Frage an Omid Nouripour von Andreas G. bezüglich Gesellschaftspolitik, soziale Gruppen
Sehr geehrter Herr Nouripour
in letzter Zeit wird immer häufiger über Fälle berichtet, in denen offenbar Mitarbeitern kirchlicher Einrichtungen elementare Rechte vorenthalten werden beziehungsweise der Versuch der Inanspruchnahme dieser Rechte als Grund für eine Kündigung genannt wird. So sind Streikrecht, Betriebsräte und ein selbstbestimmtes Privatleben für solche Mitarbeiter unerreichbar, hier einige Beispiele:
- Entlassung wegen außerehelichen Beziehung:
http://www.kath.net/detail.php?id=37149
- Entlassung wegen sexueller Orientierung:
http://www.spiegel.de/karriere/berufsleben/kirche-keine-kuendigung-in-elternzeit-fuer-lesbische-erzieherin-a-839767.html
- Entlassung nach Trennung von Ehemann:
http://www.general-anzeiger-bonn.de/lokales/region/Nach-Entlassung-der-Kiga-Leiterin-Stadt-Koenigswinter-kuendigt-der-Kirche-article720366.html
- Rechtliche Schlechterstellung von Beschäftigten in kirchlichen Einrichtungen:
http://berlin-brandenburg.dgb.de/themen/++co++171ee40e-7905-11e1-7846-00188b4dc422
Mich würde Ihre (als Abgeordneter meines Wahlkreises) Position zu folgenden Punkten interessieren:
• Religions und Weltanschauungsfreiheit vs kirchlicher Sonderrechte in Sozialeinrichtungen, die aus öffentlichen Mitteln finanziert werden (das sind kirchliche Einrichtungen zu 90 bis 100%)
• Gültigkeit des Betriebsverfassungsgesetzes vs „besondere Tendenzschutz“ für Religionsgemeinschaften (BetrVG § 118, Abs. 2) in kirchlichen Sozialeinrichtungen
• Eingriff von Religionsgesellschaften als Arbeitgeber im sozialen oder medizinischen Bereich in die private Lebensführung ihrer Angestellten
• Schaffung eines flächendeckenden weltanschaulich neutralen Angebotes sozialer Dienstleistungen, da es in Deutschland mehr konfessionsfreie Menschen als Katholiken oder Protestanten gibt.
Vielen Dank für Ihre Antwort,
Andreas Grimsehl
Sehr geehrter Herr Grimsehl,
vielen Dank für Ihre Frage zum kirchlichen Arbeitsrecht. Sie berühren damit ein Thema, dass in meiner Fraktion derzeit intensiv diskutiert wird. Aus diesem Grund findet in der nächsten Woche ein Fachgespräch in Berlin statt, zu dem Sie unter dem folgenden Link mehr Informationen finden:
Die Kirchen und Religionsgemeinschaften leisten als freie Träger mit ihren Sozialeinrichtungen einen wichtigen Beitrag für die soziale Arbeit in unserem Land. Dies darf nicht darüber hinwegtäuschen, dass sich in unserer Gesellschaft das Verständnis von Grundrechten und freier Entfaltung der Persönlichkeit weiterentwickelt hat. Das bisherige kirchliche Arbeitsrecht trägt dem nicht Rechnung. Ich unterstütze daher eine Reform dieses Rechts. Dabei muss sichergestellt werden, dass nicht in die private Lebensführung der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer eingegriffen werden darf. Weitere Ansatzpunkte und Details hierzu werden sicher auch Ergebnis des oben genannten Fachgesprächs sein.
Sollte mit Ihrem Vorschlag zur Schaffung eines flächendeckend weltanschaulich neutralen Angebots sozialer Dienstleistungen verbunden sein, dass dies staatliche Einrichtungen sein müssen, so bin ich von der Umsetzbarkeit nicht überzeugt. Ich denke, dass sich das Modell mit freien Trägern bewährt hat, auch wenn es an Punkten wie beispielsweise dem kirchlichen Arbeitsrecht reformbedürftig ist.
Mit besten Grüßen
Omid Nouripour