Frage an Oliver Schruoffeneger von Marion K. bezüglich Raumordnung, Bau- und Wohnungswesen
welche priorität hat für sie die öffentliche daseinsvorsorge in berlin und die aufrechterhaltung bürgernaher öffentlicher dienstleistungen am beispiel der bezirklichen grünflächenämter? wie stehen sie zum einsatz von 1-euro-kräften ? berlin ist eine grüne stadt und soll es auch bleiben. dennoch wird den bezirksämtern immer weniger geld für die erfüllung ihrer aufgaben zur verfügung gestellt. insbesondere der bereich der grünflächenpflege und -unterhaltung ist aus finanz- und personalnot ständigen privatisierungen und kürzungen unterlegen. aktueller notnagel ist der einsatz von 1-euro-kräften für pflichtaufgaben, wider besseren wissens, abgesehen davon, dass es gesetzwidrig ist, sind sie folgen absehbar. qualitätsverlust, mangelbewirtschaftung, schäden an bäumen und sträuchern durch falsche oder ungenügende pflege, unfälle auf spielplätzen durch nicht sach- und fachgerechte kontrolle und reparaturen u.v.a.m. hier werden nicht nur reguläre arbeitsplätze bedroht oder ersetzt, hier werden fahrlässig vermögenswerte in der natur und umwelt zu lasten der bürgerinnen und bürger aufs spiel gesetzt.
Die Grünflächenämter Berlins sind unverzichtbarer Bestandteil der öffentlichen Verwaltung. Ein wesentlicher Punkt für Attraktivität der Stadt ist das viele Grün in allen Stadtbereichen, das so in anderen Großstädten nicht zu finden ist. Dazu gehören insbesondere die Straßenbäume und die vielen kleinen Freiflächen und Grünanlagen, die das Stadtbild prägen. Als Radfahrer weiß ich den Wert der Grünverbindungen zu schätzen, die es möglich machen weite Teile der Stadt zu durchfahren ohne sich auf Hauptverkehrsstraßen zu begeben. (z.B. Mauerstreifen, Kleingartendurchwegungen, Verbindungen an Kanälen, Flüssen und anderen Gewässern). Das was notwendig ist um die Qualität dieser Anlagen zu erhalten, muss auch regulär finanziert werden. Ein Euro Kräfte dürfen dafür nicht eingesetzt werden. Anders zu bewerten wäre rechtlich die Neuanlage von Grünflächen (z.B. Spielplätzen), die sonst nicht durchgeführt werden könnte, also im Haushaltsplan des Landes nicht enthalten ist. Hier könnte argumentiert werden, dass es sich um zusätzliche Aufgaben handelt. Hier muss von Fall zu Fall entschieden werden, ob es sich wirklich um zusätzliche Maßnahmen handelt, oder aber um Maßnahmen die z.B. als Ausgleich für Eingriff in Natur und Landschaft rechtlich vorgeschrieben sind oder unverzichtbar sind um die Grundversorgung der Bevölkerung zu gewährleisten.
Ich halte es aber für denkbar Eigeninitiativen verstärkt auch in die Grünflächenunterhaltung einzubeziehen. Anwohner die die Grünstreifen ihrer Straßen pflegen oder bepflanzen etc. sind für mich nicht die Störenfriede der öffentlichen Ordnung sondern Menschen die sich für Ihre Umgebung engagieren wollen. Dies muss manchmal in geordnete Bahnen gelenkt werden, im Grundsatz wäre das aber unterstützenswert, ebenso wie die Anwohnerinitiativen, die einen Spielplatz sauberhalten wollen etc. Auch hier wäre genau zu definieren, was wessen Aufgabe ist, denn dies darf natürlich nicht dazu führen, dass das Grünflächenamt sich auch aus der Verantwortung für die Gerätesicherheit zurückzieht.
Ich strebe insgesamt ein anderes Finanzzumessungsmodell für die Bezirke an. Das bisherige Modell der prozentualen Kürzung der Gesamtzuweisung ohne Berücksichtigung der wirklichen Steuerbarkeit der Aufgaben führt in die Irre. Mittlerweile sind die bezirklichen Zuweisungen gegenüber dem früheren Berechnungsmodell der ersten Hälfte der 90er Jahre um mehr als 50% gekürzt worden. Wenn man berücksichtigt, das bestimmte Kosten, wie z.B. die Beheizung der Schulen, die Miete für unverzichtbare Gebäude, der Strom, das wasser etc. nicht einfach gekürzt werden können, heißt das, dass die wirklich beeinflussbaren Leistungen um über 70% gekürzt wurden. Da aber niemand die Lehr- und Lernmittel der Schulen so kürzen kann und auch andere prioritäre Aufgaben geschont werden mussten hat dieses Verfahren zu einem massiven Kahlschlag nicht nur bei den Grünflächenämtern, sondern zum Beispiel auch bei den Beschaffungsetats der Bibliotheken oder in den Kunstämtern geführt. Die verantwortlichen Landespolitiker von rot-rot stellen sich dann aber hin, zeigen mit dem Finger auf die Bezirke und schelten diese für ihre angeblich falsche Prioritätensetzungen.
Das neuen Zumessungsverfahren muss die Landesebene stärker in die Pflicht nehmen ohne bezirkliche Spielräume und Eigenverantwortung aufzugeben. Für die 100 wichtigsten Produkte der Bezirke wollten landesweite Standards als politische Zielsetzung definiert werden, die sowohl qualitative wie auch quantitative Richtgrößen vorgeben. Dies würde eine Diskussion ohne die Finanzschere im Kopf bedeuten. Anschließend würde die Finanzverwaltung feststellen, dass der jetzige Etat der Bezirke damit um ein Vielfaches überschritten würde. Es würde dann die pauschale Kürzung von beispielsweise 60% geben, um keine Haushaltsausweitung zu verursachen. Jetzt könnte wiederum das Parlament hingehen und Produkt für Produkt entscheiden wie mit dem Widerspruch zwischen Realität und Wunsch umgegangen werden kann. Insgesamt dürften bis zu 75% der Mittel der Bezirke verbindlich vorgegeben werden, damit bliebe den Bezirken ein Spielraum von 25% für eigene Prioritätenentscheidungen. In diesem Rahmen könnte das Abgeordnetenhaus mit dem jährlichen Haushaltsplan Vorgaben machen. Bei welchem Produkt müssen die dafür berechneten Mittel (also im Beispiel 40% der ursprünglichen fachlichen Forderung) komplett für dieses Produkt, (zum Beispiel Bibliotheksfinanzierung) werden und bei welchem Produkt werden nur 75% oder 50% als verbindlich vorgegeben. Den Bezirken bleibt es dann freigestellt mit den nicht festgelegten Mitteln eigene Schwerpunkte zu setzen und dabei natürlich auch bei einigen Produkten mehr als die Zuweisung auszugeben. Mindeststandards wären aber Berlinweit gesichert. Es könnte Anreizmodelle geben (wer eine bestimmte Zielerreichungsgrad überschreitet bekommt einen Bonus) um landespolitische Zielvorgaben unter Achtung bezirklicher Eigenverantwortung zu fördern.
Dies würde dazu führen, dass die Landespolitik sich endlich mit der Realität in den Bezirken auseinandersetzen müsste und dabei realisieren würde, das rot-rot die Bezirke faktisch ausgeblutet und handlungsunfähig gemacht hat. Damit würde automatisch eine notwendige Diskussion um die Verteilung der Mittel zwischen Hauptverwaltung und Bezirksverwaltungen beginnen und qualifiziert anhand von Aufgaben stattfinden können. Gleichzeitig würde Aufgabekritik möglich werden, denn das Land könnte nicht Aufgaben über Aufgaben formulieren, ohne sich über die Finanzierung Gedanken zu machen.
Nur so sind nach meiner Ansicht die Bezirke aus der finanziellen Erdrosselung zu befreien und ihnen eigene Entscheidungsspielräume zurückzugeben ohne den Gesamthaushalt des Landes wesentlich aufzustocken.