Wie viele Pflegekräfte werden durch eine berufsbezogene Impfpflicht fehlen? Können dann Menschen durch mangelnde medizinische Versorgung sterben? Was bedeutet das Gesetz für den Sozialen Frieden?
Sehr geehrte Frau Piechotta,
was geschieht, wenn die Gesundheitsämter Fachkräften und Ärzten in Altenheimen, Krankenhäusern und (Land-)Arztpraxen wegen einer berufsbezogenen Impfpflicht Berufsverbote erteilen? Und andere selber kündigen? Besteht nicht schon lange ein großer Mangel an Fachkräften in diesem Bereich? Wie kann der ausgeglichen werden? Wird so nicht der Pflegenotstand vergrößert? Vielleicht während einer „Corona Welle“? Ist es nicht im Interesse von Pflegekräften und besonders den Kranken, dass die dringend benötigten engagierten Fachkräfte weiter arbeiten können? Kann die Gesundheitsversorgung auch langfristig beeinträchtigt werden?
Geimpfte haben mehr Kontakte und merken die Ansteckung nicht so schnell. Geben sie vielleicht neue Virusvarianten (Omikron) sogar öfter weiter? Hohe, schnell steigende Infektionszahlen gab es an vielen Orten mit hohen Impfquoten. (Bremen, Portugal, Israel)
Wie lange soll eine „Booster-Impfung“ derzeit gegen schwere Verläufe schützen?
MfG
Sehr geehrter Herr G.,
vielen Dank für Ihre Nachricht.
Die einrichtungsbezogene Impfpflicht im Gesundheitssektor verfolgt einerseits das Ziel, Menschen mit hohem Risiko für einen schweren Erkrankungsverlauf, welche in Gesundheitseinrichtungen versorgt werden, besonders zu schützen. Dies sind zum Beispiel Menschen mit chronischen Erkrankungen, Menschen mit Behinderungen, Ältere oder vorerkrankte Kinder. Durch eine vollständige Impfimmunisierung wird das Risiko einer Ansteckung und Erkrankung nachweislich gesenkt (Selbstschutz), damit ebenso die Wahrscheinlichkeit, das Virus an andere weiterzugeben (Fremdschutz). An COVID-19 Erkrankte haben aufgrund von besonderen Schutzmaßnahmen einen erhöhten Behandlungsaufwand, zudem müssen viele Erkrankte auf Intensivstation betreut werden, was weitere Personalressourcen bindet. Neben dem Schutz der genannten Risikogruppen wirkt eine einrichtungsbezogene Impfpflicht damit auch der Überlastung des Gesundheitssystems entgegen. Im Gesundheitsbereich Beschäftigte mussten in den vergangenen beiden Jahren Pandemie einer deutlich höheren Arbeitslast schultern, was ebenso zu Überlastung, Ausfällen, und Kündigungen führte. Die Senkung der Krankheitslast durch eine einrichtungsbezogene Impfpflicht stellt damit auch die Aufrechterhaltung der medizinischen Regelversorgung wie zum Beispiel medizinische Notfälle, Operationen oder Vorsorgeuntersuchungen für alle Menschen sicher.
Zudem sehen wir, dass eine erwartete Kündigungswelle nach der einrichtungsbezogenen Impfpflicht bisher ausgeblieben ist. Im Gegensatz beobachten wir, dass zum Beispiel in meinem Bundesland Sachsen, mit vergleichbar niedriger Impfquote, die einrichtungsbezogene Impfpflicht zu einer deutlichen Steigerung der Impfquote beim Pflegepersonal geführt hat, Unentschlossene damit also gut erreicht werden konnten (https://www.aerzteblatt.de/nachrichten/132689/Impfquote-bei-Sachsens-Pflegepersonal-seit-Januar-deutlich-gestiegen).
Auch als Ärztin, die die akute Überlastung der Kliniken während der Corona-Wellen selbst erlebt hat, halte ich die einrichtungsbezogene Impfpflicht aktuell für eine legitime und verhältnismäßige Maßnahme.
Wie lange ein wirkungsvoller Impfschutz durch die die Booster-Impfung aufrechterhalten wird, ist noch nicht vollständig geklärt. Der Stand der medizinischen Wissenschaft ist sehr dynamisch, neue Kenntnisse kommen kontinuierlich hinzu und Anpassungen müssen deswegen im Verlauf ggf. vorgenommen werden.
Natürlich braucht es weitere Maßnahmen, um den Pflege- und Personalnotstand im Gesundheitswesen anzugehen. Die Verbesserung der Arbeitsbedingungen der Gesundheitsberufe und Pflegekräfte mit einer langfristig stabilen Finanzierung ist daher auch in unserem Koalitionsvertrag verankert und mir ein Herzensanliegen.
Mit freundlichen Grüßen
Paula Piechotta