Frage an Patrick Döring von Dirk G. bezüglich Wirtschaft
Hallo Herr Döring, erstmal Danke für Ihre Antwort.
Mir ist ein kleiner Fehler bei der Formulierung des letzten Schreibens unterlaufen. Ich meine natürlich, dass die globalisierte Wirtschaft eine zerstörerische Ideologie ist, und keine Illusion. Denn wie wir tagtäglich beobachten können, ist die globalisierte Wirtschaft eine schmerzhafte Tatsache für Millionen von Menschen auf dieser Erde. Denn nach wie vor treibt die globalisierte Wirtschaftspolitik die Schere zwischen Arm und Reich weiter auseinander, aufgrund ausbeuterischer Systeme. Das Vermögen der Dollarmillionäre beträgt mehr als 33.300 Milliarden US-Dollar - Tendenz steigend. Gleichzeitig leben 2,8 Milliarden Menschen von weniger als 2 Dollar pro Tag. Die sich öffnende Verteilungsschere ist Ausdruck der gleichen wirtschaftlichen Dynamik. Im Zuge der Globalisierung ist ein neuer Typus von Wirtschaften entstanden, der von den Finanzmärkten getrieben wird und der sich allein an der Vermehrung der Vermögen orientiert. Die Konzentration des Reichtums in immer weniger Hände hat sich zu einer zerstörerischen Kraft für die Gesellschaften entwickelt. Dieses System ordnet Mensch, Umwelt und Demokratie den Profitinteressen unter.
Diese Welt gehört uns allen hier auf dieser Erde existierenden Lebewesen, nicht den Konzernen und schon gar nicht einigen wenigen Industrienationen .
Wie denken Sie, Herr Döring, über all dies?
Herzliche Grüße
Dirk Gebauer
Sehr geehrter Herr Gebauer,
vielen Dank für Ihre kritischen Fragen und Ihre intensive Befassung mit diesem wichtigen Problem.
In der Sache bin ich allerdings anderer Auffassung als Sie. Zum einen ist, global betrachtet, die Zahl der Armen keineswegs gestiegen, sondern sowohl in absoluten wie auch in relativen Zahlen zurückgegangen. Allerdings gibt es hier – und das ist in der Tat problematisch – große regionale Unterschiede. Denn während zum Beispiel in Ost- und Südostasien der Wohlstand deutlich zugenommen hat, gibt es in anderen Weltregionen (insbesondere im subsaharischen Afrika) mehr statt weniger Armut. Dass sich die Kluft zwischen arm und reich vergrößert hat, hängt daher nicht in erster Linie damit zusammen, dass die Armen ärmer geworden sind, sondern ist auf den weiter wachsenden Wohlstand der Reichen zurückzuführen.
Diese zunehmende Ungleichheit ist dennoch natürlich hoch bedenklich. Wir sollten alles daran setzen, dass in Zukunft möglichst alle Länder und alle Menschen dieser Welt von wachsendem Wohlstand profitieren. Ein zentraler Schlüssel (und keineswegs das Problem) hierzu ist der freie Handel.
Die Erfahrung der letzten Jahre und Jahrzehnte hat gezeigt, dass es einen nachhaltigen Wohlstandsgewinn vor allem in Ländern gegeben hat, die über stabile politische Institutionen und möglichst ausgeprägte demokratische Systeme verfügten und deren Wirtschaft in den globalen Handel eingebunden ist. Das gilt zum Beispiel für Südkorea, das noch in den fünfziger Jahren zu den ärmsten Ländern der Welt zählte und heute Mitglied der OECD ist. Auch andere Länder haben diesen Entwicklungspfad, wenngleich nicht immer ohne Rückschläge, erfolgreich beschritten. Zu denken ist etwa an Taiwan, Thailand und Hong Kong. Die Teilnahme an der Globalisierung brachte diesen Ländern Fortschritt und Wachstum.
Auf der anderen Seite lässt sich gerade im subsaharischen Afrika gut beobachten, wie in instabilen und diktatorisch regierten Ländern, die (auch aufgrund ihrer inneren Verfasstheit) nicht am Weltmarkt teilnehmen, die Wirtschaft stagniert oder schrumpft und sich Macht und Reichtum in den Händen weniger konzentriert, während die Bevölkerung verarmt. Trauriges Paradebeispiel sind zum Beispiel Simbabwe und die Demokratische Republik Kongo.
Die These, dass der Kapitalismus eine „Ausbeutungswirtschaft“ sei, ist von daher nicht haltbar. Auch heute gehen weit über ¾ der jährlichen Investitionen weltweit in Hochlohnländer – und dort, wo in „Niedriglohnländern“ (z.B. in den Sonderwirtschaftszonen von Pakistan oder Bangladesh) investiert wird, ist das Lohn- und Arbeitsniveau in den Unternehmen der internationalen Investoren ausweislich eines Berichtes der International Labor Organisation (ILO) besser als in einheimischen Betrieben. Aufgabe einer nachhaltigen Entwicklungspolitik muss es deshalb sein, Bedingungen zu schaffen, damit alle Länder am Welthandel teilnehmen und von den Vorteilen der Globalisierung profitieren können.
Vor allen Dingen ist es wichtig stabile und demokratisch legitimierte politische Institutionen zu schaffen, wie schon Adam Smith zu seiner Zeit beobachtete:
„Order and good government, and along with them the liberty and security of individuals, were, in this manner, established in cities at a time when the occupiers of land in the country were exposed to every sort of violence. (…) That industry, therefore, which aims at something more than necessary subsistence, was established in cities long before it was commonly practised by the occupiers of land in the country.” (Adam Smith, An Inquiry into the Nature and Causes of the Wealth of Nations: Book III Kapitel 3)
Hier müssen sich die reichen Länder auch finanziell stärker engagieren. Denn überall dort, wo die Freiheit in Ketten gebunden liegt (das gilt auch für augenblicklich prosperierende Länder) ist der wirtschaftliche Fortschritt auf Sand gebaut. Zugleich, wie ich schon in meinem letzten Schreiben ausgeführt habe, müssen wir uns darum bemühen, dass der Zugang zum Weltmarkt erleichtert und Beschränkungen des Freihandels aufgehoben werden.
Mit freundlichen Grüßen
Patrick Döring, MdB