Frage an Omid Nouripour von Simon L. bezüglich Innere Sicherheit
Weshalb haben Sie sich hinsichtlich des o.g. Themas enthalten?
Lieber Herr Lissner,
vielen Dank für die Frage und das Interesse an meiner Arbeit im Deutschen Bundestag.
Die aktuelle Sicherheitslage in Afghanistan ist prekär, so dass zivile Aufbauprojekte nicht ohne militärische Absicherung möglich sind. Generell gilt, dass terroristische Netzwerke und ihre Akteure nur durch ein starkes politisches, ziviles und auch militärisches Engagement der internationalen Gemeinschaft eingedämmt werden. Für dieses Engagement ist ein Gesamtkonzept nötig, dass eine langfristige Stabilisierung Afghanistans und einen erfolgreichen Wiederaufbau des Landes gewährleistet. Das Dilemma, in dem sich Afghanistan zur Zeit befindet, lautet: ohne Sicherheit ist kein Wiederaufbau in Afghanistan möglich und umgekehrt gilt, dass es ohne Wiederaufbau keine Sicherheit geben wird.
Deutschland leistete in der Vergangenheit bereits einen erheblichen Beitrag zum Aufbau einer zivilen Infrastruktur in Afghanistan. Unter der Führung der NATO und auf Grundlage eines Mandats der Vereinten Nationen erbringt die Bundeswehr im Rahmen von ISAF gleichzeitig einen wichtigen Beitrag zur Sicherung ziviler Projekte, zur Stabilisierung Afghanistans und zur Terrorismusprävention. Der Bundestag hat daher folgerichtig im Herbst letzten Jahres das ISAF-Mandat der Bundeswehr verlängert.
Ohne eine Beteiligung der USA ist eine erfolgreiche Kooperation zur Bekämpfung des Terrorismus und zum Wiederaufbau Afghanistans weder denkbar noch sinnvoll. Gleichzeitig sehe ich das konkrete Vorgehen der USA gerade auch im Rahmen der Operation Enduring Freedom (OEF) sehr kritisch. Mit dem Inkrafttreten des Military Commissions Act im Oktober 2006 wird der US-Armee die uneingeschränkte willkürliche Verhaftung von Terrorverdächtigen sowie die Anwendung folterähnlicher Verhörmethoden erlaubt. Diese Missachtung des Völkerrechts zerstört die Glaubwürdigkeit und die Legitimation von Terrorbekämpfung und beeinträchtigt ihre Wirksamkeit. Aussagen von zivilen und militärischen Afghanistan-Experten zeigen außerdem, dass nicht die bloße Präsenz von OEF, sondern deren Art und Weise der Operationsführung den sogenannten "Oppositionellen Militanten Gruppen" deutlich Auftrieb gegeben hat.
Im Vorfeld der Abstimmung zur Verlängerung des OEF-Mandats hat die Bundesregierung eine völlig unzureichende Informationspolitik betrieben. Sie hat keine umfassende Bewertung über die Erfolge und Misserfolge von OEF vorgelegt und ist ihrer Verpflichtung zur kontinuierlichen Unterrichtung des Bundestages nicht nachgekommen. Die Informationsgrundlagen für eine Entscheidung darüber, ob und wie die Mission OEF fortgesetzt werden soll, waren aus meiner Sicht völlig unzureichend. Ich habe mich daher gemeinsam mit mehreren Kolleginnen und Kollegen meiner Fraktion entschlossen, mich der Stimme zu enthalten. Wir haben gleichzeitig die Bundesregierung aufgefordert, sich für einen Wechsel bezüglich der Strategie und Vorgehensweise im Rahmen von OEF einzusetzen und ebenso zu prüfen, ob zwei verschiedene Militärmandate (ISAF und OEF) zur Stabiliserung Afghanistans weiterhin sinnvoll sind.
Viele Grüße
Omid Nouripour