Frage an Patrick Döring von Karsten G. bezüglich Finanzen
Hallo Patrick,
als alter Schulfreund wage ich es einfach mal, Dich auch hier zu duzen.
An Dich als finanzpolitischen Sprecher der FDP habe ich folgende Frage: Die FDP rühmt sich gerne mit der Kindergelderhöhung 2010. Demnach hatten Kinder einen Mehrbedarf von 20,- €
Kannst Du mir erklären, warum Kinder von ALG-II-Empfängern, egal ob Vollempfänger oder Zuverdienstler, diesen Mehrbedarf offensichtlich nicht haben?
Oder anders: Was brauchen Kinder von Gutverdienern unbedingt mehr als Kinder, die von Armut bedroht sind oder diese bereits erreicht haben?
Das alte Argument mit dem "Wer arbeitet soll mehr haben als jemand, der nicht arbeitet" kann ja in diesem Fall nicht im geringsten ziehen, da Kinderarbeit in unserem Land glücklicherweise verboten ist.
Liebe Grüße an Dich und Deine Famile
Karsten Gätcke
Lieber Karsten,
vielen Dank für Deine Anfrage. Ich gebe zu, es mutet für mich merkwürdig an, auf dieser Plattform so persönlich angesprochen zu werden. Auch als Bundestagsabgeordneter bleibe ich ja ein normaler Mensch (vielleicht mit dem Unterschied, dass meine Kontaktdaten überdurchschnittlich leicht in Erfahrung gebracht werden können) und auch auf normalem Wege ansprechbar. Aber selbstverständlich beantworte ich Deine Frage auch gerne öffentlich.
Der Regelsatz für Kinder nach dem Sozialgesetzbuch II soll dazu dienen, ein menschenwürdiges Existenzminium zu gewährleisten. Dies ist nach der von uns durchgesetzten Hartz IV-Reform jetzt erstmalig gewährleistet und damit eine alte Forderung der FDP umgesetzt: Der Kinderregelsatz wird jetzt nicht mehr prozentual von dem Regelbedarf für Erwachsene abgeleitet, sondern eigenständig aufgrund der Verbrauchsausgaben von Paarhaushalten mit einem Kind ermittelt. Um den altersspezifischen Bedarfen gerecht zu werden, werden drei Altersstufen berücksichtigt. Auch das entspricht den Vorgaben des Bundesverfassungsgerichts nach einer Berücksichtigung der kindlichen Entwicklungsphasen.
Die statistische Auswertung hat ergeben, dass der Kinderregelsatz eigentlich hätte sogar sinken müssen, da Eltern im Niedrigeinkommensbereich für ihre Kinder weniger ausgeben als bisher angenommen. Die christlich-liberale Regierung hat sich jedoch gegen eine Absenkung der Kinderregelsätze entschieden. Der Entwurf zur Reform des SGB II sieht zudem erstmals eine Anspruchsgrundlage für den Bildungs- und Teilhabebedarf von Kindern und Jugendlichen vor und erfüllt damit eine weitere Vorgabe des Bundesverfassungsgerichts.
Ergänzend zu den Regelleistungen erhalten Kinder und Jugendliche ein sogenanntes Bildungspaket. Es beinhaltet die erforderlichen Kosten für Nachhilfeunterricht, einen Zuschuss zum gemeinsamen Mittagessen; Förderung der Teilhabe am kulturellen und sportlichen Leben (z. B. Vereine, Musikschulen) sowie die bereits heute existierende Schulausstattung. Diese Leistungen (mit Ausnahme der Schulausstattung) können entweder in Form von Gutscheinen oder durch die direkte Zahlung an den Anbieter erbracht werden. Damit ist gewährleistet, dass die Leistung direkt beim Kind ankommt. Kinder können damit selbstbestimmt, individuell und unbürokratisch Bildungs- und Freizeitangebote wahrnehmen. Mit der Berücksichtigung des Bildungsbedarfs korrigieren wir einen weiteren Fehler der rot-grünen Regierung, die diesen Bedarf überhaupt nicht berücksichtig hatte.
Neben der Sicherung eines menschenwürdigen Existenzminimums unternehmen wir also bereits große Anstrengungen, um Kindern aus Hartz IV-Familien einen Weg aus der Abhängigkeit von sozialstaatlichen Leistungen zu bahnen.
Du fragst nun, warum das Kindergeld mit einer Anhebung um zwanzig Euro im Jahr 2010 deutlich erhöht wurde und keine gleichwertige Erhöhung beim Regelsatz vorgenommen wurde. Da muss man allerdings der Fairness halber darauf hinweisen, dass die Regelsätze für Hartz IV-Empfänger - und so auch für Kinder - regelmäßig an die Inflation angepasst werden. Einen vergleichbaren Anpassungsmechanismus gibt es beim Kindergeld nicht. Seit dem Jahr 2000 wurde das Kindergeld nur vier Mal erhöht - zuletzt in zwei Stufen 2009 und 2010.
Das Kindergeld zielt außerdem nicht, wie von Dir gemutmaßt, auf die Kinder von "Gutverdienern", sondern stellt im Gegenteil eigentlich eine Leistung vor allem für Familien mit niedrigem oder mittlerem Einkommen dar.
Im deutschen Steuerrecht gilt - für Erwachsene und Kinder gleichermaßen - dass das so genannte Existenzminium von der Einkommensteuer freigestellt wird. Dieser wird nach dem Existenzminimumbericht der Bundesregierung ermittelt. Das ist schon nach dem Grundgesetz erforderlich - und entspricht auch dem Prinzip der Fairness. Wer arbeitet, soll für den Grundbedarf seiner Familie nicht auch noch Steuern zahlen. Von dieser Freistellung des Existenzminimums profitieren, entsprechend dem Gleichheitsgrundsatz des Grundgesetzes, alle Familien, unabhängig von ihrem Einkommen.
Das Problem: Familien mit niedrigerem und mittlerem Einkommen würden von einer steuerlichen Anrechnung nur in deutlich geringerem Umfang profitieren, weil das Grundeinkommen, auf das der Freibetrag angerechnet wird, vergleichsweise niedrig ist. Um diese Ungerechtigkeit auszugleichen und gerade Kinder aus Familien mit eher geringerem Einkommen stärker zu unterstützen, hat man das Kindergeld eingeführt, das eben unabhängig von dem tatsächlichen Einkommen ist, sondern einfach pro Kopf ausgezahlt wird. Dadurch wird die soziale Spreizung, wie sie im Falle einer reinen steuerlichen Förderung auftreten würde, drastisch reduziert.
Grundsätzlich ist es übrigens so, dass auch Kinder aus Hartz IV-Familien Kindergeld erhalten - dieses wird jedoch mit den Regelleitungen verrechnet. Mit der Frage, ob diese Anrechnung verfassungskonform ist, hat sich das Bundesverfassungsgericht ausführlich beschäftigt und ausdrücklich bestätigt, dass hier keine Verletzung des Gleichheitsgrundsatzes oder des Sozialstaatsgebotes vorliegt. Die volle Anrechnung des Kindergeldes, so die Richter, wahrt den Gleichheitssatz des Grundgesetzes.
Ich hoffe, Deine Frage damit beantwortet zu haben, und verbleibe mit freundlichen Grüßen,
Patrick Döring MdB