Frage an Peter Gauweiler von Manfred Dr. N. bezüglich Gesellschaftspolitik, soziale Gruppen
Sehr geehrter Herr Dr. Gauweiler,
Mit dem "Kreditermächtigungsgesetz" soll der Weg bereitet werden, dass das fragwürdige Konstrukt der Europäischen Union, das sich ohnehin kaum auf den Beinen halten kann, auch noch auf den Kopf gestellt wird. Mit Ihrer Verfassungsbeschwerde haben sie das unbedingt Notwendige in die Wege geleitet. Dafür gebührt Ihnen der Respekt des ganzen Volkes.
Bei der Abstimmung in dieser wichtigen Angelegenheit haben nur ganz wenige Volksvertreter sich vom Imperativ des Grundgesetzes (Art. 38) leiten lassen, wonach sie als Abgeordnete des ganzen Volkes nur ihrem Gewissen unterworfen sind. Das nötige Maß an staatsrechtlichem Verständnis, das man bei Bundestagsabgeordneten gerne verorten würde, war bei dieser Abstimmung ausgeblendet, was sehr zu bedauern ist. Ein Affront dem Souverän gegenüber aber ist es, dass bei einer so wichtigen Entscheidung namentlich abgestimmt wird, damit die Volksvertreter darauf hin kontrolliert werden können, wie willfährig sie der Fraktionsdispziplin gehorchen. Auf diese Weise werden Abstimmungen im Bundestag zu häufig dazu mißbraucht, Ergebnisse von Elefanten- und Kuhhandelsrunden in ein Gesetz zu gießen.
Was, sehr geehrter Herr Dr. Gauweiler, müßte wo geändert werden, damit sich derartige Tragödien nicht wiederholen können, der demokratische Legitimationszusammenhang hinreichend geschützt werden kann?
Sehr geehrter Herr Dr. Neudecker,
vielen Dank für Ihr Interesse an meiner Verfassungsbeschwerde gegen das „Kreditermäßigungsgesetz“ und Ihre freundlichen Worte.
Laut Artikel 38 des Grundgesetz sind die Abgeordneten des Deutschen Bundestag ausdrücklich „an Aufträgen und Weisungen nicht gebunden und nur ihrem Gewissen unterworfen“. In der parlamentarischen Praxis dominiert (dennoch) inzwischen die sogenannte Fraktionsdisziplin. So werden beispielsweise vor wichtigen Abstimmungen von der Fraktion „Probeabstimmungen“ durchgeführt, um das voraussichtlich Abstimmungsverhalten bereits im Vorfeld einzuschätzen. Zusätzlich muss jeder Abgeordnete nach seiner Fraktionsordnung einen Tag vor der Abstimmung schriftlich anzeigen, wenn er bei der Abstimmung von der Fraktionslinie abweichen will.
Ich glaube, dass die namentliche Abstimmung für den „freien“ Abgeordneten kein Nachteil gegenüber der Abstimmung durch Handzeichen ist. Im Gegenteil : Er kann und muss gegenüber dem Bürger den er vertritt nachprüfbar dokumentieren, wofür er einsteht und kann seine Position und Bewegründe zusätzlich durch eine sogenannten „Erklärung zur Abstimmung“ schriftlich erläutern.
Um eine hohe Abhängigkeit von der Partei zu vermeiden und so derartige Fraktionsdisziplin bei einer Gesetzabstimmung zu verringern, brauchen wir ein System, in dem der Abgeordnete Bundestag und Beruf unter einen Hut bringen kann. Es ist gut wenn sich die Vertreter des Volkes aus dem bürgerlichen - vom Beruf maßgeblich mitgeprägten – Alltagsleben nicht entfernen. Volksvertreter mit einem Beruf sind nicht total wirtschaftlich und mental von den Parteien Abhängig und können freier abstimmen.
Mit freundlichen Grüßen
Dr. Peter Gauweiler