Wie setzen Sie sich für die Gerechtigkeit in der Gemeinschaft ein und welche Maßnahmen ergreifen Sie, um sicherzustellen, dass alle Menschen fair behandelt werden?
Sehr geehrter Herr Omid Nouripour,
Wir sind 3 Schülerinnen aus einer Realschule, unserhema in Ethik ist zurzeit Gerechtigkeit und dazu hätten wir eine Frage an Sie.
Sehr geehrte Frau K.,
vielen Dank für Ihre Nachricht. Wir freuen uns sehr, dass dieses wichtige Thema bei Ihnen in der Realschule diskutiert wird, und bedanken uns für Ihr Interesse an unserer Arbeit.
Die Grundlage grüner Politik ist Gerechtigkeit. Das haben wir in unserem Grundsatzprogramm ausbuchstabiert: https://cms.gruene.de/uploads/documents/20200125_Grundsatzprogramm.pdf
Auf Seite 13 und 14 definieren wir unser Verständnis von Gerechtigkeit in 10 Unterpunkten:
(17) Die Würde und Freiheit des Menschen werden in einer gerechten und solidarischen Gesellschaft verwirklicht. Solidarität schafft gesellschaftlichen Zusammenhalt. Gerechtigkeit heißt für uns gleiche und größtmögliche Freiheit für alle. Sie ist die Grundlage für ein gutes Leben.
(18) Jeder Mensch muss vor Armut geschützt sein, denn Armut kann kein akzeptierter Teil einer gerechten Gesellschaft sein. Doch soziale Gerechtigkeit bedeutet mehr als ein Leben ohne Armut: Jede*r hat das Recht auf materielle Sicherheit und gesellschaftliche, politische und kulturelle Teilhabe sowie ein Leben ohne Existenzangst. Dafür braucht es einen starken Sozialstaat, der die Voraussetzungen für ein selbstbestimmtes, glückliches Leben schafft, Teilhabe aktiv ermöglicht und dafür sorgt, dass niemand durchs Raster fällt.
(19) Eine gerechte Gesellschaft ermöglicht, gleichberechtigt am gesellschaftlichen Leben teilzunehmen. Das verlangt starke öffentliche Räume und Institutionen – gute Kitas, Kindergärten und Schulen, Hochschulen, Schwimmbäder und Sportplätze, Bibliotheken und Theater, einen gut ausgebauten öffentlichen Nahverkehr, Breitbandanschlüsse für alle, leistbaren Wohnraum, gute gesundheitliche Versorgung und gleichwertige Lebensverhältnisse in der Stadt und auf dem Land. In Zeiten der Individualisierung, in der sich viele Menschen einsam fühlen, sind solche Orte von besonderer Bedeutung.
(20) Die Finanzierung einer starken Daseinsvorsorge ist öffentliche Aufgabe.
(21) Gute, inklusive und diskriminierungsfreie Bildung ist Voraussetzung für Gerechtigkeit. Wir brauchen ein ganzheitliches und am Menschen orientiertes Bildungssystem, das nicht außer Acht lässt, dass Menschen nicht über die gleichen Voraussetzungen verfügen. Das Vertrauen, dass wir eine Zukunft für uns und die Generationen nach uns ermöglichen und gestalten können, ist ein notwendiger Antrieb für gesellschaftlichen Fortschritt.
(22) Eine Gesellschaft ist dann sozial, wenn Wohlstand, Ressourcen und Macht gerecht verteilt sind. Unregulierter Kapitalismus produziert Ungleichheit und Machtkonzentration. Zu große Ungleichheit bedroht den Zusammenhalt der Gesellschaft und damit einen Pfeiler der Demokratie. Aufgabe von Politik ist es, solche Ungleichheit zu vermeiden und durch Regulierung, Investitionen und Steuern Ungleichheit zu reduzieren und einen Ausgleich zu schaffen. Große Vermögen und hohe Einkommen bringen soziale Verpflichtungen mit sich.
(23) Alle Menschen sollen unabhängig vom Geschlecht an der Gesellschaft teilhaben können. Gerechtigkeit bedeutet, dass bezahlte und unbezahlte Arbeit, Einkommen, Zugang zu Bildung, Eigentum und Zeit zwischen den Geschlechtern gerecht verteilt sind.
(24) Ohne die staatliche Garantie für diskriminierungsfreie und gleiche Rechte, Zugänge und Teilhabe für alle ist Gerechtigkeit nicht herstellbar. Das heißt auch, dass die Bekämpfung von Rassismus und allen Formen von gruppenbezogener Menschenfeindlichkeit, auch in ihrer Verschränkung, grundlegende Aufgabe von Staat und Gesellschaft ist. Eine Gesellschaft ist dann gerecht, wenn auch Menschen mit jedweder Form der Behinderung an allen Bereichen des gesellschaftlichen Lebens teilhaben können.
(25) Soziales und ökologisches Wirtschaften schafft Innovation und Fortschritt und trägt so zu einer gerechten Gesellschaft bei. Dafür braucht es gemeinsame Regeln, die fairen Wettbewerb ermöglichen, die Konzentration von Macht verhindern und Verbraucher*innen-Rechte schützen. Eine am Gemeinwohl orientierte, sozial-ökologische Marktwirtschaft setzt auf Sozialpartnerschaft und schafft gute, nachhaltige Arbeit. Sie trägt dazu bei, dass Menschen sich verwirklichen können, Informationen effektiv genutzt werden, Wohlstand zum Wohle aller und nicht auf Kosten zukünftiger Generationen entsteht und die Versorgung mit grundlegenden Gütern gewährleistet ist.
(26) Um globale Gerechtigkeit zu ermöglichen und die Universalität der Menschenrechte zu verteidigen, muss das Weltwirtschaftssystem ein sozial-ökologisches werden, das nach demokratischen Regeln organisiert ist und auf der Grundlage von gleichberechtigter Kooperation und Solidarität und nicht auf Dominanz beruht.
Ihnen alles Gute!
Freundliche Grüße
Team Nouripour