Frage an Peter Gauweiler von Alexander S. bezüglich Gesellschaftspolitik, soziale Gruppen
Sehr geehrter Herr Dr. Gauweiler,
wie Ihnen bekannt sein müsste, hat das Bundesverfassungsgericht das bestehende Wahlrecht
für verfassungswidrig erklärt und die Politik bis zum 1. Juli 2011 aufgefordert, das Wahlrecht in einem verfassungskonformen Zustand zu ändern. Die Politik ist bis dem nicht nachgekommen, was beschämend ist. Gibt es im Bundestag im Moment Initiativen, hier etwas zu bewegen? Falls nein, bitte ich Sie, dieses Thema unbedingt aufzugreifen. Was wäre eigentlich, wenn es bis zur nächsten Bundestagswahl kein verfassungskonformes Wahlrecht gäbe? Meiner Ansicht besteht dann die Gefahr, dass gegen das Wahlergebnis geklagt werden kann und die Wahl für schlichtweg ungültig erklärt wird. Wo kommen wir dann hin? Das Ende der Demokratie?
Ein weiteres Anliegen:
Art 146 GG:
"Dieses Grundgesetz, das nach Vollendung der Einheit und Freiheit Deutschlands für das gesamte deutsche Volk gilt, verliert seine Gültigkeit an dem Tage, an dem eine Verfassung in Kraft tritt, die von dem deutschen Volke in freier Entscheidung beschlossen worden ist."
Wann wird es dem deutschen Volk eigentlich gestattet, über die Verfassung in einer freien Abstimmung zu entscheiden? Dieser Schritt ist seit nun mehr 21 Jahren überfällig.
Ich bitte Sie, diese Thematik im Bundestag zur Sprache bringen.
Die meisten Bürger wünschen sich eine Verfassung, die eindeutig die Bürgerrechte stärkt und
die über jegliche vermeintliche Terrorgefahren erhaben sind.
Zur Eurorettung:
Ich weise Sie darauf hin, dass die Maßnahmen, die zur Eurorettung schlichtweg rechtswidrig sind.
Es ist nicht mehr hinnehmbar, dass Banken auf Kosten des Steuerzahlers gerettet werden.
Der Beitrag der Banken ist nicht ausreichend. Ich bitte außerdem, langfristige Lösungen zur Finanzkrise zu erarbeiten. Die Frage stellt sich, wann Griechenland oder andere Länder die nächsten Gelder brauchen. Diese Durchwurschtel-Pragmatismus muss ein Ende gesetzt werden.
Mit freundlichen Grüßen
Alexander Schönl
Sehr geehrter Herr Schönl,
die Politik hat sich mit der Umsetzung der Vorgaben des Verfassungsgerichtes sehr viel Zeit gelassen, da die verschiedenen Lösungsmodelle intern sehr kontrovers diskutiert wurden. Inzwischen hat der Bundestag letzte Woche eine Wahlrechtsänderung beschlossen, um den Vorgaben des Verfassungsgerichtes gerecht zu werden. Da die Opposition eine verfassungsrechtliche Überprüfung angekündigt hat, dürfte hier noch nicht das letzte Wort gesprochen sein.
Art. 146 ist nach wie vor aktuell und wird nach dem von mir erstrittenen Lissabon-Urteil und der Entscheidung des Gerichtes über den "Rettungsschirm" in Form einer Volksabstimmung dann zum Tragen kommen, wenn substanzielle Souveränitätsübertragungen an die EU übertragen werden sollen oder eine europäische Wirtschaftsregierung installiert werden sollte.
Ihre Skepsis zur Bankenrettung teile ich. Bei den Bundestagsabstimmung ging es nie um die „Rettung“ einzelner EU-Mitglieder, sondern um die Rekapitalisierung von Großbanken, die sich verspekuliert haben. Die EU-Staaten – Deutschland. auch – haben es zugelassen, von diesen in eine Erpressungssituation gebracht zu werden. Die Höhe der deutschen Bürgschaft ist uferlos und übersteigt inzwischen den im letzten "Rettungsschirm"-Gesetz genannten Höchst-Betrag von 211 Milliarden € um ein Vielfaches, da Zinsen und Kosten nicht ausgewiesen sind (Schätzung der Deutschen Bank: über 400 Milliarden EURO) und Deutschland zusätzlich für die Ankäufe von „Schrottpapieren“ der Europäischen Zentralbank in Höhe von 135 Milliarden Euro mit haftet. Die tatsächliche Bürgschaftssumme übersteigt auch die Höhe des diesjährigen Bundeshaushaushalts ( 305 Milliarden EURO), wogegen das Bundesverfassungsgericht ausdrücklich Bedenken angemeldet hat.
Das Gesetz verstößt gegen alle Grundsätze der parlamentarischen Haushaltsverantwortung (Bestimmtheit, Transparenz, zukünftige Parlamentsbeteiligung). Es verletzt auch die Grundsätze der EU-Währungsverfassung (Verbot des Herauskaufens) und die Geschäftsgrundlagen des Euro (Stabilitätskriterien). Ich habe diese Gesetze im Bundestag daher abgelehnt.
Mit freundlichen Grüßen
Dr. Peter Gauweiler