, dass danach für etliche Leistungen an die dann ausführenden Stellen gezahlt werden müssen. Die ist nicht in jedem Fall kostengünstiger und nicht zwingend effektiver.
Gerade im Bereich der Berufsausbildung leisten die Kammern einen beachtlichen Beitrag, indem sie eine vergleichbare Ausbildung schaffen, von der jeder Betrieb profitiert, wenn er einen Arbeiter oder Angestellten einstellt, der seine Ausbildung nicht im eigenen Unternehmen absolviert hat.

Die möglichen Erfolgsaussichten einer Klage gegen die Zwangsmitgliedschaften in Kammern vor dem EuGH bzw. dem EuGH lassen sich im Vorfeld noch schwieriger vorhersagen, als die der obersten deutschen Gerichte, so dass eine Aussage diesbezüglich nicht möglich ist.

Mit freundlichen Grüßen

Dr. Peter Gauweiler