Frage an Ole Schwettmann von Patrick R. bezüglich Wirtschaft
Guten Tag Herr Schwettmann,
bei der Frage: "Aufgaben wie die Gas- und Wasserversorgung, Müllabfuhr und Abwasserbeseitigung sollen nicht privatisiert werden dürfen." waren sie dafür, dieses nicht zu privatisieren. Bei einer privatisierung, gibt es aber doch ein Konkurrenzkampf zwischen den Unternehemn die, diese versorgungen tätigen. Führt dies nicht eigentlich zu einem Preiskampf und somit zu günstigeren Preisen?
Mit freundlichen Grüßen
Patrick Rehmstedt
Sehr geehrter Herr Rehmstedt,
vielen Dank für Ihre Nachfrage, über die ich mich sehr freue. Gerne erläutere ich meinen Standpunkt, warum eine Privatisierung aus meiner Sicht keine Vorteile bringt.
Der Staat könne kein guter Unternehmer sein, nach diesem Grundsatz erfolgte insbesondere in den 90er Jahren eine große Privatisierungswelle.
Das Problem, was ich hier sehe, lässt sich gut an dem Beispiel Müllentsorgung beleuchten. Kennen Sie noch die Müllwagen von früher, wo immer zwei Mitfahrer die Tonnen eingehängt haben? Inzwischen fährt beim Abfallservice Osterholz nur noch eine Person den LKW, der Rest ist vollkommen automatisiert. Der Bürger muss die Tonnen korrekt ausgerichtet an die Straße stellen, da der automatische Greifarm sonst nicht passt. Welche Kostensenkung würde eine Privatisierung bringen, wenn ohnehin nur noch der Fahrer eine Arbeit verrichtet und drei andere Mitfahrer gar nicht mehr notwendig sind? Kosteneinsparungen wären nur durch Lohndumping oder Verschlechterung des Services für die Bürger möglich, beides lehne ich entschieden ab. Eine Privatvergabe wäre hier auch vollkommen sinnlos, da die wöchentliche Abholung der Mülltonnen nicht von vielen verschiedenen Anbietern übernommen werden kann - so viele Mülltonnen gibt es gar nicht. In der Praxis würde es also nur einen privaten Anbieter geben, der ein Monopol erhält. Mit dem Unterschied, dass ein privates Unternehmen Gewinne erzielen muss, um zu überleben.
Eine Privatisierung der Wasserversorgung kommt für mich nicht in Frage, Wasser darf keine Handelsware werden. London zum Beispiel hat sehr schlechte Erfahrungen mit der erfolgten Privatisierung gemacht, das Wassernetz ist völlig überaltert und bedarf einer dringenden Kernsanierung, es kommt sogar regelmäßig zu Dürren - und das in London. Private Unternehmen scheuen den investitionsintensiven Erhalt bzw. Ausbau und operieren nicht langfristig sondern eher mittelfristig. Hier kann ein staatliches Unternehmen völlig anders agieren, die Gewinne der kommunalen Versorger würden direkt in die lokale Infrastruktur fließen und können Versorgungssicherheit für die Zukunft erhalten
Auch der privatisierte Gasmarkt ist kritisch: laut Bundesnetzagentur setzt sich der Gaspreis zu 22% aus der Netznutzung und zu 54% aus der Beschaffung (inkl. Marge) zusammen, die restlichen 24% sind Steuern und Abgaben. Die einzige Stellschraube ist die Marge, alle anderen Kosten sind fix. Ich sehe hier wenig kalkulatorischen Spielraum dafür, dass private Unternehmen günstiger sein können.
Überprüfen Sie meine Aussage und vergleichen im Internet die Gaspreise Ihrer Anbieter vor Ort, die Unterschiede sind winzig. So würde ich bei einem Anbieter mit meinem aktuellen Verbrauch beim günstigsten Anbieter 150€ im Jahr sparen - aber auch nur wegen eines Wechselbonuses von 130€, der mir bei Vertragsabschluß als Guthaben zustehen würde. Der Haken: der Bonus wird erst nach einem Jahr verrechnet, inwieweit ich dann meinen Vertrag verlängern müsste, konnte ich den Unterlagen nicht entnehmen. Unterm Strich bleiben also 20€ im Jahr, wenn man den Bonus herrausrechnet. Nach Goolge Recherchen soll es hier auch sehr oft zu Problemen mit der Auszahlung kommen, das ist aber ein anderes Thema.
Zusammenfassend kann ich sagen, dass nicht privatisierte Unternehmen inzwischen ebenfalls in der Regel eine ordentliche Arbeit abliefern, in Zeiten von klammer Kassen werden auch hier Einsparpotentiale genutzt. Das ist auch im Interesse der Steuerzahler und gut so. Ein entscheidendes Argument ist auch, dass die Gewinne wieder in den Erhalt und Ausbau der Netze fließen und nicht in die Tasche von Aktionären.
In Berlin und Hamburg gibt es übrigens noch dieses Jahr Volksentscheide dahingehend, die Energieversorgung zu rekommunalisieren. Die Initiatoren sehen die für die Energiewende so wichtige Dezentralisierung der Energie in den Händen von Atom- und Kohlekraftwerksbetreibern gefährdet und wünschen sich mehr Kontrolle über die kommunale Energiepolitik zurück in die öffentliche Hand.
Ich hoffe, dass ich Ihnen mit der Beantwortung Ihrer Frage meinen Standpunkt deutlich machen konnte und stehe Ihnen bei Rückfragen gerne zur Verfügung.
Mit freundlichen Grüßen
Ole Schwettmann