Frage an Otto Schily von Steffen L. bezüglich Gesellschaftspolitik, soziale Gruppen
Sehr geehrter Herr Schily,
erst einmal meine Hochachtung vor Ihren Leistungen im politischen Leben. Ich möchte von Ihren unbezahlbaren Erfahrungen
und analytischen Fähigkeiten profitieren. Ich bin 64 Jahre und meine Frage bezieht sich auf das Rentenrecht der Bürger in unserem Land, die aus humanitären und politischen Gründen die DDR mit Abstand vor der Wiedervereinigung verlassen haben. Ich habe bewußt Demokratie und Bürgerrechte und nicht Soziales als Thema gewählt, denn es ist meiner Ansicht nach überwiegend ein bürgerrechtlicher Mißstand, der beseitigt werden muß. Fast alle Übersiedler vom Schlosser bis zum Professor, die lange vor der Wiedervereinigung diesen Schritt wagten, haben sich von Hab und Gut getrennt und dem demokratischen Rechtsstaat BRD vertraut. Fast alle haben auch einen Rentenbescheid nach dem FRG in einem umfangreichen Prüfverfah-
ren ( Verwaltungsakt ) erhalten.
Immer mehr Bürger ( Bestandsübersiedler, Normadressaten, Flüchtlinge etc. ) kommen in Rentenalternähe und erfahren, dass ihre ausgestellten Rentenbescheide vor der Wiedervereinigung ungültig sind ( unlogisch ), weil es nach der Wiedervereinigung kein Fremdrentengesetz mehr für die Bürger in den neuen Bundesländern gibt ( logisch ). Alle Bestandsübersiedler etc. wurden danach wieder als Bürger der ehemaligen DDR zurückgestuft, aber nicht mit den gleichen Rechten, es erfolgte auch keinerlei Information. Die Rentenkürzungen betragen z.B. bei Ingenieuren ca. 50 %. Die Renten für diverse Berufsgruppen, verdiente Funktionäre, Stasiangehörige etc. im Beitrittsgebiet wurden dagegen erheblich angehoben. Die Durchschnittsrente der Männer ist in der ehemaligen DDR um 44 % und die der Frauen um 72 % höher als in den alten Bundesländern. Meine ehemaligen Ingenieurkollegen in Sachsen erhalten für den gleichen Zeitraum 1969 bis 1984 mehr als das Doppelte.
Warum haben Bestandsübersiedler kein Recht auf Gleichbehandlung und Bestandschutz wie Bürger der ehemaligen DDR?
Herzlichen Dank
Steffen Lerch