Frage an Oliver Schruoffeneger von Michael D. bezüglich Umwelt
Sehr geehrter Herr Schruoffenneger,
wir erleben zunehmend heftiger die Auswirkungen der sog. "neuartigen Klimaveränderungen" weltweit, aber auch in Berlin. Derzeit werden diese von der Politik schon weniger geleugnet als zunehmend die Verantwortung dafür "uns", die wir "umdenken" müßten", auferlegt. Kann denn von Bürgern, denen man nicht einmal zutraut, ein Park- oder Überholverbot unkontrolliert einzuhalten, das unkontrollierte Umdenken in Klimafragen nebst Umsetzung in konkrete Verhaltensweisen entgegen vordergründigen Eigeninteressen erwartet werden? Wenn nicht, liegt die Verantwortung dafür dann nicht einzig (!) bei der Politik? Welche konkreten, radikalen und einschneidenden Maßnahmen werden die Grünen Berlins demzufolge im Verein mit den Bundesgrünen zur Abwendung des Abschmelzens der arktischen Pole, der Alpengletscher, der damit einhergehenden weiteren Stürme, Fluten, Hitzewellen, Versteppung weiter Teile der Welt, unkontrollierbarer Bevölkerungswanderung etc. pp. ergreifen? Wie lange sind die Vorlaufzeiten bis zum Einsetzen der Wirkung Ihrer beabsichtigten Maßnahmen? Wieviel Zeit bleibt
Mit freundlichen Grüßen - Michael Deike
Sehr geehrter Herr Deike,
vielen Dank für Ihre Fragen und Anmerkungen zum Klimawandel und den daraus folgenden Anforderungen an Politik und Bürger. Im Gegensatz zu vielen anderen Fragen, die meine KollegInnen und ich über Kandidatenwatch erhalten, berührt ihr Beitrag schon beinahe philosophische Fragen. Kann sich das menschliche Verhalten so schnell und so radikal verändern, wie es für den Erhalt dieser Erde und einer akzeptablen Lebensqualität für alle Menschen notwendig wäre? Ich bin diesbezüglich skeptisch. Insofern muss ich frank und frei bekennen, dass die Grünen weder auf Landes- noch auf Bundesebene so konkrete, radikale und
einschneidende Maßnahmen planen, wie sie für ein Aufhalten bzw. Verlangsamen des Klimawandels und seiner Folgen notwendig wären. Doch so bescheiden und unzureichend unsere Forderungen nach Veränderung unseres Wirtschaftens und unseres Lebensstiles sind, so vehement werden sie nach wie vor von einer Mehrheit der Bevölkerung, vor allem aber von einer Mehrheit der Politik und der Medien abgelehnt. Ich will gar nicht auf die Diskussion um die schrittweise Verteuerung des Bezins auf 5 DM oder die Beschränkung des (Freizeit)Flugverkehrs eingehen. Schon unsere eigentlich selbstverständlichen Forderungen nach einer energetischen Sanierung des Gebäudebestandes in Berlin, nach Solaranlagen auf Schwimmbädern, nach einem Verzicht auf den Neubau von Straßen, einer Preissenkung bei BVG und S-Bahn, Fahrbeschränkungen für Fahrzeuge mit hohem Schadstoffausstoß, keiner Bebauung von Grünflächen, mehr Bio-Produkten in Kitas, Schulen und öffentlichen Kantinen, einer Kampagne gegen Gartenmöbel aus nicht zertifiziertem Tropenholz, einer besseren Verwertung des Abfalls.... finden selbst bei SPD und PDS nur so begrenzt Unterstützung, dass die große Mehrheit unserer diesbezüglichen parlamentarischen Initiativen auch in den letzten fünf Jahren abgelehnt wurde. Deswegen streben wir ja eine Regierungsbeteiligung an. Auch wenn 7 Jahre Rot-Grün im Bund gezeigt haben, dass bei allem Engagement nur ein kleiner Teil der grünen Forderungen (und ein noch viel kleinerer Teil des wirklich Notwendigen) durchgesetzt werden kann. Aber eine kostenlose und über den Bedarf hinausgehende Zuteilung von CO2-Zertifikaten an die Industrie, deren negativen Klimafolgen durch ein umweltfreundlicheres Fahrverhalten der BürgerInnen ausgeglichen werden soll, das hätte es unter einem Umweltminister Trittin nicht gegeben! Ob aber die alleinige Verantwortung für eine nachhaltige Politik allein bei der Politik liegt, bezweifle ich. Schließlich will niemand von uns in einer Öko-Diktatur leben. Und auch wenn es unverantwortlich ist, dass die Politik nicht in der Lage ist, dem Flugverkehr auch nur annähernd seine realen Kosten abzuverlangen, so kauft das einzelne Flugticket zum Shoppen in Mailand doch der oder die einzelne BürgerIn. So muss jeder einzelne Mensch und jede einzelne Institution ihren Beitrag leisten, um eine zukunftsfähige Erde zu erhalten. Wir als Bündnisgrüne versuchen dies, so gut wir können. Dass wir dabei eine Gratwanderung zwischen eigentlich Notwendigem und politisch nur ansatzweise Durchsetzbarem absolvieren, ist uns schmerzlich bewusst.
In diesem Sinne hoffe ich auf Ihre politische Unterstützung bei all den von Ihnen angesprochenen Fragen. Und darauf, dass uns trotz der wahrlich gravierenden Probleme Engagement und Zuversicht nicht verloren gehen.
Mit freundlichen Grüßen
Oliver Schruoffeneger